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Von Hasen, Enten und anderen Menschen
Ihre Comics werden bevölkert von aufrecht gehenden Hasen, kriegerischen Drachen, philosophierenden Katern und panikgeplagten Fotografen: Mit Geschichten, die zwischen trockenem, oft absurdem Humor und tiefem Ernst schwanken, und lockeren, oft an Kindercomics erinnernden Zeichnungen haben Lewis Trondheim, Joann Sfar und Manu Larcenet in den 1990er Jahren den europäischen Comic erneuert. ZACK stellt die drei „jungen Wilden“ der französischen bandes dessinées vor.

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Lewis Trondheim wird am 11. November 1964 als Laurent Chabosy in Fontainebleau bei Paris geboren. Nach dem Abitur meldet er sich zunächst an einer Filmhochschule an, wo er aber mit dem Corpsgeist nicht zurechtkommt. Nach einem Jahr Wehrdienst in Deutschland studiert er stattdessen Werbegrafik. 1987 trifft er während eines Comickurses den Zeichner Jean-Christophe Menu, durch den er auf eine neue Art Comics zu machen, stößt. Nachdem er einige Zeit Fanzines zeichnet und herausgibt, gründet er 1990 zusammen mit seinen Zeichnerkollegen Menu, Stanislas, Mattt Konture, Killoffer und David B. den Verlag L’Association. Im selben Jahr erscheint sein erster professioneller Comic Psychanalyse. Ab 1991 arbeitet Trondheim drei Jahre lang in einem Atelier, in dem er auch seine spätere Ehefrau, die Koloristin Brigitte Findakly, kennen lernt. 1992 erscheint bei L’Association sein 500 Seiten-Epos Lapinot et les Carottes de Patagonie, in dem erstmals der anthropomorphe Hase Lapinot auftaucht. Der wird ab 1994 zum Titelhelden seiner wohl bekanntesten Albenreihe (auf deutsch als Herrn Hases haarsträubende Abenteuer, Carlsen).

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In dieser vor skurrilem Humor sprühenden Serie wechselt Trondheim zwischen Genreparodien, in denen seine Helden Herr Hase, der Kater Richard und der Hund Titi in verschiedene Rollen schlüpfen, und eher alltäglichen Geschichten, die in der Gegenwart spielen. „Ich mag an Lapinot dieses Wechseln zwischen den ‚haarsträubenden Abenteuern’ und realistischeren Geschichten, in denen nichts Besonderes passiert, wo es nur um die Beziehungen geht“, erklärt Trondheim. „Ich liebe Filme wie Peter’s Friends oder diejenigen von Woody Allen: Jede Figur hat ihre Persönlichkeit und findet sich in einer Situation wieder, in der sie sich im Verhältnis zu den anderen positionieren muss, ihre Persönlichkeit herausstellen, reagieren muss.“ Diese Alltagsepisoden drehen sich trotz gelegentlich eintretender verrückter Ereignisse in erster Linie um das ganz normale Leben einer Gruppe von Twenty- oder Thirtysomethings: Jobs, Liebesbeziehungen, Freundschaften. Im zehnten Band lässt Trondheim seine bekannteste Figur überraschend sterben. „Es ist ein Buch über den Tod, und der betrifft nicht immer nur die Anderen“, erklärt er seinen ungewöhnlichen Entschluss, „deshalb musste eine Hauptfigur sterben – die, die den Namen des Albums trägt.“ Außerdem habe er keine Lust gehabt, noch in Jahrzehnten Lapinot-Alben zu zeichnen, in denen sein Held dann zum Beispiel an der Prostata operiert werde.

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Trondheim liebt die Improvisation: „Normalerweise habe ich kein Szenario. Ich habe Ideen für Personen und deren Beziehungen zueinander. Dann erwecke ich sie zum Leben und lasse mich von ihnen leiten.“ Dabei schreibt er durchaus Szenarios für andere Zeichner, etwa ab 2000 für Manu Larcenet Les Cosmonautes du Futur (Die Kosmonauten der Zukunft, Ehapa und Finix). Neben seinen Farbalben zeichnet er viele eher experimentelle Bücher in schwarz-weiß, darunter die Autobiographie Approximate Continuum Comix (1993) und das wortlose La Mouche (1995, deutsch Die Fliege, beide bei Reprodukt). Er schreibt auch das Libretto zu Valentin Villenaves Oper Affaire étrangère, die im Februar 2009 in Montpellier aufgeführt wird. Aktuell ist in Frankreich der Spirou-One Shot Panique en Atlantique angekündigt, den Trondheim schreibt und Fabrice Parme zeichnet.

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1998 startet Trondheim zusammen mit Joann Sfar ein irrwitziges Projekt: Die Fantasy-Parodie Donjon ist auf 300 Alben angelegt, die von Aufstieg, Blüte und Niedergang einer Festung erzählen sollen. Christophe Blain zeichnet dabei den Morgengrauen-Zyklus, Trondheim die ersten Zenit-Alben (danach übernimmt Boulet) und Sfar die Abenddämmerung. Als sei das noch nicht ehrgeizig genug, lancieren die beiden Erfinder bald auch noch Nebenreihen: Während die eher lustigen Parade-Alben von Manu Larcenet umgesetzt werden, bestreiten zahlreiche Gastzeichner wie Andreas oder Yoann die Monster-Bände. Der Ton der Geschichten wechselt von Album zu Album zwischen abgedrehtem Humor und düsterer Tragik, wozu auch die unterschiedlichen Zeichenstile der in Deutschland bei Reprodukt  erscheinenden Reihen beitragen. Neben Drachen und Monstern sind auch in Donjon Enten, Hasen und andere vermenschlichte Tiere die tragenden Figuren.

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Special vom: 27.03.2010
Autor dieses Specials: Marcus Kirzynowski
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Editorial von Georg F.W. Tempel
Animal’z
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