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Interview mit Philippe Aymond
Philippe Aymond: Der Zeichner von Lady S.
Das Interview führte Michael Hüster

Philippe_AymondLady S.-Zeichner Philippe Aymond (Jahrgang 1968) studierte nach dem Abschluss seiner Schulzeit zunächst von 1985 bis 1989 an der Pariser Universität Saint-Charles Bildende Künste. Er stand kurz vor seinem Kunstlehrerexamen, als er ein Angebot von Jean-Claude Mézières und Pierre Christin bekam, in deren Studio mit Labiano und Chapelle an der Comic-Serie Canal Choc zu arbeiten. Das war die lange erhoffte Chance für Aymond, seinen Kindheitstraum in die Realität umzusetzen. Es folgten diverse Arbeiten für Serien und One-Shots wie L’homme qui fait le tour du monde, Les 4x4, Les voleurs de ville, A.D. Grand-Rivière und ApocalypseMania. 2003 wurde ihm dann von Dupuis angeboten, mit Jean Van Hamme an dessen neuer Serie Lady S. zu kollaborieren.

Wann bist du erstmals in deinem Leben mit Comics in Kontakt gekommen?
Eigentlich lese ich Comics schon seit meinem vierten/fünften Lebensjahr. Ich habe mir immer zunächst die Zeichnungen angesehen, bevor ich den Text in den Sprechblasen gelesen habe. Den allerersten Comic, den ich jemals gelesen habe, hatten mir meine Eltern gekauft: ein “Mickey Mouse”-Heft. Ich lernte also zunächst die berühmten Disney-Charaktere kennen. Es folgten Flash Gordon (von Dan Barry), Mandrake und viele andere Comic-Storys.
Im Alter von sechs Jahren entdeckte ich die Tintin-Abenteuer von Hergé und das Tintin Magazin mit vielen sehr schönen Geschichten. Und ich liebte die Greg-Serien, insbesondere Comanche, Bruno Brazil und Luc Orient. Und einige der damals neuen Serien wie Thorgal und Arlequin von einem jungen Szenaristen namens Jean Van Hamme.
Hermann und natürlich auch Jean Giraud (mit Blueberry) waren meine zwei Lieblingszeichner während meiner Teenagerzeit. Ich habe versucht, wie Giraud zu zeichnen. Was für ein Ansinnen! Ich hatte ja gar keine Ahnung, was ich mir da vorgenommen hatte!   
Dann entdeckte ich Milton Caniff und sein eher einfacheres Artwork in klarem schwarzweiß in Comics wie Terry and the pirates und Steve Canyon. Heute denke ich weiterhin, dass er einer der Besten war, weil er viele Qualitäten bzw. Eigenschaften in seinem Werk wie Effizienz, Sorgfalt, Schlichtheit, Schönheit und Sinnlichkeit vereinigte.

Findest du auch heute noch Zeit, Comics zu lesen?LadyS
Heute lese ich nicht mehr allzu viele Comics. Ich lese die Bücher von meinen Freunden wie Rossi, Christin und Mézières, Bollée, Taduc und Leo ... und ich lese immer noch die Comics von Hermann. Ich denke, er ist ein absolutes Genie.

Wann entstand dein Berufswunsch, Comic-Künstler zu werden?
Gab es zunächst andere berufliche Ziele?

Ich denke, den Berufswunsch Comic-Künstler hatte ich so etwa seit meinem 7. Lebensjahr. Ich kann mich noch ziemlich genau an den Tag erinnern, an dem ich mich fragte, ob es ein reales Berufsziel für mich sein könnte, an Comicalben zu arbeiten. Ich stellte mir vor, dass es doch ein sehr schönes Leben sein könnte, jeden Tag zu zeichnen und auch noch Geld dafür zu bekommen. Später, als ich dann im Teenager-Alter war, zeichnete ich nach getaner Schularbeit soviel ich konnte.
Ich traf mich nicht mit Freunden, sondern zog es vor, mir Geschichten auszudenken. Und mein größter Wunsch war es, dass meine Sachen veröffentlicht werden.

Du hast an der Pariser Universität Saint-Charles Bildende Künste („Arts Plastiques“) studiert. Hast du dort die wesentlichen Dinge gelernt, die später für deine Comic-Arbeit notwendig waren? Wie ging es dann weiter …
Als ich die Schule abschloss, waren meine Eltern etwas in Sorge wegen meiner Comic-Passion, und sie drängten mich, ein Universitätsstudium zu beginnen und mit dem Diplom als Kunstlehrer abzuschließen. Für meine Eltern war der Lehrerberuf finanziell sicherer als der eines Künstlers. Und da ich heute selbst Nachwuchs habe, kann ich das gut nachvollziehen.
Ich schrieb mich also 1985 an der Universität Paris 1 - Saint-Charles für Kurse in „Arts Plastiques“ ein. Das Ganze sollte vier Jahre dauern.
Das Studium hat mir aber zunächst gar nicht gefallen, da der Lehrplan auf „conceptual art“ ausgerichtet war. Dabei wird die Interpretation über die Bedeutung eines Kunstwerks als vorrangig angesehen. Ich hasste das. Man durfte eine sehr schlechte Zeichnung abliefern, wenn man sie plausibel erklären konnte, da dies als viel wichtiger erachtet wurde. Zunächst konnte ich mit dieser Art von Ausbildung überhaupt nichts anfangen. Das Prinzip war mir unverständlich. Ich versuchte ganze einfach, gute Zeichnungen und Gemälde zu fertigen, und bekam dafür schlechte Bewertungen. Dann erlebte ich viele andere Studenten, die vom Zeichnen keine Ahnung hatten, aber gute Bewertungen für fürchterliche Arbeiten erhielten. Nach dieser Erfahrung gab ich mir keine große Mühe mehr, aber – und das war mein Lerneffekt – ich hatte immer gute Erklärungen für meine Arbeiten!!! Ich bekam nun gute Bewertungen, ohne wirklich viel zu tun, und hatte dadurch viel mehr Freizeit für mein Comic-Hobby. Leider brachte mich mein Studium in dieser Hinsicht keinen Schritt weiter.
unveröffentlichtes LadyS CoverDer erste Comic-Zeichner, den ich kennen lernte, war Al Courtelis (Tanguy & Laverdure). Ich war damals 17 Jahre alt. Ich traf ihn zweimal im Jahr, und er gab mir mehr Tipps, als meine Lehrer mir in Saint-Charles insgesamt vermittelt haben.
Am Ende des vierten Jahres an der Uni, hätte ich mein Lehrerexamen ablegen können. Doch bevor es dazu kam, erhielt ich ein Angebot von Mézières und Christin (u. a. Valerian & Veronique), in ihrem Studio mit Labiano und Chapelle an Canal Choc zu arbeiten. Das war für mich die Chance, auf die ich immer gewartet hatte, und so verabschiedete ich mich 1989 von Saint-Charles!!!
Mein Kunstlehrer-Examen habe ich dann nicht mehr gemacht. Ich dachte damals, ich könne das ja immer noch nachholen, falls ich mit den Comics aufhöre. Dazu ist es jedoch nie gekommen.

Wann hast du begonnen, an Canal Choc zu arbeiten? War es schwierig für dich, in die Arbeit hineinzufinden?
Ich begann mit der Arbeit an Canal Choc so etwa im November/Dezember 1989. Mein erster Job war das Inken der Zeichnungen von Labiano und Chapelle. Das Storyboard hatte Mézières angefertigt.
Es war zwar eine wirklich spannende Tätigkeit und eine Herausforderung für mich, aber es war auch ziemlich schwierig, in diesem amerikanischen Stil zu arbeiten. Nach dem zweiten Album löste sich das Team auf. Es war für mich insgesamt einfacher, die Zeichnungen von Labiano zu inken, da er eine sehr klare und genaue Linie hat. Doch er hatte noch ein anderes Projekt, das er vorzog.
Dagegen hatte ich so meine Mühe mit den Zeichnungen von Chapelle.
Er steckte viel Energie in seine Arbeit, doch sein Strich war nicht sehr genau. Außerdem hatte er Mühe, den Arbeitsrhythmus und die von Mézières erwartete Qualität zu halten. Aus diesem Grund wollte ich auch aus dem Projekt aussteigen, doch Mézières überzeugte mich, die Serie zu beenden. So zeichnete ich einige Seiten des dritten Buches und schließlich das komplette vierte und letzte Album.

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Special vom: 25.06.2011
Autor dieses Specials: Michael Hüster
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F.W. Tempel
Grand Prix - Intro zur neuen Rennfahrer-Serie
Feeling History mit Hauptmann Veit: Interview mit Lutz Nosofsky
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