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Christel hat sich Queerbeet durchgelesen
Es ist eine Premiere für mich, auf ein Jahr voller Comics zurückzublicken und ein ganz persönliches Resümee zu ziehen, aber es ist auch eine interessante Erfahrung, einmal bewusst anzusehen, was ich in den letzten zwölf Monaten eigentlich gelesen habe und was mir davon noch in Erinnerung geblieben ist.

Dabei war ich offen für alles – Superhelden interessierten mich genau so wie Mangas und francobelgische Comics - auch wenn ich merke, dass ich langsam aber sicher wieder zu meinen früheren Vorlieben zurückkehre. Das waren Fantasy-Geschichten aller Art, bevorzugt aus dem westlichen Kulturkreis..

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Der Manga-Markt ist nach wie vor sehr dominant, es erscheinen immer noch an die dreißig bis vierzig Titel im Monat. Allerdings waren im Jahr 2012 für mich einige Trends zu erkennen, die sich vermutlich auch noch fortsetzen werden.

Die drei „großen“ Verlage (Egmont, Carlsen, Tokyopop) konzentrieren sich mittlerweile wieder mehr auf kurze und mittellange Reihen und lassen sich nicht mehr auf das Wagnis ein, eine Serie zu veröffentlichen, die mehr als fünfzehn oder zwanzig Bände hat, auch wenn ein großer Vorlauf besteht.

Zwar werden bereits bestehende Serien, die eine feste Leserschaft haben, weiter veröffentlicht, gerade wenn es auch noch eine Anime-Umsetzung im Fernsehen gibt – aber man scheint erkannt zu haben, dass Erfolge in Japan oder Amerika sich nicht unbedingt auch in Deutschland wiederholen müssen, da die Geschmäcker doch zu verschieden sind.

Die Romantiktitel für weibliche Leser sind weiterhin sehr stark vertreten, wenn auch nicht mehr ganz so extrem wie in den Jahren zuvor. Zudem achten die Verlage zunehmend darauf, eine größere Abwechslung von Themen zu präsentieren.

Gerade Tokyopop setzt nicht mehr ausschließlich auf leidenschaftliche Titel, in denen Sex eine dominante Rolle spielt, das Frauenbild jedoch leider nicht gerade positiv besetzt war – weil die zumeist naiven jungfräulichen Mädchen von dem dominanten Jungen mehr oder weniger zum intimen Beisammensein genötigt wurde, dies dann im Moment der Eroberung auch noch toll fanden und als Liebesbeweis ansahen.

Tatsächlich gibt es jetzt auch Manga-Serien, in denen die Gefühlswelt im Mittelpunkt steht und auch schon einmal ernste Themen angesprochen werden, wie etwa in „Alles nur deine Schuld“ oder „Ich wünschte, ich könnte fliegen“.

Zunehmend tritt die romantische Liebe in den Neuveröffentlichungen in Verbindung mit ganz normalen Teenager-Problemen auf, mehr als eine Heldin ist auch auf dem Selbstfindungstrip und dem Weg zum Erwachsenwerden, was mit einigen schweren Entscheidungen und der Übernahme von Verantwortung einhergeht.

Natürlich gibt es auch immer noch die romantischen Träumereien, in der ein ganz normales junges Mädchen den Prinz fürs Leben finden darf, der meistens geheimnisvoll in ihr Leben schneit und sie erst einmal nicht wirklich an sich heranlassen will wie in „Twinkle Stars“ oder erobert werden müssen. Auch märchenhafte Szenarien sind weiterhin vertreten. Aber reine Fantasy-Titel wie „Earl & Fairy“, „Die rothaarige Schneeprinzessin“ oder „Dawn of Arcana“ berücksichtigen erstmals auch den Abenteuer-Anteil und kümmern sich nicht nur um die Beziehungen.

Die Zahl der „Boys Love“-Titel ist überraschenderweise zurückgegangen. Man setzt mittlerweile doch mehr auf inhaltliche und zeichnerische Qualität, die vor allem erwachsene Leser anspricht, weil die Helden nicht mehr nur Schüler und Studenten sind, sondern auch schon einmal harte Jungs im Gefängnis wie in „Under Grand Hotel“.

Dafür gibt es einige Reihen mehr, die mal mehr, mal weniger leidenschaftlich die Liebe zwischen Mädchen thematisierend. Top-Titel in diesem Bereich ist „Blue Friend“, eine Reihe, der das Thema einfühlsam und realistisch angeht, dabei nicht nur auf oberflächliche Schaueffekte setzt, wie das im Dezember frisch erschienene „Highschool Girls“ in dem die Künstlerin viel lieber erotische Szenen zeichnet als sich mit der Gefühlswelt ihrer Heldinnen zu beschäftigen.

Alles in allem hat sich im Bereich der Manga-Romance einiges zum Positiven entwickelt – die Verlage versteifen sich nicht auf wenige Themen, sondern probieren doch mutig Einiges aus, wenngleich sie dabei vor allem Einzelbände oder Zwei- und Dreiteiler bevorzugen. Aber das gibt die Sicherheit auch noch das Ende der Geschichte zu erleben.

Die Vielfalt an Genres und Inhalten ist auch im gesamten Manga-Sektor wieder größer geworden. Panini hat sich zum Beispiel wieder an die Geschichten erinnert, die in erster Line männliche Leser ansprechen und bietet wieder mehr Titel, die in erster Linie als actionreicher Spaß oder leicht erotisch angehauchte Fleischbeschau dienen – eine Spielrichtung, die einige Zeit tatsächlich vom deutschen Markt verschwunden war.

In allen Verlagen achtet man auch wieder mehr darauf, sowohl ganz junge als auch erwachsene Leser zu bedienen. Letztere müssen anspruchsvolle Titel nun nicht mehr nur mit der Lupe und im literarischen Sektor suchen, sondern finden sie auch unter den Unterhaltungscomics.

Man findet nun auch Titel, die nicht nur vordergründig Mystery oder Fantasy sind, sondern tatsächlich Geheimnisse und Abenteuer bieten und nicht nur als Kulisse für romantische Liebe oder spaßige Horrorstories dienen, in denen die Geschichte mehr oder weniger Nebensache ist, Action und Klamauk aber alles.

Reihen wie „Ikigami der Todesbote“ gehen unter die Haut, weil sie Szenarien bieten, die durchaus in naher Zukunft vorstellbar sind, um die jüngeren Generationen zu kontrollieren. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, es kein Happy End gibt – aber hier gehen die Schicksale der Betroffenen wirklich unter die Haut. Damit beweisen sie mehr Tiefe als früher.

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Comicalben haben wie auch schon in den letzten Jahren eine konstante, wenn auch eher kleinere Leserschaft. Das merkt man daran, dass die großen Publikumsverlage ihr Programm etwas zurückgeschraubt haben – Carlsen und die Ehapa Comic Collection setzen gerade im Bereich der Abenteuercomics auf die sicheren Pferde wie die verschiedenen „Troy“-Reihen oder „Prinz Eisenherz“.

Allerdings würde ich dem letztgenannten Klassiker eher wünschen, dass sie auch im Heimatland langsam einen Abschluss findet. Denn von den ausgefeilten und stimmungsvollen Ritterabenteuern des Hal Foster, ist gerade im letzten erschienen 87. Band nichts mehr zu merken, die Figuren sind, einschließlich des Wikingerprinzen und seiner Familie, nicht mehr sie selbst. Dieses Album war die bitterste Enttäuschung für mich, da all das verschwunden ist, was mir an der Serie gefallen hat und sie nur mehr unterdurchschnittliche Fantasy-Abenteuer bietet.

Die „Großen“ müssen zudem immer mehr mit dem Splitter-Verlag rechnen, der sein Programm langsam aber konstant erweitert und sich so immer mehr zu einer eigenen Größe mausert. Dabei werden nicht nur Reihen übernommen, wieder neu aufgelegt oder fortgeführt, wie „Thorgal“, sondern auch viele aktuellere francobelgische Reihen, die manchmal sogar zeitnah erscheinen. Das hat zwar seinen Preis, ist aber durch die liebevolle Ausstattung und das Überformat im Hardcover jeden Cent wert.

Eines lässt sich jedenfalls in meinen Augen deutlich feststellen: Ohne die mittleren und kleineren Verlage würden deutsche Leser vermutlich gar nicht mehr wissen, was in den letzten Jahren alles in unseren westlichen Nachbarländern erschienen ist und wie sich die fünfte Kunst dort entwickelt hat. Vor allem Fans von historisch angelehnten oder Fantasy-Comics werden durch die hiesigen Veröffentlichungen gut bedient.

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Der Superheldenmarkt ist indes fest in der Hand des Panini-Verlages. Ich habe allerdings nur in wenige Sammelbände und Hefte des „neuen DC-Universums“ hineingelesen.

Während die Veränderungen einigen bereits untergegangenen Helden wie „Aquaman“ recht gut getan haben und auch im „Batman“-Universum positive Auswirkungen zeigen, sieht es bei „Wonder Woman“ anders aus. Es mag zwar modern sein, sie zu entmystifizieren, aber es nimmt ihr auch viel von ihrem besonderen Ausstrahlung. Nun ist sie nicht mehr als eine ganz normale Halbgöttin mit einem leiblichen Vater und ihren Amazonenmutter bei einem Mann schwach geworden. Man wird sehen, wie sich das noch weiter entwickeln wird und ob es mich dann noch begeistern kann oder wird.

Die „Star Wars“ Comics sind bei Panini weiterhin eine feste Größe. Während sich die „Star Wars: The Clone Wars“-Comics eher an jüngere Leser richten, sprechen die Heftserie und die Sonderband-Reihe dann doch mehr die erwachsenen und altgedienten Fans an, die manch eine Perle entdeckten, in denen nicht nur der Action gefrönt wird, sondern auch das Universum und einige seiner finsteren Figuren wie Boba Fett und Darth Vader neue – teilweise sogar sympathische Facetten hinzugewinnen.

Alles in allem ist man bei Panini sehr experimentierfreudig, was die Veröffentlichung von Comics zu Fernsehserien aber auch erfolgreichen Buchreihen angeht. Gerade in den letzten Monaten erschien eine nicht einmal schlecht gemachte Graphic Novel zum „House of Night“, einer Serie die hier in Deutschland wohl genauso viele begeisterte Leser hat wie die „Twilight“-Saga.

Cross Cult veröffentlicht zwar nur wenige Comics, konzentriert sich dabei aber auch auf Highlights wie „Steam Noir“ und die nur zwei Monate vorher in den Staaten erschienene Fortsetzung der Zeichentrickserie „Avatar: Der Herr der Elemente“ in Comic-Form.

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Alles in allem bin ich eigentlich sehr zufrieden mit dem deutschen Comic-Markt im Jahre 2012. Es gibt sowohl bei den Mangas als auch bei den Alben und Graphic Novels sehr viel Abwechslung, so dass man mit ein bisschen Suchen jeden Monat ansprechende Titel finden kann. Ich wünsche mir, dass das auch im nächsten Jahr so bleibt.

Anmerkung der Redaktion: Christel ist unsere fleißigste Comicleserin und Rezensentin. Seitdem sie bei uns begonnen hat, hat sie sage und schreibe über 1.300 Rezensionen veröffentlicht. Davon sind 245 alleine 2012 erschienen. Einen besseren Überblick als Christel hat in unserer Redaktion vermutlich keiner.


Special vom: 29.12.2012
Autor dieses Specials: Christel Scheja
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Jons Marek sinniert über Qualität nach
Bernd denkt über Ereignisse nach
Marcus lässt das Jahr aus Sicht der Superhelden Revue passieren
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