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Jons Marek blickt auf seine Auswahl vom Dezember zurück
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„Endzeit“ ist wirklich lohnenswert. Olivia Vieweg hat ihren Band (der übrigens die Abschlussarbeit ihres Studiums darstellt) wirklich gut gestaltet und kann mit einigen guten graphischen Effekten, hier insbesondere durch die Panelanordnung, punkten. Besonders letztere zeigen gut das Grauen angesichts der Zombieapokalypse auf und können all das Fürchterliche gut thematisieren ohne sich Splattereffekte zu Hilfe zu holen. Da reichen Anordnungen, Andeutungen und mimischer Ausdruck vollkommen aus. Bei manchen Aspekten, etwa was das Leben und die Gesellschaftsstruktur in dieser Endzeit angeht, hätte ich mir etwas mehr gewünscht, das hätte aber den Rahmen der Erzählung gesprengt. Denn was den Band sehr intensiv macht, ist die straffe Struktur, welche eine Einheit vom zeitlichen und dramaturgischen Raum erschafft. So spielt der Band nur an zwei Tagen, entlang an einer bestimmten Wegstrecke. Da gibt es nur eine einzige Rückblende, welche die Struktur  aufbricht und diese ist absolut notwendig, da sie die Schuldgefühle der Heldin thematisiert. Denn ähnlich wie in Fantasy, Abenteuer und Science-Fiction dient das Erlebnis in diesem Band als Queste, welche dazu führt, das sich die Heldin entwickelt und zur Kämpferin mutiert, um ihre Aufgabe anzunehmen. Ob das noch benötigt wird, bleibt intelligenterweise offen. Es gelingt Vieweg die Helden von Anfang an ohne große Mühe sympathisch zu gestalten und es gibt zudem genügend Genrezutaten, welche Zombiefans ansprechen dürften. Dennoch wird niemals in die Klischeefalle getappt, was ein Grund für mich war, Interesse an dem Band zu haben. Zum einen da der Schöpfer weiblich ist und zum anderen da der Band aus Deutschland stammt. Hier ist nichts testosterongesteuert, es gibt keine Schusswaffen und demnach auch keine Kopfschüsse. Mancher mag ja Vorurteile gegenüber einem solchen Stoff aus der Feder einer Frau gehabt zu haben und ich gebe zu, dass ich auch eine gewisse Geschwätzigkeit befürchtet hatte. Die ist aber nicht zu finden. Die beiden Charaktere kennen sich zu Beginn der Erzählung noch nicht und alle Dialoge dienen dazu, sich miteinander und damit dem Leser bekannt zu machen. Und das finde ich sehr geschickt, da wirklich alles in diesem Band der Geschichte dient und die straffe Struktur, mit der einen Ausnahme, nicht aufgebrochen wird. Und das Ende, beziehungsweise das Thema mit dem Erwachen der Heldin durch diese Quest, hat mich positiv überrascht und ich fand es gut, das die depressive Heldin ihr Trauma überwindet und einen hoffnungslos scheinenden Kampf aufnimmt. So ist das Ende recht zweideutig, enthält sich damit jeder plumpen Psychologie und ich würde gerne weiterlesen. So ist der Band zwar insgesamt kein Klassiker, aber dennoch sehr gelungen und ich habe ihn mit großem Vergnügen gelesen.

Das, was mich ursprünglich an „Packeis“ interessierte, nämlich die Klaustrophobie in einer, paradox, feindlichen Weite und der damit verbundende Kampf gegen die Elemente und die damit ausgeloteten psychischen Tiefen, ist in dem Band nicht vorhanden. Das Thema ist ganz anders, denn der Band ist eine Biographie. Wobei das so haargenau auch nicht stimmt, da sich der deutsche Autor und Zeichner Simon Schwartz einige erhebliche Freiheiten nimmt. Er bevorzugt die Dramaturgie gegenüber der faktischen Wahrheit. Ist demnach bei mir eine Enttäuschung eingetreten? Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, denn „Packeis“ hat mich begeistert und ist ein wunderschönes und erschütterndes Beispiel dafür, dass das Leben immer  noch die spannendsten Geschichten schreibt.  Insofern ist die Geschichte ein reiner Glücksgriff. Hervorragende graphische Gestaltung reicht sich hier die Hand mit einer packenden Geschichte. Durch äußerst geschickte Parallelmontagen kann Schwartz die verschiedenen Zeitebenen miteinander verbinden und gleichzeitig deuten und interpretieren. Insgesamt braucht er oft nur wenige Bilder, manchmal nur ein Panel, um so viel auszudrücken, wofür manche andere Autoren ganze Seiten oder sehr viele Textboxen benötigen. Allein dafür sei hier das kleine Panel mit dem Ku-Klux-Klan erwähnt. In einem Panel sagt der junge Schwarze Matt Henson, das seine Eltern tot seien, in dem nächsten Panel sieht man zwei Körper an einem Baum hängen und im Hintergrund die Kapuzenmänner des Klan, im dritten Panel wird dann der Dialog weitergeführt. Mehr braucht Schwartz nicht, um einen ganzen Roman und dessen Dramatik im Hintergrund anzureißen. Nicht nur die graphische Umsetzung hat mich begeistert, auch wenn der Strich manchmal etwas naiv anmuten mag, dafür aber umso besser die Referenzen an die Kunst der Eingeborenen einbauen kann, sondern auch die Geschichte. Diese ist beileibe keine platte Anprangerung des Rassismus, der zu der damaligen Zeit gang und gäbe war. Aber dennoch hat mich das erschüttert und die Ungerechtigkeit machte mich sogar wütend. Vor allem das ein solches, Entschuldigung, Arschloch wie Peary heutzutage als Nationalheld gilt, hinterließ bei mir ein sehr übles Gefühl. Aber gehört es nicht zur Kunst, bei dem Betrachter Emotionen zu erwecken? In dieser Hinsicht hat der Band seine Pflicht mehr als erfüllt. Für mich, im Nachhinein gesehen, definitiv einer der besten Bände des letzten Jahres.

Bei „Nosferatu“ war ich ja zu Beginn äußerst skeptisch. Da ich mit Vampiren ziemlich vertraut bin (wenn auch nicht persönlich), und mich längere Zeit intensiv mit deren verschiedensten Verkörperungen beschäftigt hatte, ist es wirklich schwer, mir da etwas Neues zu bieten. Reduziert man denn auch das ganze Beiwerk von dem ersten Teil von „Nosferatu“ so gibt es in der Tat wenig, was man nicht schon vorher gelesen hätte. Rivalität zwischen Vampiren? „American Vampire“, „Blade“, „Bite Club“ und viele andere. Ein aufgebautes Imperium (das in dem ersten Teil noch nicht weiter ausgeführt ist)? Siehe obige Bände oder Filme. Eine Reise durch die Jahrhunderte anhand der verschiedenen blutsaugenden Charaktere? Das hat auch schon Anne Rice in ihren Chroniken der Vampire getan. Und dass es eine Organisation bzw. Gruppen von Menschen gibt, welche Vampire jagen, gehört nun zu der Thematik wie das Blutsaugen. Im Großen und Ganzen also nichts Neues. Aber es ist nun oft das Beiwerk, welches erst den gewissen Touch ergibt und genau das gelingt Peru. Wie übrigens auch in seiner Serie „Zombies“. Im Grunde ist auch die Serie keine Neuerfindung des Genres, kann aber neben den typischen Zutaten immer wieder das gewisse Etwas einbauen. Und ebenso ist es mit „Nosferatu“. Als besonders gelungen empfand ich die zwischenvampirische Dynamik zwischen den Kontrahenten, welche viel Drama beinhaltet und nicht nur symbolisch einen Vater-Sohn-Konflikt darstellt, sondern zusätzlich mit der klassischen Dreiecksbeziehung auch jeden Leser emotional bewegen kann. Interessanterweise kommen einem hier die Monster näher als die menschlichen Helden welche eher plakativ gestaltet sind und bislang unsympathischer sind als die Vampire. Dazu kommen noch der ungewöhnliche Handlungsort Indien (wenn man jetzt einmal von „Der Vampir von Benares“ absieht) und die gelungenen Zeitsprünge, die schön deutlich machen, wie sehr sich menschliche Emotionen bei Vampiren über Jahrhunderte hinziehen können. Eine positive Überraschung. Zwar war ich nicht unbedingt begeistert, fand den Band aber stark und hat mich neugierig auf die Fortsetzung gemacht.

Als kleines Fazit bleibt also festzuhalten: den Kauf aller drei Bände habe ich auf gar keinen Fall bereut und kann sie auch wärmstens jedem anderen geneigten Leser empfehlen.
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Special vom: 01.02.2013
Autor dieses Specials: Jons Marek Schiemann
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
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Henning blickt auf seine Auswahl vom Dezember zurück
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Marcus freut sich auf kostümierte und schwankende Gestalten
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