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Neo-Noir mit Lichtgeschwindigkeit - Jeff Smiths RASL
Im Sommer 2012 hat Bone-Schöpfer Jeff Smith nach vier Jahren seine neue Serie RASL mit dem 15. US-Heft abgeschlossen. Außerdem liegt die Geschichte bereits gesammelt in vier englischsprachigen Paperbacks vor. Für 2013 ist eine erste Gesamtausgabe geplant. Mit der Serie Bone, die Jeff Smith zwischen 1991 und 2004 zunächst strikt im Selbstverlag publiziert hat, wurde der amerikanische Cartoonist zu einer Ikone der regen Comic- Selfpublishing-Bewegung der 1990er Jahre, als US-Künstler wie Todd McFarlane, Jim Lee, John Byrne, Frank Miller oder Mike Mignola nach kreativer Unabhängigkeit strebten und jeweils ein zu ihrem neuen Freiheitsdrang passendes Publikationsmodell abseits von Marvel und DC suchten. Jeff Smith beschritt dabei unterm Strich den puristischsten Weg. So wurde er zur ultimativen Verkörperung des Creator-Owned-Gedankens, welcher besagt, dass Comic-Schaffende die volle inhaltliche und rechtliche Kontrolle über eigene Figuren- und Serienschöpfungen haben sollten. Dass das mitunter auch lukrativ sein kann und der Lohn im Idealfall groß ist, bewies lange vor Robert „The Walking Dead“ Kirkman eben in erster Linie Jeff Smith mit seinem Dauer-Bestseller Bone.

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Als Smith oft bis spät in die Nacht die wandelbaren Fantasy- Abenteuer von Fone, Phoney und Smiley Bone, Rose und dem Roten Drachen tuschte, die ihn über eine Dekade beschäftigten, liefen auf seinem Laptop Filme wie Blade Runner, 2001 - Odyssee im Weltraum, Der Maltester Falke und Tote schlafen fest in Endlosschleife - Verfilmungen der Werke von Philip K. Dick, Arthur C. Clarke, Dashiell Hammett und Raymond Chandler, absoluten Größen auf ihrem jeweiligen visionären bzw. kriminalistischen Gebiet.

Smith ist seit Langem ein Fan dieser und ähnlicher Sciencefiction- und Noir-Stoffe. Für ihn war es daher irgendwo immer nur eine Frage der Zeit, bis er jene beiden Genres einmal in einem eigenen Werk verbinden würde – mit „hard science“ und „hard boiled characters“, stark faktischer Wissenschaft und hart gekochten Figuren also.

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Dazu kam, dass Smith sich schon immer für die Ideen und Gedankenspiele hinter Paralleluniversen begeistern konnte. Hätte man auf einer Parallelwelt dieselben Freunde? Dieselbe Karriere? Dieselbe Freundin? Wären alle Dylan-Songs noch von Bob Dylan?

Als im wissenschaftlichen Bereich dann auch noch die String- und die M-Theorie thematisch gesehen immer ‚heißer’ wurden, schien die Zeit für ein neues Comic-Projekt von Jeff Smith endgültig reif, zumal der finanzielle Erfolg von Bone dem sympathischen Amerikaner in kreativer Hinsicht carte blanche gewährte und er just das tun konnte, wozu er am meisten Lust verspürte und wovon er sich den meisten Spaß versprach.

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Ende 2007, nachdem er für DC als Autor und Zeichner zwischenzeitlich die vierteilige Miniserie Shazam! The Monster Society of Evil umgesetzt hatte, war Smith endlich so weit, all seine Ideen und Vorstellungen zu konkretisieren und zu bündeln. Hierzu fuhr er mit seiner Frau Vijaya sogar für zwei Wochen nach Arizona, wo ein Großteil der neuen Serie spielen sollte. Und so saß einer der wichtigsten Comic-Macher der letzten 20 Jahre bei 43 Grad in der Sonora-Wüste im warmen Wind und den aufgeheizten Schatten riesiger Kakteen und markanter Felsen, wo er den Insekten und Vögeln lauschte, während die Geschichte des interdimensionalen Kunstdiebs Rasl zum Leben erwachte ...

Überraschende Verschwörungen
Wer Bone gelesen hat, weiß, dass Jeff Smith als Autor nur schwer auszurechnen ist und er seine Geschichten obendrein bis ins letzte Detail sorgfältig konstruiert. Eine aufwändig komponierte Story ist so gesehen also nichts Ungewöhnliches für ein Werk aus Smiths Feder, und selbst die Abenteuer der Bone-Cousins im Tal waren im weiteren Verlauf letztlich von einer gewissen Härte und Düsternis geprägt.

RASL, dessen erstes US-Heft im Frühjahr 2008 erschien, geht allerdings noch einen Schritt weiter und lässt diese sehr erwachsene Seite von Smith, die er in Bone gerade zu Anfang gern hinter einem Berg an Niedlichkeit verborgen hat, stärker zum Tragen kommen: RASL ist eine Geschichte um Mord, Gewalt, Verrat, Leidenschaft, Geheimnisse, Legenden und Physik – düster und definitiv noir, brutal und blutig, und zuweilen extrem sinister und sexy. Neo-Noir at its best, und eine logische Konsequenz, wie Smith selbst in einem Interview festhält. Denn die allseits beliebten Bones, so Smith, begleiteten ihn eine lange Zeit und verkörpern alle gewisse Teile seiner eigenen Persönlichkeit. Bei Rasl war das anders. Er sei nun älter, so Smith, und gehe in Kneipen und verstünde die härteren Aspekte des Lebens, und das spiegelt sich eben in seinem neuesten Werk und dessen gleichnamigem Hauptcharakter wider.

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Nicht nur deshalb gibt Smith im Nachwort des vierten und letzten großformartigen US-Sammelbandes auch zu, dass RASL, das zwischen- durch u. a. wegen Smiths kinder- freundlichem Comic- Lehrbuch Little Mouse Gets Ready einmal mehr mit einigen Verzögerungen zu kämpfen hatte, für ihn etwas Besonderes ist. Was aus künstlerischer Sicht gewiss uch daran lag, dass Smith für seine Verhältnisse ungewöhnlich viel visuelle und inhaltliche Recherche betrieb, wie er im Nachwort weiter ausführt. Immerhin geht es in der markanten Geschichte nicht nur um Ex-Militär- Ingenieur Rasl, der mit Hilfe zweier bedingt handlicher Antriebe den Drift erreichen kann, durch den er wiederum zwischen den Parallelwelten hin und her teleportieren und seiner Karriere als interdimensionaler Kunstdieb nachgehen kann. Es geht auch um düstere Machenschaften der US-Regierung, die Rasls alte Kollegen anstiftet, die existierenden Parallelwelten ohne Rücksicht auf ihre Bewohner auszubeuten – und um die Arbeit des ebenso genialen wie legendären Erfinders Nikola Tesla, um den sich bis heute ein Haufen wilder Verschwörungstheorien rankt ...

Weiter geht es in Zack 162...


Special vom: 26.11.2012
Autor dieses Specials: Christian Endres
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