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Arminius Bonusbeitrag
Dieser Beitrag ergänzt den Artikel über den Arminius-Comic des Ewald Verlags in SPRECHBLASE 221, Seite 32.

Die Glorifizierung von Arminius
Seit 1529 kam es zu vielfältigen literarischen Bearbeitungen des Stoffes, oft auch unter dem Aspekt einer Liebeserzählung. Im 19. Jahrhundert wurde der germanische Heerführer, dem die Römer den Namen Arminius gaben, als Hermann der Cherusker zunehmend von deutschnationalen Chauvinisten vereinnahmt. Der Mythos erreichte nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge des als Schmach empfundenen Versailler Vertrags besonders große Popularität. Im "Dritten Reich" spielte die Hermann-Gestalt dennoch eine geringe Rolle. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler führt dies darauf zurück, dass das Interesse der Nazis mehr der germanischen Expansion galt, als der Verteidigung des heimatlichen Bodens. Als dann 1944 die Alliierten bis nach Deutschland vordrangen, war es für eine Wiederbelebung des Arminiuskults zu spät gewesen.

Angesichts ihrer Hochstilisierung des Germanentums, sind die Nazis natürlich nicht ganz an dem alten Teutonen vorbeigekommen. Es gibt Darstellungen, wo Hitler mit Hermann in Verbindung gebracht wird und mir sind mehrere Sammelbilderalben aus der Nazi-Zeit bekannt, bei denen die deutsche Geschichtsschreibung mit der "ruhmreichen Hermannsschlacht" einsetzt – ganz so, als ob vorher nichts gewesen wäre.

Spiegel_ueber_arminius

Die geschichtliche Ausgangssituation
Angefangen hat alles im Jahre 55 v. Chr., als Julius Cäsar Gallien eroberte und mit seinen Truppen bis zum Rhein vordrang. Römische Kaiser legitimierten sich in dieser Zeit durch Kriege. Da das wirtschaftliche System auf Sklaven aufbaute, war ständig neues "Menschenmaterial" von Nöten. 16 v. Chr. (etwa ein Jahr nachdem Arminius geboren wurde) traf Kaiser Augustus die gewagte Entscheidung, die Reichsgrenze bis an Elbe und Donau vorzuschieben. Seine Legionen, rund 35000 Berufssoldaten, wurden in 40 neu gebaute Kastelle am Rhein einquartiert. 12 v.Chr. brach der Sturm los und die Kohorten stießen tief in germanisches Feindland vor.

Es war ein dicht besiedeltes Gebiet, das in Kleinstämmen organisiert, oder besser nicht organisiert war. Etwa 25 Gehöfte, in denen die Bewohner mit dem Vieh unter einem Dach wohnten, bildeten eine mit Palisaden umzäunte Einheit. Die Kleinstämme wurden von Fürsten regiert. Beschlüsse fasste die Volksversammlung, der sogenannte "Thing". Friedlich ging es nicht gerade zu, aber es gab verbindende Elemente, wie Sprache, Lebensart und Religion. Angesichts des vorherrschenden Chaos´ müssen die Germanen von der Ordnung und Disziplin der römischen Infanterie, die in Sechserreihen anrückte, ziemlich beeindruckt gewesen sein. Jeder Kämpfer trug 48 Kilo Rüstung und Gepäck mit sich. Dazu gehörten auch zwei Holzpfähle. Abends warfen die Legionäre mit Spaten Erdwälle auf, in die sie die Pfähle pflanzen. So entstanden mobile, viereckige Festungen. (Den Kontrast zwischen römischer und "barbarischer" Kriegsführung hat Goscinny bei ASTERIX auf treffende Weise parodiert.)

Dieser professionellen Armee, die alles niederwalzte, hatten die Germanen nichts entgegenzusetzen. Die letzten Widerstandsnester wurden durch Umsiedlungsmaßnahmen gezähmt, nachdem man die Anführer umgebracht hat. 9 v. Chr. gelang es den Römern bis zur Elbe vorzustoßen. Im gleichen Jahr übernahm Augustus´ Schwiegersohn Tiberius (der 14 n. Chr. Augustus als Kaiser nachfolgen sollte) das Kommando an der Front. Zwei Jahre später kann der 200.000 m2 große "Gau" in das Reich eingegliedert werden.

Der Armee folgten die Händler. Das Land bot ihnen Räucherfisch, Bernstein, Leder und mehr. Silber- und Bleibergwerke entstanden. Alle Erträge flossen in die Tasche von Kaiser Augustus. Das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen war schwierig. Die Geschäftemacher brachten die Germanen bald gegen sich auf. Sie mussten sich auch einer ihnen fremden Justiz beugen, Steuern zahlen (die Germanen kannten weder Steuern, eine Verwaltung noch die Schrift) und ihre Waffen ablegen. Kein Wunder, dass es im Volk zunehmend gärte. -- Soviel zu der Situation, in der der Mann aufwuchs, der Rom das Fürchten lehren sollte.

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Der historische Arminius
Vorweg: Hermann war nicht der germanische Name von Arminius. Es passt zur Legendenbildung, dass die Bezeichnung "Hermann, der Cherusker" erst viel später, und zwar durch Martin Luther, geprägt wurde. Wie der Kriegsführer wirklich hieß, wissen wir nicht.

Der Sohn eines Cheruskerfürsten lernte beide Seiten der Medaille kennen. Die Römer brachten Luxus und Reichtum, folterten aber auch, legten aufmüpfige Bauern in Ketten oder versklavten sie. Persönlich ging es ihm gut, da sich sein Vater mit den Fremden arrangiert hatte. Günstlinge der Besatzer wurden hervorragend behandelt, besonders wenn sie von hohem Stand waren. Germanien zerfiel somit in romfreundliche und -feindliche Parteien. Doch die Römer nahmen auch die Sprösslinge der bevorzugten Fürsten gern in Geiselhaft, um sie stärker einzubinden. Arminius und sein Bruder Flavus wurden deshalb zur Ausbildung nach Rom geschickt. Bald standen die beiden Hinterwäldler vor der glanzvollen Millionenstadt. Das Ziel war, dass sie eines Tages in ihrer Heimat Marionettenregime für Rom errichteten. Die Jungen erhielten römisches Bürgerrecht. Arminius, den antike Quellen als "gewandten Geist" mit "strahlenden Augen" beschreiben, lernte fließend lateinisch sprechen und erlebte eine rasante militärische Karriere. Später erhob ihn Kaiser Augustus sogar in den Ritterstand und überreichte ihm persönlich einen goldenen Ring, eine hohe Auszeichnung (wofür? Darüber schweigt die Überlieferung).

Arminius´ erste große Aufgabe war die Führung von Hilfstruppen. 5 n. Chr. wurde er im Kampf gegen den mächtigen Ostgermanen Marbod, der für viele als der Urvater Bayerns gilt, eingesetzt. Doch die gewaltige Armee des Tiberius kam nie dort an, da ein Aufstand in Dalmatien ihre Aufmerksamkeit dringender erforderte. Hier konnte der sehr aufgeweckte Arminius die Militärtechniken der Weltmacht und vieles mehr studieren. Die Kämpfe dauerten lange und forderten viele Opfer von den Legionären, doch schließlich konnte der Balkan ruhig gestellt werden.

Im Jahre 8, als Arminius in seine Heimat zurückkehren konnte, war das römische Reich ziemlich erschöpft von den Kriegen. Hungersnöte waren ausgebrochen und eine Finanzkrise tat ihr übriges. Arminius, der längst geplant hatte, sich gegen Rom, das seinem Land seit fast 20 Jahren den Stempel aufdrückte, zu wenden, nutze die Gunst der Stunde und bemühte sich um etwas, das noch keinem zuvor gelungen war: ein militärisches Bündnis zwischen den zerstrittenen Germanenstämmen. Tatsächlich brachte er genug Überzeugungskraft auf, um rund 20 Stämme zum gemeinsamen Freiheitskampf unter seiner Führung zu überreden. Doch ausgerechnet Thusnelda, die Frau, die er ehelichen wollte, entstammte einem römerfreundlichen Familienclan, der entschieden gegen seine Pläne war.

Als der neue Statthalter Varus den Germanen gegenüber eine arrogante Haltung zeigte und zudem die Steuerschraube anhob, sah Arminius seine Stunde gekommen. Er hielt sich bewusst häufig im Lager des Varus auf und nahm an dessen Tafel teil. Als römischer Bürger im Ritterstand hatte Arminius bald sein Vertrauen gewonnen. Nachdem dem Statthalter Unruhen gemeldet wurden, bot sich Arminius an, ihn auf sicheren Wegen dem Feind entgegenzuführen, was dieser bereitwillig annahm. Varus geriet auf diese Weise in der Gegend von Kalkriese (über den genauen Ort wurde in den letzten Jahren diskutiert) in eine von Arminius vorbereitete Falle, deren Folgen für Rom so verheerend waren, dass das Weltreich sogar ins Wanken geriet, wie die Forschung in den letzten Jahren feststellte. Als der über 70jährige Kaiser Augustus von der Niederlage am Teutoburger Wald erfuhr, soll er bekanntlich sein Gewand zerrissen haben, mit dem Kopf gegen die Palasttür geschlagen und gerufen haben: "Varus, gib mir meine Legionen wieder!" Zu dem Zeitpunkt war Varus längst tot, er hatte sich selbst gerichtet.

Hermannsdenkmal

In der Folge versuchte Rom die Schlappe mit allen Mitteln wiedergutzumachen, doch Arminius wehrte sich standhaft, auch wenn es ihm nicht gelang, den mächtigen Markomannenkönig Marbod, dem er den Kopf von Varus sandte, zu einem Bündnis zu bewegen. Seine Frau Thusnelda war inzwischen von ihrem eigenen Vater an die Römer ausgeliefert worden. Im Jahre 16 zogen 8 Legionen unter der Führung von Germanicus gegen die Cherusker. Vor dem Kampf soll es zur Begegnung zwischen Arminius und seinem den Römern treu ergebenen Bruder Flavus gekommen sein. Von den gegenüberliegenden Seiten der Weser führten sie ein Streitgespräch. Die darauf folgende Schlacht schildert Tacitus zwar als für die Legionäre siegreich – Arminius soll dabei schwer verwundet und nur deshalb entkommen sein, da er sein Gesicht mit Blut beschmierte –, doch der Bericht war offenbar geschönt, denn schon wenige Tage später griff der "Schwerverwundete" die Römer erneut an. Bald darauf zogen sich die Legionen hinter den Rhein zurück. Der Eroberungsversuch war endgültig gescheitert.

Die Germanen konnten letztlich nur durch Intrigen geschwächt werden. Das Imperium setzte seine Geheimpolizei ein und schürten den innergermanischen Zwist. Eine Zeit des Verrats, der Intrigen und Giftanschläge brach an. (Auch diesen Praktiken hat Goscinny mit der Figur des Tullius Destructivus in "Streit um Asterix" ein parodistisches Denkmal gesetzt.) Zuerst wurde der mächtige Marbod gestürzt. Rom zahlte den Verursachern Bestechungsgelder. Im Jahre 21 n. Chr. ermordete man schließlich Arminius, angeblich durch die Hand seiner Verwandten. Aber auch hier führte Rom womöglich Regie., denn kurz davor hatte ein Chattenfürst dem Senat angeboten, Arminius durch Gift zu beseitigen. Laut Tacitus hatte der Senat zwar abgelehnt, doch seine pathetischen Worte klingen ziemlich nach Propaganda.

Das Großkönigreich, das Arminius vorschwebte und das Rom bedrohen hätte können, war somit Utopie geblieben. Doch gab es dafür wirklich eine Chance? Dieses kaum zu bändigende, kriegerische Volk ohne wirkliche Strukturen, hatte die zweifelhaften Segnungen der Zivilisation gerade erst kennengelernt.

Dieser historische Abriss beruht teilweise auf dem Wikipedia-Eintrag über Arminius und anderen Internet-Quellen, hauptsächlich jedoch auf der Titelstory des "Spiegel" 51/2008, die das Thema sehr ausführlich behandelt. Man kann den Bericht kostenlos abladen unter www.spiegel.de (Stichwort: "Titelbilder & Heftarchive").

Dass es möglich ist, nach 2000 Jahren noch soviel über die Geschehnisse zu erfahren, beruht einerseits auf archäologischen Funden (erst in jüngster Zeit wurden wichtige Ausgrabungen getätigt, die tiefere Einblicke in den germanischen Aufstand ermöglichen), andererseits auf antiken Berichten. Zwei Autoren schilderten die Vorgänge besonders genau: der Römer Tacitus und der Grieche Cassius Dio, der sogar Schilderungen von Augenzeugen einfließen ließ. Obwohl die Berichte aus der z.T. beschönigenden Sicht der Eroberer geschrieben wurden, sind sie doch erstaunlich detailliert und aufschlussreich.

Ungeklärt wird die moralische Seite bleiben. War Arminius ein integerer Kämpfer für die Sache seines Volkes, der sich vom Glanz Roms nicht blenden ließ? Oder war er ein Verräter an denjenigen, die ihm Wohlstand, gesellschaftlichen Aufstieg und hohe Ehrungen zuteil werden ließen? In früheren Zeiten wurde der ersteren Sichtweise klar der Vorzug gegeben und man machte aus ihm einen Kraftprotz, der in Ölgemälden und gut 70 (!) Opern dem Sieg entgegen geritten ist. Nach 1945 sah man Arminius hingegen für lange Zeit meist in recht negativem Licht. Inzwischen wird jedoch stärker differenziert. Warum sollen nicht beide Sichtweisen einen wahren Kern beinhalten? Die zwei Seiten einer Medaille.


Special vom: 03.05.2011
Autor dieses Specials: Gerhard Förster
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