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"Ich hatte keine Lust mehr, das 71. Album zu machen"
Kaum eine Serie ist so untrennbar mit ZA CK verbunden wie Jean Gratons Rennfahrerserie Michel Vaillant. Sie war 1972 auf dem Titelbild des allerersten ZACK des Koralle Verlags und rund acht Jahre später 1980 auch auf dem letzten Heft zu sehen. Als der MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag 1999 die noch heute erscheinende moderne Version des Magazins lancierte, fuhr jedem Betrachter des Frontcovers ebenfalls ein Michel Vaillant mit hochgeregtem Arm und Victory-Zeichen entgegen.

An den Titelbildern der Koralle-Ära kann man die unglaubliche Popularität des frankobelgischen Comichelden ablesen. Sage und schreibe 41 Mal war Gratons Schöpfung auf Seite 1. Soviel wie kein anderer ZACK-Held. Damit schlug Michel Vaillant die ebenfalls populären Charaktere Lucky Luke und Dan Cooper deutlich, die es jeweils 29 Mal aufs Covers schafften. Aber auch Jahre später, als das MOSAIK-ZACK im Oktober 2007 die hundertste Ausgabe von ZACK feierte, gab es zum Jubiläum ein „Michel Vaillant Spezial". Wie es der Zufall wollte, fielen die Feierlichkeiten des Magazins zusammen mit dem 50. Geburtstag des fiktiven Rennfahrers, der von Jean Graton 1957 geschaffen wurde und im belgischen Magazin Tintin sein Debüt feierte.

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Am 10. August 2013 wird Jean Graton 90 Jahre alt. Ein fast schon biblisches Alter, das der Erfinder von Michel Vaillant, des größten Rennfahrers aller Zeiten, erreicht hat. „Sein Leben war ein langes Abenteuer", so Philippe Graton, einer von drei Söhnen des Franzosen, auf die Frage nach dem aktuellen Wohlbefinden seines Vaters.

„Inzwischen ist er ein alter Mann und müde. Er braucht Hilfe, um all die vielen selbstverständlichen kleine Dinge des Lebens tun zu kön¬nen. Aber er ist noch immer in guter geistiger Verfassung und seine Moral stimmt."

Der 1961 geborene Philippe Graton hat inzwischen zusammen mit seiner Frau Dominique die Geschäfte rund um die Marke „Michel Vaillant" fest im Griff. Das letzte reguläre Comicalbum erschien vor rund fünf Jahren (Band 70: 24 Stunden unter Druck). In dieser für viele Fans unerträglich langen Pause war er jedoch nicht untätig. Ein mustergültiger Relaunch wurde von dem geschäftstüchtigen Graton-Sohn von langer Hand vorbereitet.

Am 16. November 2012 erschien das neue Abenteuer der sogenannten „Staffel 2" in Frankreich. Mit dieser Ausgabe des ZACK-Magazins kehrt Michel Vaillant mit Im Namen des Sohnes auch in Deutschland zurück. Zum Debüt gibt es eine extralange Folge. Die Serie und damit ihre Figuren sind älter und reifer geworden. Neue Technologien halten Einzug in die modernisierte Geschichte, ebenso wie neue Renndisziplinen, etwa die WTCC (World Touring Car Championship, dt.: Tourenwagen-Weltmeisterschaft), und auch ein neues Kreativteam. Das langjährige, eher anonyme Studio Graton ist definitiv Geschichte. Die neue Crew besteht aus vier Beteiligten, die alle gleichberichtig sind. Zu Philippe Graton als Szenarist für die maßgebliche Handlung gesellen sich Denis Lapiere, der die Texte schreibt, Marc Bourgne, der die Hauptzeichnungen, das Layout und die Personen kreiert, sowie Benjamin Beneteau, der für die Optik der Automobile und Rennszenen zuständig ist.

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Als Vorgeschmack auf die neue Ära veröffentlichte der Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag im Oktober 2012 in der Zack Edition die „Work-in-Progress"-Ausgabe des neuen Bandes. Diese stellt das komplette Album in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen dar: Sketchseiten stehen neben Schwarzweißseiten oder Seiten mit Originaltext oder mit Storyboards.

Um den Neustart von Michel Vaillant vorzustellen, reiste Philippe Graton extra zur Frankfurter Buchmesse und nahm sich am 12. Oktober 2012 mehr als eine Stunde Zeit, um mit Matthias Hofmann über die neue Ära im Leben des Rennfahrerhelden zu sprechen.

Philippe Graton erwies sich als selbstbewusster Autor mit Entertainerqualitäten, der für jeden Spaß zu haben ist, aber auch von einer Minute auf die andere auf ernste Themen umschalten kann. Während des ausführlichen Gesprächs, das aus Platzgründen etwas gekürzt wiedergegeben wird, war auch Klaus D. Schieiter, Geschäftsführer des MOSAIK Verlags, anwesend und gab interessante Einblicke in den Versuch, einen Band der Nebenreihe Dossiers Michel Vaillant auf Deutsch zu publizieren.

Wir wissen, dass Du der Sohn von Jean Graton bist. Aber was hast Du ansonsten getan?

Bevor ich meinem Vater bei seiner Arbeit mit Michel Vaillant half, war ich als Fotojournalist aktiv. Foto zu schießen und über die Motive zu schreiben ist etwas, dass mir sehr leicht fällt und was ich schon als Jugendlicher getan habe.

Machst Du das noch immer?

Ja, aber die letzten Jahre nicht mehr so. Ich machte eine Zeitlang beides parallel. Fotojournalismus zu betreiben und Comicszenarios zu schreiben, diese beiden Aktivitäten befruchten sich gegenseitig. Beides ist Geschichtenerzählen mit Bildern. Das eine sind Fotos für Magazine und Bücher, das andere Bilder für einen Comic. Von beiden lernte ich eine gewisse Bildersprache. Die Comics halfen mir bei der Inszenierung meiner Fotostrecken. Und umgekehrt. Ich begann, meinem Vater zu helfen als ich 13 oder 14 Jahre alt war. Ich begleitete ihn zu den Rennen. Er brauchte Fotos von den Rennstrecken. Zunächst half ich damit aus. 1982 gab es Probleme, und er wechselte die Verlage, trennte sich erst von Lombard, dann von Dargaud und Novedi. Es gab eine Phase, da hatte er gar keinen Verlag. Wir suchten nach einer Lösung, und ich half ihm dabei. Schließlich gründeten wir ein Familienunternehmen, einen kleinen Verlag, nur um in Alleinregie Michel Vaillant zu publizieren. Das war die Geburtsstunde von Graton Editeur.

Eine der ersten größeren Aktionen von mir war die Einführung der Nebenserie Dossiers Michel Vaillant, die man in Deutschland nicht kennt. Das ist eine Reihe von Dokumentationen, die wahre Geschichten erzählt. Das ist richtige journalistische Arbeit.

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Die zweite große Aktion war, alle Rechte, die in der Verlagslandschaft verstreut vergeben waren, wieder zurückzubekommen. Album für Album kaufte ich zurück. In den 1990er Jahren habe ich es schließlich geschafft, dass alle Rechte von Michel Vaillant wieder bei uns waren. Alle Comics, alle Charaktere, für das Merchandising, alles war erstmals unter einem Dach. Der Weg war frei für eine Gesamtausgabe und den Film mit Luc Besson (Michel Vaillant - Jeder Sieg hat seinen Preis, 2005 - anm. d. Red.).

Auf der anderen Seite waren plötzlich sehr viele weitere Optionen frei, und wir waren nur ein kleiner Verlag. Ich bin kein richtiger Kaufmann, habe das nie gelernt und musste viel Zeit investieren. Irgendwann war klar, dass das nicht so weitergehen kann. Ich wollte aber weiterhin Geschichten schreiben. Also suchte ich einen Verlag und konnte Dupuis begeistern, ein Verlag, der meinen Vater schon verlegt hatte, als er seine Karriere begann.

Wenn man sich das so überlegt, dann muss das ein immenses Arbeitspensum gewesen sein, kein Wunder, dass man vor lauter Tagesgeschäft zu nichts anderem mehr kommt.

Als mir endlich bewusst wurde, dass wir wieder einen richtigen großen Verlag brauchen, habe ich sie alle kontaktiert. Natürlich begann ich mit LeLombard, weil wir mit denen bereits einen Vertrag über eine Gesamtausgabe hatten. Sie waren sehr interessiert und mit einem Schlag wären viele Probleme gelöst gewesen. Ein besseres Vertriebsnetzwerk und so weiter. Aber ich hatte viele andere Ideen und erzählte ihnen davon. Ich wollte neue Abenteuer schreiben über die Zukunft des Rennsports und der Automobilindustrie. Das sollte alles in Michael Vaillant-Comics vorkommen. Aber LeLombard sagte: „Nein, Michel Vaillant ist für nostalgische Leute. Es ist eine Serie der Vergangenheit. Eine Gesamtausgabe ist eine gute Idee, aber am Rest sind wir nicht interessiert. Kein Merchandising und keine Modernisierung". Einer sagte mir sogar: „Das Problem bei Michel Vaillant sind die Autos."

Er meinte, dass Autos in Comics heutzutage keinen Menschen mehr interessieren. Also ging ich zu anderen Verlagen.

Seit 2010 druckt Dupuis mit einem atemberaubenden Tempo alle Alben nach. Sie sind enthusiastisch und haben viele gute Ideen. Die neuen Alben sollen eine zusammenhängende Geschichte erzählen?

Ich habe nun die grobe Handlung der nächsten sechs Alben geschrieben. Es werden sehr viele Dinge passieren mit Michel Vaillant und der Familie Vaillant. Ebenso mit der Automarke Vaillante. Es wird moderne Einflüsse geben, z.B. den Einfluss neuer Energien auf die Automobilindustrie. Man kann diese Entwicklungen nicht in einer einzelnen Geschichte erzählen. Das muss wie bei einer guten TV-Serie in mehreren Folgen passieren, die aufeinander aufbauen. Ich habe ein paar sehr schöne Ideen für spätere Alben. Was in Band 3 oder 4 der neuen Serie passiert, muss schon ganz am Anfang angedeutet werden. Die Dialoge und das detaillierte Szenario schreibt Denis Lapiere.

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Neben Michael Vaillant arbeite ich aber immer noch an eigenen Fotoprojekten.

Das letzte reguläre Album von Michel Vaillant wurde vor über fünf Jahren veröffentlicht. Wie aufgeregt bist Du über die bevorste¬hende Veröffentlichung des ersten Bandes der Season 2?

Also ich schlafe besser als noch vor zwei Jahren. Jetzt bin ich davon überzeugt, dass das, was wir mit der neuen Geschichte erschaffen, wirklich gut ist und genau das, womit wir die Serie weiterbringen. Alles, was mit der Autobranche, den neuen Technologien passiert, ist vergleichbar mit der Aufbruchsstimmung in Nordamerika. Ja, es ist aufregend für mich, diese neuen Geschichten zu schreiben. Es ist ein Neustart. Ich hörte vor fünf Jahren auf, weil ich keine Lust mehr hatte, das 71. Album zu machen. Das nächste wird eine Nummer eins sein: Michael Vaillant, Staffel 2, Nummer 1.

Warum?

Es sind drei Dinge, die ich ändern wollte. Erstens das Szenario. Ich wollte frisch starten mit den neuen Ideen. Zweitens wollte ich einen neuen Verlag und nicht, dass ich weiterhin meine Energie mit Verhandlungen mit Druckereien, Vertrieben, Buchhandlungen verbringe. Das ist nicht meine Welt. Und drittens war ich nicht richtig zufrieden mit den Zeichnungen. Das Studio erledigte seine Arbeit damals zwar sehr gut, aber es war im Michel Vaillant nicht gut genug. Das Studio war zusammengesetzt aus Assistenten meines Vaters, die immer gute Arbeit abgeliefert haben. Als mein Vater aufhörte, mussten sie plötzlich alles machen: die Zusammenstellung der Seiten, Bestimmung der Perspektiven, alles vom Sketch bis zur Reinzeichnung. Das ist nicht einfach. Man muss Dinge ausprobieren. Also wollte ich neue Zeichner suchen. Ich brauchte jemanden, der alles, was Michel Vaillant ausmacht, darstellen kann, aber mit seiner eigenen Art revitalisiert. Keiner, der versucht, genauso zu sein und zu zeichnen wie Jean Graton.

Wir haben einige Zeichner ausprobiert. Ich erinnerte mich daran, dass ich vor Jahren Kontakt zu Marc Bourgne hatte. Ich habe ihm die Serie vorgeschlagen. Er war total begeistert, und ich sagte zu ihm: „Versuche ja nicht, Jean-Graton-Zeichnungen abzuliefern. Zeig mir, wie Dein Michel Vaillant, Deine Julie Wood aussehen." Und er schickte uns diese Probezeichnungen, und das war genau das, was ich mir erträumt hatte. Es war nicht exakt so wie die alten Comics, aber sehr stark. Die Art, wie er das erste Album angelegt hat, die Seiten, das Layout, das ist stark. Es ist eine Vision, es ist mutig, es ist die Arbeit eines erzählenden Künstlers. Er hat gleich von Anfang an gemeint: „Ich zeichne nicht so gerne Autos." Also zogen wir Benjamin Beneteau hinzu, um ihm damit zu helfen. Aber bei Michel Vaillant sind die Renn szenen mit Autos so wichtig, dass wir ihn nicht als Assistenten dabei haben, sondern er entwirft diese Passagen selbstständig. Benjamin ist gleichwertig mit Marc, und das Ergebnis ist trotzdem kohärent. Was auch wichtig ist: Wir geben nicht mehr vor, dass Jean Graton alles überwacht. Du wirst sehen, dass zum ersten Mal alle Namen der Kreativen gleichwertig auf dem Frontcover genannt werden. Es heißt nicht mehr Jean Graton vorne drauf und Studio Graton im Album.

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Special vom: 28.01.2013
Autor dieses Specials: Matthias Hofmann
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Der neue Conan
Editorial von Georg "efwe" Tempel
Covergalerie Michel Vaillant
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