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„Sandokan, der Tiger von Malaysia“
Eigentlich dachte ich, dass diese Reihe, die ich kaum kannte, viele Episoden umfasst, da SANDOKAN und sein Darsteller Kabir Bedi in den Medien immer wieder ein Thema waren. Doch zu meiner Überraschung beruht der ganze Ruhm auf nur sechs einstündigen Folgen – ein Phänomen, das ich in dieser Form sonst nur von RAUMPATROUILLE ORION her kenne. Es ist interessant, wie altmodisch der in den 70er Jahren durchaus innovativ inszenierte SANDOKAN heute wirkt – mit seinen simplen Kulissen und diesem gewissen Hippie-Touch. So manchem Zuseher unserer Zeit werden die vielen ruhigen Szenen (die sich für die gestrafften Kinofassungen, die es gab, förmlich zur Kürzung anboten) wohl auf eine harte Geduldsprobe stellen. Wenn man sich jedoch darauf einlässt und die ungewöhnliche Atmosphäre und Poesie der Serie auf sich wirken lässt, wird es immer schwerer, sich der Faszination zu entziehen. Dann nimmt man auch gerne manche endlos in die Länge gezogene Szene in Kauf. Und man versteht, warum SANDOKAN auch heute noch erstaunlich viele Fans in den Bann zu ziehen scheint. Ein lebhaftes Zeugnis davon legen die einschlägigen Internetaktivitäten ab.

SandokanDer Regisseur Sergio Sollima, (bekanntester Film: „Der Gehetzte der Sierra Madre“ mit Tomás Milián) wollte sich mit SANDOKAN abheben von den bisherigen Abenteuerfilmchen über den "malaiischen Tiger", und eine realistischere Version präsentieren. Er wollte auch die Grenzen von Emilio Salgaris Buchvorlage sprengen und u.a. das Aufeinandertreffen zweier völlig unterschiedlicher Kulturen zeigen. Sollima wählte die Schauspieler mit großer Sorgfalt aus. Mit dem charismatischen Kabir Bedi gelang es ihm perfekt, den Mythos Sandokan lebendig werden zu lassen. Dazu trug auch der Soundtrack der damals viel beschäftigten Brüder De Angelis bei. Noch heute fällt wohl den meisten Zeitgenossen bei der Erwähnung von SANDOKAN sofort der Ohrwurm der Kennmelodie ein. Mit dem stattlichen Schauspieler Adolfo Celi (JAMES BOND „Feuerball“), der den historisch verbürgten „Weißen Radscha von Sarawak“ James Brooke verkörperte, gelang Sollima, dem Helden einen ebenbürtigen und vielschichtigen Gegner gegenüberzustellen. Da Authentizität für Sollima wichtig war, drehte er an den Originalschauplätzen Borneo und Indien, was für die damalige Zeit ungewöhnlich war. Auch bei der Ausstattung der Serie war Sollima um Authentizität bemüht, doch muss man aus heutiger Sicht feststellen, dass vieles doch eher nach billig hergestellten Requisiten aussieht. Und manche der Gewänder könnten einer Hippie-Kommune entlehnt worden sein.

Zum Inhalt: Im Malaysia des 19. Jahrhunderts kämpft Sandokan, der letzte Überlebende einer Herrscherfamilie, als Pirat mit seinen Getreuen gegen die Engländer, insbesondere gegen den skrupellosen James Brooke, der für die Ermordung seiner Familie verantwortlich ist. Sandokan führt sein Freibeuterleben gegen die Kolonialherren von der Insel Mompracem aus. Sein treuer Gefährte ist der weltgewandte Portugiese Yanez de Gomera (Philippe Leroy). Als Sandokan Marianna (Carole André), die Nichte des Vertreters der gefürchteten Ostindischen Handelskompanie kennenlernt, entflammt eine unsterbliche Liebe. Und so werden der „malaiische Tiger“ und die „Perle von Labuan“ bald ein herzerwärmendes Paar. Doch es gibt ja noch Brooke, der ihnen das Leben schwer macht... Im Grunde scheinen alle Piratenstorys den selben Stoff zu erzählen, aber wie so oft kommt es auf das „wie“ an. Sollimas SANDOKAN erzählt uns keineswegs eine 08/15-Geschichte, sondern bietet eine ambitionierte Handlung mit guten Dialogen und etlichen überraschenden, z.T. auch tragischen Momenten, auf die ich hier nicht näher eingehen will, um niemandem die Spannung zu rauben. Die Regie, Kameraführung und "Choreografie" sind nicht alltäglich und irgendwie sehr italienisch. Sollima und Salgari sind bestimmt keine Pazifisten, ihre Piraten sind nicht gerade zimperlich, und doch durchzieht SANDOKAN eine große Sehnsucht nach Frieden und Harmonie. Schließlich kehren auf Mompracem tatsächlich paradiesische Zustände ein, allerdings nur für kurze Zeit.

Seltsam erscheint der eindrucksvolle, aber relativ kurze Auftritt des jungen Tremal-Naik (Ganesh Kumar) bei der Tigerjagd. Der Zuschauer spürt sofort, dass es sich hier um eine weitere charismatische Heldenfigur dreht. Als Sandokan Tremal-Naik einlädt, mit ihm nach Mompracem zu ziehen, meint dieser, dass er seinen eigenen Weg gehen muss, aber den "Tiger" wenn nötig gerne unterstützt. Man erwartet weitere Auftritte, doch diese finden zumindest in dem Sechsteiler nicht statt.

"Sandokan, der Tiger von Malaysia" entstand im Jahre 1976 für den Sender RAI und ist eine sechsstündige Coproduktion zwischen Italien, Frankreich, Deutschland und Britannien, von der in Italien auch eine vierstündige Kinofassung zu sehen war. Hierzulande wurde die Mini-Serie erst 1979 von der ARD ausgestrahlt. Zuvor kam ein auf 82 Minuten radikal gekürzter Zusammenschnitt unter dem Namen "Il Tigre" in die deutschen Kinos, der nicht ohne Grund floppte.

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Special vom: 14.05.2012
Autor dieses Specials: Gerhard Förster
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