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Albert Weinberg - Ein Nachruf

Albert_Weinberg_linksJeder, der in den vergangenen zehn Jahren ein Comic-Festival, einen Salon oder eine Börse in Deutschland besucht hat, wird gewiss irgendwann auch den alten Mann bemerkt haben, der mit seiner eingefallenen Gestalt über einem Zeichenblock oder einem Comic-Album gebeugt dasaß und unbeirrt seinen Stift oder seine Feder übers Papier wandern ließ. Nur gelegentlich hob er den Blick, schaute aus freundlichen Augen auf sein Gegenüber, fragte nach dessen Namen, und noch gelegentlicher kam ein humoriger Spruch über seine Lippen, nicht selten genug sogar in deutscher Sprache. Das war ungewöhnlich, denn der alte Mann war Belgier und hieß Albert Weinberg. Und er war Profi. Comic-Profi.
Die Leser, die mit mir diese Erinnerung an den alten Mann teilen, sollten sie gut im Gedächtnis behalten, denn sie wird eine Erinnerung bleiben. Albert Weinberg starb am 29. September 2011 im Alter von 89 Jahren. Und mit ihm der letzte der frühen Mitarbeiter und Zeichner des belgischen Magazins Tintin, das 1946 von Raymond Leblanc gegründet worden war und das sich neben der regelmäßigen Veröffentlichung von Hergés Titelserie vor allem durch die Etablierung einer langlebigen und erfolgreichen belgischen Zeichnertradition von realistisch gezeichneten Abenteuer-Comics verdient gemacht hat. Diese unter der Herausgeberschaft Leblancs und seinem Verlag Lombard veröffentlichten Comics folgten anfangs noch streng TINTINden Vorgaben Hergés und des von ihm geprägten Stils der "Ligne Claire" (Klare Linie) und wurden später als "Brüsseler Schule" bezeichnet. Neben Hergés Freunden und engsten Kollegen Paul Cuvelier, Edgar-Pierre Jacobs und seinen Assistenten Bob de Moor oder Jacques Martin folgten bis Mitte der 1950er Jahre mit François Craenhals, Jean Graton, Tibet (d.i. Gilbert Gascard) und Albert Weinberg weitere Talente, die sich stilistisch alle mehr oder weniger den Vorgaben des Tintin-Schöpfers fügten. Der Durchbruch gelang Weinberg dann 1954 mit der Serie Dan Cooper, an der er bis zu seinem Tode zeichnete und die auch in Deutschland eine große Popularität erlangte.
Geboren wurde Albert Weinberg am 9. April 1922 im belgischen Lüttich. Nachdem es zunächst so aussah, dass der junge Mann mit einem Jurastudium seine zukünftige berufliche Bestimmung gefunden hatte, verdingte er sich als Assistent seines Freundes und Nachbarn Victor Hubinon, dem er bei dessen zeichnerischer Arbeit an der soeben im Magazin Spirou gestarteten Fliegerserie Buck Danny half. Die Abenteuer des Piloten der amerikanischen Luftwaffe entstanden ab 1947 nach einem Szenario von Jean-Michel Charlier und Georges Troisfontaines, dessen Agentur World’s Press auch für die Vermarktung zuständig war. Obwohl Weinbergs Anteil an Buck Danny und auch an der wenig später vom selben Team realisierten Geschichte Tarawa, atoll sanglant für Le Moustique (1948/49) nicht zu unterschätzen ist, spielten Hubinon und Charlier die Heroic_CoverBeteiligung ihres Kollegen herunter, was eine anständige Bewerbung bei anderen Auftraggebern, vor allem bei den etablierten Magazinen Spirou und Tintin, deutlich erschwerte. Denn Albert Weinberg hatte das Jurastudium mittlerweile aufgegeben und wollte seine Laufbahn als Zeichner fortsetzen.
Da Buck Danny erfolgreich in Spirou lief, gab Hubinon die Arbeit an seiner für das Magazin Bimbo parallel entstandenen Serie Joe la Tornade komplett an Weinberg ab, der sie bis zur Einstellung des Magazins im Februar 1949 fortführte. Bei Bimbo lernte Weinberg auch den jungen Zeichner Fernand Cheneval kennen, der bereits seit 1945 mit mäßigem Erfolg seine Héroïc-Albums herausgab, aus denen nun ein wöchentliches Magazin werden sollte. Das kleinformatige Heft beinhaltete abgeschlossene Geschichten und redaktionelle Beiträge, und Cheneval hatte mit Greg (d.i. Michel Regnier), der damals noch unter dem Pseudonym Michel Denys publizierte, und Maurice Tillieuxzwei sowohl talentierte wie produktive Zeichner unter Vertrag, die einen Großteil der Heftproduktion bestritten. Albert Weinberg bekam nun ebenfalls das Angebot, seine eigene Serie zu kreieren, und nach der Geschichte Bradna, le félon in Ausgabe #6 von 1949 startete er in Ausgabe #16 des gleichen Jahrgangs mit Luc Condor. Von der Abenteuerserie des Glücksritters südamerikanischer Herkunft erschienen bis 1954 mehr als 50 Geschichten und machten sie zu einer der langlebigsten Serie in Héroïc-Albums.

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Special vom: 23.04.2012
Autor dieses Specials: Volker Hamann
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