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Interview mit Dr. Harald Pohlmann, Fraktionsvorsitzender der CDU in Lemgo
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Dr._Harald_PohlmannDr. Harald Pohlmann ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Stadtrat von Lemgo und Teil des Kulturausschusses der Stadt.

Sie haben sich im Kulturausschuss der Stadt Lemgo mit dem Comic „Hexenrichter“ von Luisa Preissler beschäftigt. Wie wurden Sie auf den Comic aufmerksam?

Durch einen Artikel in unserer Lokalzeitung.

Laut einem Bericht der Lippischen Landes-Zeitung haben Sie sich negativ zur dieser Comicgeschichte geäußert. Was ist Ihr Hauptkritikpunkt an der Geschichte?

Im Rahmen der freien Meinungsäußerung kann sich jeder auch mit historischen Themen beschäftigen, gleich wie intelligent oder sich selbst blamierend. Hier geht es um die Bewertung einer Examensarbeit. In dem zur Prüfungsarbeit gehörenden Textteil wird deutlich, dass sich die Verfasserin nur mangelhaft mit der Geschichte beschäftigt hat. Ein Prüfungsausschuss, der dies verkennt, hat ein ähnliches Problem wie einer, der einen Plagiatsversuch übersieht.
Ich persönlich finde folgendes geschmacklos: Wir ehren Maria Rampendal als mutige, starke Frau, die sich der Tyrannei widersetzt hat. In dem Comic erwidert sie nackt dem auf dem Bett liegend dem Tyrannen auf seine Aussage, wer ‚nicht kuscht brennt‘: „Du bist so gnadenlos. Ich bewundere Deine Stärke. Ich bin glücklich, dass Du mich ausgewählt hast. Mach mit mir, was Du willst, und so oft Du willst.“ So wird die Ehre einer Toten beschmutzt.

Ist der "Hexenrichter" Ihre erste nähere Begegnung mit dem Medium Comic? Lesen Sie vielleicht selbst Comics oder haben in Ihrer Jugend welche gelesen?

Comics begleiten jeden von uns mehr oder weniger, in der Werbung, bei meinen Kindern, in der Kunst oder dem Fernsehen.

Eignet sich Ihrer Meinung nach das Medium Comic generell zu einer angemessenen Betrachtung von (Regional-) Geschichte?

Ja, selbstverständlich. Comics sind ganz normaler Bestandteil unserer Medienwelt.

Was hätte in diesem besonderen Fall die Künstlerin ggf. besser machen können?

In unserer Stadt gibt es eine ausgeprägte Erinnerungskultur. In der Forschung, in Veranstaltungen und in Museen, in Straßennahmen und Denkmälern leben wir die Erinnerung an die schreckliche Zeit unserer Geschichte. Hiermit sollte sich jemand im Rahmen einer Prüfungsarbeit, zu der ja ein den historischen Hintergrund aufhellender Textteil gehört, auch beschäftigen – zumindest muss die aktuelle Literatur hierzu zur Kenntnis genommen werden. Ein Gang in unser beeindruckendes Stadtarchiv hätte einen schnellen Erkenntnisgewinn gebracht.

Laut der "Lippischen Landeszeitung" haben Sie den Prüfungsausschuss der Hochschule dazu aufgefordert sich gegenüber dem Rat zu rechtfertigen, dass der Comic als Abschlussarbeit angenommen wurde. Wurden Sie da richtig wiedergegeben? Wie würden Sie diese Aufforderung im Spannungsfeld mit Themen wie Freiheit von Forschung und Lehre oder der Meinungsfreiheit einordnen? Haben Sie schon eine Reaktion der Hochschule dazu erhalten?

Wie schon ausgeführt, erwarte ich eine Stellungnahme des Prüfungsausschusses, besonders zu dem Textteil der Prüfungsarbeit. Die Freiheit der Forschung findet in einer Prüfung seine Grenze, wo Fakten falsch dargestellt werden.
Bis heute kenne ich nur informelle Reaktionen aus der Hochschule. Eine offizielle Stellungnahme steht noch aus.

Der "Hexenrichter" ist ja eine historische Gestalt, und die Stadt Lemgo geht sehr offen mit ihrer Vergangenheit um, es gibt beispielsweise den Handballverein "Lemgoer Hexen". Widerspricht Ihre Kritik an der Comicgeschichte nicht dieser Offenheit, gerade wenn sie von einem offiziellen Vertreter der Stadt kommt?

Richtig, wir beschäftigen uns intensiv öffentlich mit unserer Geschichte, mehr sicherlich als andere Städte.
Persönlich finde ich dem Namen des TBV-Fanclubs unglücklich. Das ist aber Geschmackssache.

Sie sind selbst studierter Historiker. Wie wären Sie an ein solches Projekt herangegangen, wie hätten Sie die Geschichte von Hermann Cothmann erzählt?

Als erstes wäre ich ins Stadtarchiv gegangen und hätte mich von dem Stadtarchivar informieren lassen.

Welche Reaktionen haben Sie auf Ihre Kritik an dem Comic erhalten? Teilen speziell die Menschen in Lemgo und Umgebung Ihre Bedenken?

Ich habe aus dem der Bevölkerung und gerade auch aus der Hochschule sehr viel Zustimmung erfahren. Vielen ist allerdings, die Thematik so egal, dass sich verwundert äußern, warum man sich überhaupt damit beschäftigt.

Die Stadt Lemgo möchte die Verfilmung des Comics nicht unterstützen, beispielsweise keine Originalschauplätze zur Verfügung stellen. Vergibt die Stadt nicht damit eine Gelegenheit, darauf hinzuwirken, dass die Geschichte in angemessener Form erzählt wird?

Ich bin nicht die Stadt. Hierzu sollten Sie den Bürgermeister befragen.

Vielleicht ist noch ein Hinweis für denjenigen hilfreich, der sich näher mit der Thematik beschäftigen will: in Kürze wird das Protokoll der Kulturausschusssitzung öffentlich im Netz unter Lemgo.de zu lesen sein.

Das Interview führte Bernd Glasstetter per E-Mail.
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Special vom: 15.02.2013
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Comic erregt Politikergemüter
Interview mit Dr. Oliver Herrmann, Präsident der Hochschule Ostwestfalen-Lippe
Interview mit Luisa Preißler, Autorin des Comics Hexenrichter
Der Skandal, der keiner war - Ein Kommentar
Gastbeitrag: Szene eines tödlichen Gerichtsverfahrens
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