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Interview mit David Boller

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Du bist scheinbar fasziniert von Afrika, denn AIR ist ja nicht Deine erste Geschichte, die auf diesem Kontinent spielt. Wie ist diese Faszination entstanden?

Meinen ersten Kontakt mit Afrika und spezifisch der Lebensweise und der Problematik der Tuareg hatte ich gemacht, als meine Patenmutter die Gegend bereiste und mir als Geschenk einen Tuareg-Speer und Dolch zurückgebracht hatte. Dann kam eine zweite Welle, als ich das Fanzine Schatten gemacht hatte und da von vielen Doku-Filmen beeinflusst war. Eine dritte Welle gab es dann Mitte der 90er Jahre, als ich viel World-Music und auch Afro-Pop anhörte und Musiker wie Salif Keita und Papa Wemba für mich entdeckt hatte. Das war eine tolle Zeit der Neuentdeckung. Aber bei mir ist das immer so eine Sache. Ich hasse Langweile und entdecke immer gerne neue Themen. Da ich ja Ende letztes Jahr zum ersten Mal in Asien war, bin ich jetzt komplett von Bangkok fasziniert. Es ist also nicht auszuschliessen, dass irgendwann mal ein Comic dazu im Zampano-Programm auftaucht, haha.
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Wie hast Du Dich auf diesen Comic vorbereitet? Was hast Du recherchiert?

Wie bei Bakuba kommt eigentlich alles aus drei Quellen: Bücher/Magazine, Dokumentarfilme und Internet. Da ich schon eine grosse Sammlung zu dem Thema habe, konnte ich fast alle meine Fragen einfach beantworten. Man darf allerdings den Aufwand bei einem solchen Projekt nicht unterschätzen, da alles so gut wie möglich stimmen sollte.

Was hat Dich dazu bewogen eine Geschichte über die Tuareg und deren Unterdrückung zu schreiben?


Als ich noch in den USA wohnte, hatte ich die Schnauze voll von der sozialen Ungleicheit, der Kluft zwischen Arm und Reich, und wollte eine Story zu diesem Thema machen. Da kam mir die Idee für AIR. Eigentlich hätte man eine Geschichte über alle unterdrückten, ethnischen Gruppen schreiben können, aber die Welte der Tuareg hat mich visuell immer besonders interessiert. Man sollte auch noch hinzufügen, dass ihre Situation besonders bedrückend ist. Man muss sich mal vorstellen, dass diese Leute absolut nichts haben und auch noch in der wohl unbewohnbarsten Region des Planeten leben. Dazu werden sie noch von allen umliegenden Ländern verfolgt und die einzigen Bodenschätze, die es in der Gegend gibt, werden ihnen auch noch von den Kolonialmächten weggenommen. Tolle Aussichten...

Deine Figuren in AIR sind fiktiv, Personen wie Tandja Mamadou, der ehemalige Präsident des Niger, aber echt. Wie viel aus Deiner Geschichte entspricht der Realität und wo beginnt die Fiktion?

Das Grundgerüst der Hauptpersonen ist alles fiktiv, aber viele der politischen Figuren sind real, wie Ex-Präsident Mamadou und General Acharif. Auch die beiden Jounalisten zu Beginn der Geschichte, gibt es in ähnlicher Form. Sie hatten vor drei Jahren einen Dokumentarfilm über die Tuareg für Arte gemacht.

air_preview_tallWie schwierig ist es Menschen aus einem anderen Kulturkreis zu zeichnen ohne in mögliche stereotypische Darstellungen zu verfallen?

Das ist natürlich die grosse Falle, in die man leicht tappt, ohne es zu bemerken. Ich habe schon aufgepasst, dass gewisse ethnische Kleinigkeiten korrekt sind. Afrikaner sind nicht einfach Afrikaner wie in "Tim im Kongo". Allerdings hatte ich genügend Referenzmaterial zur Verfügung.

Wie erklärst Du Dir, dass in Europa so wenig über Afrika bekannt ist?

Politk und Geld. Ich will ja nicht als Anti-Semit verschrien werden, aber man muss sich etwas wundern, warum Israel immer in aller Mund ist, während man nie etwas über die Tuareg oder Kurden hört, deren Elend, sind wir mal ehrlich, viel herzzerreissender ist. Die logische Antwort ist Lobby und Geld. Wer Geld hat, kann sich Berichterstattungen in den Medien, die ja allen grossen Konzernen gehören, leicht erkaufen und kriegt demnach viel mehr Gehör für seine Anliegen in den Zeitungen und Fernsehen. Letztendlich leben wir in einer Welt von Infomercials und die meisten Leute realisieren es nicht einmal.

Gibt es weitere Geschichten über Afrika, die Du gerne erzählen möchtest?

Geschichten gäbe es noch viele, aber nach AIR Band 2 ist wohl erst mal Schluss. Andere Projekte sind am Horizont und da ich meine eigene Zeichenarbeit in 2013 eh herunterfahren möchte, bleibt nicht mehr so viel Zeit. Wer weiss, was die Zukunft bringt.

Du hast AIR auch in Frankreich veröffentlicht. Wie ist dort die Resonanz? David Boller in Angouleme 2012

Sehr positiv. Das Thema ist von Anfang an bei den Franzosen gut angekommen, was sich auch in Angouleme bewiesen hat, wo wir alle Bücher in nur zwei Tagen verkaufen konnten. Ich glaube auch, dass die Franzosen ein zeitgenössisches Buch über dieses Thema wollen. Es gibt ja einige Tuareg-Comics in Frankreich, aber das sind alles romantisierte Gschichte der Jahrhundertwende und beschäftigen sich hauptsächlich mit Kolonialismus. Meine Geschichte, vorallem der zweite Band, ist eine Überlebensgeschichte und das interessiert die Leute momentan.

Was sicherlich auffällt ist die Tatsache, dass Du keine einfach Botschaft übermittelst. Die Rebellen werden von Dir nicht als das glühende Vorbild dargestellt, sondern begehen selbst viel Gewalt und werden von Dir dafür auch kritisiert. Genauso stehen aber auch die Regierung und die ausländischen Konzerne auf Deiner schwarzen Liste. Was ist aus Deiner Sicht der richtige Weg, um eine Dikatur zu bekämpfen? Gibt es den überhaupt?

Ja, das ist eine gute Frage und ich freue mich, dass du das bemerkt hast. Das ist ja das zentrale Thema. Und das wird ja auch die Schwierigkeit mit dem Schluss der Geschichte. Ich bringe im Band ja einige Beispiele, warum die Rebellen und auch der Hauptcharakter, Rhamid, denken, dass Gewalt ihr einziger Ausweg ist. Allerdings habe ich auch schon früh gewisse Zweifel eingebaut. Persönlich denke ich, dass Gewalt nur mehr Gewalt provoziert, und dass der Teufelskreis gebrochen werden muss. Eine bessere Antwort habe ich leider auch nicht, sonst würde ich wohl nicht Comics machen und anstelle den Friedensnobelpreis entgegennehmen.

Wie wichtig ist es Dir, eine Botschaft mit Deiner Geschichte zu vermitteln?

Also Botschaft ist ein starkes Wort. Ich versuche schon gewisse Gedanken einfliessen zu lassen, aber es sollte sicher nicht unbeholfen oder predigend daher kommen. Ich möchte eher, dass der Leser eine Geschichte über ein Thema liest, über das er vielleicht noch nicht viel nachgedacht hat. Es gibt eine grosse Welt da draussen, aber viele von uns leben in unseren täglichen, kleinen Kisten. Auch mit dem kommenden Programm von Zampano mächte ich das ändern und Bücher machen, die anderen Verlage übersehen hatten oder gar nicht wussten, dass sie existieren.

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Afrika ist voller Resourcen, aber der Kontinent schafft es nicht der Armut zu entkommen, wenn man mal von Südafrika absieht. Was ist aus Deiner Sicht der Grund dafür und was könnte anders gemacht werden?

Ah, wieder eine tiefe und nicht einfach zu beantwortende Frage. :-)
Ich glaube ehrlich, dass viele der Probleme Afrikas im frühen Kolonialismus zu finden sind und wie in so vielen anderen Ländern auch in der Unterdrückung durch das Christentum. Die Lebensarten der Afrikaner und des Westens scheinen nicht kompatibel und diese Spannung, alles natürlich unbewusst, provoziert dieses Elend. Man darf auch nicht vergessen, dass die Welt ganz klar vom Westen regiert wird und es gibt viele Länder mit Resourcen, die in Armut leben und vom Westen ausgebeutet werden, da der Westen einfach am längeren Hebel sitzt. Irak mit seinen Ölvorarräten, Afganistan mit seinen Drogenproduktionen und viele mehr.

Das vergangene Jahr war von Unruhen und Umstürzen in Nordafrika geprägt. Und so mancher Staat ist noch nicht zur Ruhe gekommen. Wie siehst Du die Entwicklung?

Afrika ist seltsam. Manchmal ist es in einem Land für 20 Jahren ruhig und man denk schon, dass sie es endlich im Griff hätten, und dann plötzlich eine komplette Kehrtwendung. Politisch kann ich zu dieser Region nur sagen, dass sich wenig zum Positiven ändern wird, ausser die Menschen beginnen umzudenken. Aber das kann man ja für den Rest der Welt auch sagen. Es ist der Gedanke der zuerst kommt, dann das Handeln und nicht umgekehrt.

Wir bedanken uns bei David Boller für die Beantwortung der Fragen. Das Interview führte Bernd Glasstetter.

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Special vom: 18.02.2012
Autor dieses Specials: Bernd Glasstetter
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
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