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Nehmt euch in Acht, Zombies!
Interview mit Eric Powell, dem geistigen Vater vom Goon, dem Schrecken aller Untoten und sonstigem Gesocks

Eric Powell ist ein freundlicher, fast schüchterner Mittdreißiger. Er wirkt wie einer von der Sorte, die keiner Fliege was zu leide tut, und damit ist er das genaue Gegenteil zu seinen beiden Antihelden. Goon, der coolste, abgebrühteste Schläger aller Zeiten mit dem zernarbten Gesicht und der Schiebermütze, und Franky, sein großmäuliger, diskutierfreudiger Sidekick mit den Knopfaugen, gehen alles andere als zimperlich mit ihren Widersachern um. Sie brechen Beine und lassen notfalls ihre Opfer ganze Ziegelsteine schlucken. Die Serie The Goon (dt. bei Cross Cult) ist ein humoristischer Horror-Comic voller Elemente aus der Tradition der Pulp- und Trash-Kultur. In den Geschichten wimmelt es von Gangstern, Zombies, Werwölfen, Blutsaugern, verrückten Wissenschaftlern, glubschäugigen Monstern oder einfach nur debilen Gestalten, die sich in einem 30er Jahre Ambiente bewegen. Galt Powells The Goon anfangs noch als Geheimtipp, spricht die Auszeichnung mit fünf der renommierten Eisner-Awards innerhalb von vier Jahren eine deutliche Sprache. Was ist das für ein Typ, dessen Comics jede Menge Spaß und Action bieten und sich dennoch wohltuend vom Einerlei USamerikanischer Comicserien abheben? Das Gespräch mit dem Künstler wurde auf der letzten Frankfurter Buchmesse geführt.

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ZACK: Wo und wann wurdest du geboren?


EP: Ich wurde 1975 in Nashville geboren, wo ich auch heute noch lebe, in der Nähe der Stadt. Ich habe dort mein ganzes bisheriges Leben gewohnt.

ZACK: Hast du eine Berufsausbildung, etwas, das nichts mit Kunst zu tun hat?

EP (lacht): Kaum zu glauben, aber ich habe sogar mal eine Weile auf dem Bau gearbeitet. Mein Vater besaß eine kleine Baufirma, und ich arbeitete dort für ihn ein paar Jahre während der Sommerferien. Das waren so Trockenbaugeschichten, aber auch Gerüstarbeiten.

ZACK: Und wann ging das mit der Zeichnerei los?

EP: Ich habe eigentlich schon immer gezeichnet. Es gab nie eine Zeit, in der ich nicht gezeichnet habe. Selbst wenn ich an meine früheste Kindheit zurückdenke, dann habe ich gezeichnet.

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ZACK: Erinnerst du dich an dein erstes Comicheft?

EP: Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Es war möglicherweise ein Spider-Man-Heft. Einer meiner Onkels hatte einige Comics aus seiner Kindheit aufbewahrt, und er gab sie mir. An viel mehr erinnere ich mich nicht. Ich begann sehr früh, aus den Comics abzuzeichnen. Gerade die Zeichnungen, die
mir am besten gefallen haben, habe ich zu kopieren versucht.

ZACK: Was bedeutet es für dich, ein professioneller Comiczeichner zu sein und davon seinen Unterhalt bestreiten zu können?

EP: Das ist wie ein wahr gewordener Traum.

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ZACK: Du hast immerhin zehn Jahre The Goon auf dem Buckel. Darauf lässt sich aufbauen, wohingegen andere ein, zwei Jahre schnellen Erfolg haben und dann wieder sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden.


EP: Richtig. Ich bin etwas dem Beispiel von Jeff Smith mit seiner Serie Bone gefolgt. Ich habe gesehen, dass er seiner Figur und seiner Serie treu blieb, um ein vorzeigbares Werk daraus zu machen. Und ich habe immer noch so viel Spaß mit The Goon, dass ich weiter machen möchte, gerade auch mit der Heftserie. Wenn es nur ein paar Ausgaben geworden wären, würden sie wahrscheinlich nicht mal in Deutschland veröffentlichen worden sein. Man braucht ein größeres Gesamtwerk, um eine treue Leserschaft zu bekommen.

ZACK: Recherchiert man ein bisschen über dich, dann steht überall, dass du dir das Zeichnen selber beigebracht hast. Ist das wirklich wahr?

EP: Ja, wenn man mal von einigen Stunden Kunstunterricht auf der Highschool absieht, habe ich keine Kunstakademie oder ähnliches besucht. Ich habe Comics und Bücher gekauft, mir die Zeichnungen sehr gut angeschaut und mir eingeprägt, wie diese Künstler gezeichnet haben. Und dann habe ich sehr viel geübt, bis ich herausgefunden habe, wie sie es umsetzen. Ich habe systematisch ausprobiert und geübt, um zu spüren, wie es funktioniert.

ZACK: Dein Stil ist sehr dynamisch und gleichzeitig sehr weich. Tolle Perspektiven. Einfach fantastisch.

EP: Danke. Ich finde, der Prozess beim Zeichnen von Comics ist vergleichbar mit Sport. Je mehr man übt, desto besser wird man. Wenn ich ein Gemälde anfertige, dann ist es so gut wie die Menge an Erfahrung und Übung, die ich bis zum Zeitpunkt der Erstellung gesammelt habe.

ZACK: Wer war der erste Zeichner, der dich inspiriert hat?

EP: Ich denke, das war Bernie Wrightson, der Swamp Thing gemacht hat. Ich erinnere mich daran, dass seine Comics die ersten waren, die ich bewusst verfolgt habe. Bis dahin hatte ich mir Comics angeschaut, aber den Namen der Zeichner keine Beachtung geschenkt. Ich dachte bloß: „Oh, ein echt guter Comic!“ Und dann kam Bernie Wrightsons Zeichenkunst, und ich erkannte sofort, dass sie anders war. Ich konnte sie sofort von anderen unterscheiden und sagen: „Ja, das ist der Typ, dessen Zeichnungen mir zuvor schon aufgefallen sind!“. So merkte ich mir seinen Namen und habe angefangen, Comics zu kaufen, die er gezeichnet hatte.

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ZACK: In Goon #4 ist ein Vorwort von Frank Darabont. Er vergleicht deine Comics mit denen von Will Eisner. Kann das sein? Wenn man dein Alter bedenkt, dann kannst du als Kind keine Spirit-Comics gelesen haben.

EP: Stimmt. Will Eisners Comics habe ich erst später gelesen, als ich schon über 20 Jahre alt war. Ich habe mit Bernie Wrightson angefangen und mich dann in der Zeit quasi zurückbegeben. So bin ich bei den EC Comics gelandet. Bei Wrightson erkannte ich, dass er von Jack Davis und Wally Wood beeinflusst war. Also habe ich deren Comics ausfindig gemacht, oder die von Frank Frazetta. Dann fand ich heraus, dass Wally Wood mit Will Eisner gearbeitet hatte und fing an, The Spirit und seine Graphic Novels zu lesen. Er hatte einen großen Einfluss auf mich, und zwar unmittelbar, weil sein Werk so einzigartig ist, eine Liga für sich. Seine Art, eine Geschichte zu erzählen, hat mich sofort gepackt.

ZACK: Dann lass uns mal über The Goon reden. Der Goon ist ja nicht gerade ein typischer Held. Und dann dieser kleine Typ mit den Knopfaugen.

EP: Ich weiß nicht warum, aber irgendwie finde ich Gewalt in Zeichentrickfilmen sehr amüsant. Bitte nicht falsch verstehen, nicht wirkliche Gewalt, sondern „Cartoon-Gewalt“. Das hat mich schon immer belustigt, etwa die Tom & Jerry-Zeichentrickfilme, diese völlig überzogene Cartoon-Gewalt. The Goon entstand, weil ich einen Comic machen wollte, der alles verkörpert, was ich mag: Cartoons, Monster, Film Noir, große hässliche Typen, mehr so abgefahrene Sachen. Goon und Franky sind entstanden, weil ich diesen gewalttätigen Humor mag: ein überzogenes Gangster-Duo, das Monster bekämpft.

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ZACK: Hast du beide gleichzeitig erfunden? Oder kam zuerst der Goon und du dachtest: „Also, nein, er ist mir nicht gewalttätig genug.“

EP (lacht): Nein, ich hatte von Anfang an den Einfall mit diesen beiden Figuren. Mir hat schon immer die Idee des Sidekicks gefallen: eine Hauptfigur und der kleine tatkräftige und dynamische Handlanger. Es ist mir klar, dass dieser Stereotyp sicher schon hundert Mal erdacht wurde, aber ich mag ihn halt. Ich hatte zuerst nur die reine Idee für diese beiden Charaktere, aber keine Umsetzung. Ich fing an, den Goon zu zeichnen, und wusste sofort, wie er aussehen würde, mit dem Hut und der Narbe. Franky war etwas schwieriger, da ich wollte, dass er wirklich einer Cartoon-Figur gleicht. Würde er wie eine normale Person aussehen, dann wären all diese schrecklichen Dinge, die er tut, eher beunruhigend als lustig.

ZACK: Das Aussehen von Franky ist fast schon kongenial, seine Knopfaugen, der lippenlose Mund, das Unterhemd und sein Spruch „Messer ins Auge!“. Gibt’s den Spruch als Redewendung in Tennessee?

EP: Nein, den habe ich selber erfunden. Würde Franky real aussehen, könnte das negativ wirken. Es wäre eher wie Joe Pesci in Goodfellas als in einem Zeichentrickfilm. Ich wollte, dass er wie ein altmodischer Zeichentrickcharakter aussieht, damit die Gewalt als übertragener Witz aufgefasst wird und nicht buchstäblich. Der Comic selbst ist als großer Spaß zu verstehen.

Weiter geht es in Zack 134. Und mehr von Matthias Hofmann könnt Ihr auch auf Splashcomics lesen, denn er ist der Chef der Rezensionsabteilung.


Special vom: 25.07.2010
Autor dieses Specials: Matthias Hofmann
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Editorial von Georg F.W. Tempel
Zuletzt gefragt: Philippe Aymond
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