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Isabel Kreitz - Comic-Zeichnerin aus Passion
Hamburg an einem Spätsommertag. Gleißendes Licht und eine angenehme Wärme empfangen mich, als ich am Hauptbahnhof aus dem ICE steige. Das milde Wetter lockt die Menschen ins Freie. Die Cafés an der Außenalster sind bevölkert von Sonnenhungrigen. Mit der U-Bahn gelange ich ins Hamburger Stadtviertel Ottensen. Hier, wo sich früher Arbeiter und Kleinindustrie angesiedelt hatten, wimmelt es nun vor Studenten, Künstlern, Freiberuflern und jungen Familien. Das Bild oder besser Klischee, das man als Süddeutscher vom steifen Hanseaten vor Augen hat, wird völlig ad absurdum geführt. Lebensfrohes Multikultileben begrüßt den Ankömmling. Liebevoll restaurierte Altbauten, in denen sich kleine Läden, Cafés, Kneipen und Restaurants befinden, säumen den Weg entlang der Ottenser Hauptstrasse. Hier inmitten des kunterbunten Treibens hat Isabel Kreitz, eine von Deutschlands profiliertesten Comic-Künstlerinnen, ihr Atelier. Das rote Backsteingebäude, in dem Kreitz schöpferisch tätig ist, befindet sich in einem Hinterhof. Bei dessen Anblick denkt man unwillkürlich an Brooklyn. Auf einem Schild am Haus liest man „Der Schauraum“. „Wie passend für Künstler“, denke ich, werde aber später eines besseren belehrt. „Der Schauraum“ ist eine Schreinerei, die sich im selben Gebäude befindet.

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Einige Treppen höher steht man vor einer unscheinbaren Tür. Auf mein Klingeln öffnet Isabel Kreitz und führt mich durch einen großen Raum, in dem vier Grafiker arbeiten, mit denen sie sich das Atelier teilt, in den hintersten Raum, wo sie alleine sitzt und werkelt. Durch das Fenster blickt man auf grünes Laub. Davor befindet sich ein die Rückwand entlang laufender Gitterrost mit Geländer. Kreitz’ Balkon, wenn sie mal die Sonne genießen will. Nach einem kurzen Vorgespräch beginnen wir unser Interview.

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Zack: Hallo Isa, gerade ist Pünktchen & Anton, deine zweite Comicadaption eines Erich Kästner-Romans, beim Dressler Verlag erschienen. Erzähl uns doch mal, wie es zu der Zusammenarbeit kam.

Isabel Kreitz: Mit dem 35.Mai bin ich damals als Idee schwanger gegangen. Ein netter Literaturagent in Berlin hat sich für mich erkundigt, unter welchen Umständen und bei welchem Verlag ich diese Idee umsetzen könnte. So kam ich zum Dressler Verlag, dem „Erich Kästner-Verlag“. Ich habe mich sehr gefreut, dass ein klassischer Kinderbuchverlag wie Dressler keine Berührungsängste vor der graphischen Literatur hatte! Nachdem das erste Projekt dieser Art recht gut aufgenommen wurde, hat meine nette Lektorin mich gefragt, ob ich nicht einen zweiten Kästner-Klassiker adaptieren möchte. Wir haben uns dann rasch auf Pünktchen & Anton geeinigt.

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Zack: Und wer wählt aus, welche Romane adaptiert werden?

I.K.: Ich darf schon Vorschläge machen;-)

Zack: Aber letztendlich entscheiden Dresssler oder die Kästner-Erben?

I.K.: Da es ja erst zwei Bücher waren, ist es schwer, schon eine „Regel“ zu erkennen. Bisher habe ich zwei Vorschläge gemacht, die auf Gegenliebe stießen.

Zack: Gab es Vorgaben beim Stil? Oder wolltest du den Stil von Walter Trier aufgreifen?

I.K.: Es gab keinerlei Vorgaben von Verlagsseite. Meine Idee, der Grafik nach Möglichkeit eine „Trier-Optik“ zu verpassen, war auch der Wunsch des Verlages. Persönlich konnte ich mir auch gar keine andere Optik vorstellen.

Zack: Jetzt mal eine hypothetische Frage. Kästner meinte ja, dass seine Bücher ohne die Cover von Walter Trier nie so erfolgreich geworden wären. Glaubst du, dass er mit deinen Adaptionen zufrieden gewesen wäre?

I.K.: Tscha...Die Kästner-Erben sind zufrieden, das ist schon mal sehr erfreulich! Aber ob Kästner mit der Form des Comics etwas anzufangen wusste, wage ich nicht zu behaupten. Viel spannender finde ich die Frage, ob Herr Trier es nicht interessant gefunden hätte, Bildgeschichten zu zeichnen, wenn es denn eine Möglichkeit dafür gegeben hätte. Nicht in Form von Cartoons á la Ohser (Anm. d. Red.: Erich Ohser veröffentlichte zwischen 1934 und 1937 unter dem Pseudonym e.o. plauen die Vater und Sohn-Bildgeschichten), sondern eigenständige (epische) Bilderzählungen. Ich könnte mir vorstellen, dass ihn das gereizt hätte!

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Zack: Bringen dir die Arbeiten an den Kästner-Bücher Kindheitserinnerungen zurück oder hattest du als Kind mit Kästner nichts am Hut?

I.K.: Mein Hut war ganz voll von Kästner, das war auch der Grund, mit der Adaption seiner Bücher zu liebäugeln! Aber natürlich liegen Welten zwischen dem damaligen und dem heutigen Eindruck. Heute stehen die Charaktere für mich eher im Hintergrund, viel mehr Vergnügen macht mir das Szenario (zeit- und örtlich) und die Sprache.

Zack: Heißt das, dass du Veränderungen an der Geschichte vornimmst, um sie nach deinem Gusto schreiben zu können?

I.K.: Nein, ich klebe eigentlich recht fest am Original. Nur einige wenige szenische Veränderungen waren nötig, weil eine Geschichte, die durch Bilder erzählt wird, doch andere Möglichkeiten hat als eine reine Textgeschichte. So habe ich beispielsweise auf die Zwischentexte verzichtet. Ich habe kein Interesse daran, Kästner „zu modernisieren“ oder zu interpretieren. Das überlasse ich gern dem Leser/der Leserin.

Zack: Was wird denn die nächste Adaption sein? Oder weiß man das noch nicht?

I.K.: Nope!

Zack: Neben diesen Adaptionen arbeitest du ja nach wie vor für Carlsen und fertigst auch Illustrationen für Zeitungen. Außerdem zeichnest du für die Frankfurter Rundschau den Deutschland Comic. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der Rundschau?

I.K.: Herr Schlüter von der FR sprach mich auf der vorletzten Buchmesse an, ob ich einen wöchentlichen Beitrag in Comicform für 60Jahre Deutschland zeichnen möchte. Wir haben ein wenig gegrübelt und bei den Müllcontainern zwischen Halle 3 und 4 etliche Zigaretten geraucht, kamen aber schon auf einige Ideen, die ich dann zuhause weitergesponnen habe. Mein Vorschlag, daraus ein Rätsel zu machen, ein Ereignis zu zeigen und den Leser das Jahr raten zu lassen, in dem das Ereignis stattgefunden hat, kam beim Chefredakteur gut an, und los ging es.

Zack: Wie kommst du auf die Themen für den Deutschland-Comic und was sind die Auswahlkriterien?

I.K.: Ich habe einen befreundeten Journalisten, der sich viel mit geschichtlichen Themen beschäftigt, gebeten, mir bei der Recherche und Dokumentation zu helfen. Frank Giese und ich haben dann einen Jahresplan ausgearbeitet mit 52 Themen - eine Mischung aus Politik, Sport, Gesellschaft und Kultur in Ost und West. Ob uns die Mischung gut gelungen ist, wird man besser beurteilen können, wenn das Jahr  um ist und alle Folgen vorliegen :-)

Weiter geht es in Zack 127.


Special vom: 15.12.2009
Autor dieses Specials: Georg F.W. Tempel
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Editorial von Georg F.W. Tempel
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