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Zeitanomalien

Zeitanomalien

Comicgeschichten enthalten auch Störungen in Zeit und Raum, so dass die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig oder parallel beeinträchtigt werden können: verheerende Konsequenzen für die Historie oder gar die Bedrohung der Zeit überhaupt sind Auswüchse. Oft brechen ganze Galaxien wegen des Verschwindens von „Zeit“ zusammen. Diese metaphysischen Gedankenwirrungen sind oftmals Teil von Superheldengeschichten. Wie Eingangs bereits angedeutet wurde, nutzen Comicverlage solche Geschichten um Serien zu beenden oder um Kaufanreize zu schaffen, da meist eine unüberschaubare Anzahl von Helden aus mehreren parallel laufenden Heftserien in solchen Extraausgaben versammelt sind beziehungsweise „Gastauftritte“ haben.

„Superman versus Flash“

„Superman“ und „Flash“ sind übernatürliche Titelhelden, die in eigenen Heftreihen auftreten. Die beiden Superhelden können aber gleichfalls Teil von Comicserien sein, in der sie einer Gruppen angehören, wie zum Beispiel der „JLA“ („Justice League of America“). In diesen Geschichten tritt „Superman“ als Außerirdischer auf, der auf der Erde fliegen kann, und viel stärker und schneller ist als alle gewöhnlichen Erdenbewohner. Der Superheld „Flash“ zeichnet sich dadurch aus, dass er sich übernatürlich schnell – wie der Blitz – (fort)bewegen kann. Die Comicanthologie „Superman vs. Flash“ beinhaltet mehrere Stories, in denen sich die beiden Helden Rennen liefern.

In „Rennen um das Universum“ (1) fällt ein Freund von Superman und Flash durch eine Art „Zeitloch“ 2000 Jahre zurück in das alte Rom, wobei ein Streitwagenfahrer im Austausch in der Gegenwart landet. Der Grund dafür sind Lebensformen, die schneller als das Licht reisen und dadurch den Fluss der Zeit behindern, so dass die Vergangenheit in die Gegenwart der Protagonisten strömt und die Zeiten zu zerstören droht. Die temporale Balance kann nur in Einklang gebracht werden, wenn die beiden Superhelden, die einzigen die aufgrund ihrer Superkräfte schnell genug sind, auf einen entgegen gesetztem Pfad in Richtung der fremden Lebensformen rennen.

Die Episode „Rennen zur Rettung der Zeit“ (2) knüpft an „Rennen um das Universum“ an. Hier bringen die pfeilschnellen Helden Ordnung in das Zeitchaos. Denn nach etlichen Hindernissen, die Superman und Flash zu überwinden hatten, gelangen sie in einer fernen Zukunft in ein „Kontrollzentrum“ der Fremden. Dort betätigen sie gerade rechtzeitig einen „Zeithebel“, bevor ihr Freund in der Vergangenheit hingerichtet wird, und der Zeitstrom komplett verschwindet. So wird das Gefüge des Zeitstroms wieder hergestellt.

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 (c) Superman vs. Flash: Die größten Rennen aller Zeiten erschienen beim Panini Verlag

Auch in „Jagd ans Ende der Zeit“ (3) müssen Flash und Superman ihre Schnelligkeit unter Beweis stellen. Flash wird erpresst und eilt deshalb in Lichtgeschwindigkeit in die Zukunft, um einen Bürgerkrieg zwischen verfeindeten Außerirdischen zu verhindern. Dafür soll er einen feindlichen Agenten daran hindern, das Ende der Zeit zu durchbrechen. Superman wird indessen von der anderen Seite genötigt und muss nun seinerseits in die Zukunft rennen. Er soll Flash einholen und ihn an der Erfüllung seines Auftrags hindern, da ansonsten Supermans eigene Existenz aufgrund von Zeitanomalien auf dem Spiel stehen würde.

Die Auflösung zu „Jagd bis ans Ende der Welt“ bietet die Episode „Rennen ans Ende der Zeit“ (4). Die beiden Hauptpersonen müssen in der Zukunft nach dem Überwinden einiger Hindernisse und einem gemeinsamen Plan zur Rettung aller, dem feindlichen Agenten durch den kosmischen Vor-hang am Ende der Zeit folgen, um diesen zu bezwingen. Von dort aus gelangen sie mühevoll wieder in die Gegenwart zurück, wo sie die Außerirdischen überlisten und dadurch die Welt retten.

In diesen Comicabenteuern steht die Zeit folglich als Dreh- und Angelpunkt im Zentrum und zwar insofern, als die Akteure das Durcheinander in der Zeit oder die Bedrohung von Zeit und Raum meistern müssen, um die Welt zu retten. Der Fluss der Zeit, oder anders die Vorstellung einer linearen Zeit, fungiert hier als eine Art Rennstrecke. Die Rennbewegungen werden durch Bewegungsphasen und -linien (5) dargestellt. Zeitanomalien sind in den ersten beiden Episoden der Grund für die Gefahr, in den letzten beiden Geschichten wären sie das Resultat bei Versagen. „Zeit“ wird demnach zum Gegner des Menschen, sobald sie nicht mehr in den gewohnten Fugen verläuft. Hier wird also die Sehnsucht nach einer geregelten Zeitordnung thematisiert. Überdies kommt in dieser Anthologie das menschliche Verlangen zum Ausdruck, Herr über die Zeit sein zu wollen.

„JLA“

„Zero Hour: Die Stunde Null“ (1998). So lautet der Titel von Dan Jurgens und Jerry Ordways, die den dritten Sonderband über die Superheldengruppe „JLA: Die Gerechtigkeitsliga“ gestalten durften. Bei der Truppe um die bereits vorgestellten Helden „Superman“ und „Flash“ handelt es sich um eine Vielzahl von Charakteren, die fast ausnahmslos in Solotiteln parallel zu „JLA: Die Gerechtigkeitsliga“ erscheinen.
Eine Gefahr beginnt zu keimen, denn eine Art „Zeitwelle“ droht die Erde und den restlichen Kosmos zu zerstören. Die alles vernichtende „Stunde Null“ wird 32 Stunden zuvor am Anfang der Story unaufhaltsam eingeläutet. Der Auslöser hierfür ist ein zunächst unbekannter Schurke, der von einer fernen Zukunft der Erde, am Ende der Zeit, handelt. Dies wird im Laufe des Comics von verschiedenen Protagonisten erkannt, sei es durch die Zeitanomalien oder durch Beobachtungen in der „Zeit-Zitadelle“, der Heimat der „Wächter der Zeit“ jenseits des Zeitstroms. So kommt es zu verstörenden Auswirkungen: zum Beispiel treten Doppelgänger, Helden aus anderen Jahrhunderten und Dinosaurier in Erscheinung. Oder es entstehen alternative Zeitebenen und ganze zukünftige Universen werden ausgelöscht. Kurz gesagt: Die Zeit spielt verrückt. Sämtliche Superhelden versuchen nun die Bedrohung abzuwenden. Am Schluss der Geschichte wird der Schurke, der sich als ehemaliger Freund der Helden zu erkennen gibt, besiegt und die Zeit sowie das Universum neu geordnet.

JLA

(c) JLA: Die neue Gerechtigkeitsliga, Sonderband 3: Zero Hour erschienen im Panini Verlag

Bemerkenswert ist, dass einzelne Superhelden über Gaben verfügen, um die Zeit zu manipulieren. Da wäre beispielsweise „Waverider“, der per Gedankenkraft auf den Winden der Zeit geleiten kann oder der Schurke „Metron“, der mit Hilfe seines „Möbius-Stuhls“ Zeit und Raum durch Öffnung von Sternentoren überbrücken kann.

„Zeit“ als Motiv erscheint in „Zero Hour: Die Stunde Null“ in Form von philosophischen und physikalischen Spekulationen und Gedankenspielen über „Zeit“ und personifiziert, als Fähigkeit einzelner Protagonisten, Zeit zu manipulieren. Hier gibt es keine Reise in der Zeit, denn Zeit an sich und damit ihre Elemente (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) geraten in Chaos bis nach der Wende – am Nullpunkt – erneut Ordnung eintritt. Die Neuordnung der Zeit kann als Wiederholung des Schöpfungsmythos interpretiert werden. Der Comic ließe sich zudem als Symbol dafür deuten, dass auch in der Gegenwart Gegenstände aus vergangenen Zeiten stets präsent sind. Die Vergangenheit beeinflusst also durchaus das Jetzt, obschon sie an sich vorbei ist.

„1602“

Neil Gaiman und Andy Kubert sind die kreativen Köpfe, die sich hinter „1602“ (2005) verbergen. Zwar gibt es in diesem Comic keine Gruppe wie die „JLA“. Aber auch hier versammeln sich Superhelden aus bekannten Einzelserien wie „Captain America“ oder „Die Fantastischen Vier“.
Die Story handelt von ungewöhnlichen Wetterphänomenen, welche den Zeitstrom beeinträchtigen und somit die Welt bedrohen. Ausgelöst wurden diese zerstörerischen Zeitanomalien durch die Zeitreise des Helden Steve Rogers, vom 21. Jahrhundert ins 17. Jahrhundert. Die Ära der Superhelden, die eigentlich erst im 20. Jahrhundert hätte beginnen sollen, findet ihren Anfang dadurch schon zu Zeiten der Königin Virginia von England, des Königs James von Schottland und des Großinquisitors von Spanien statt. Es ist die Zeit der Hexenverbrennungen. So werden die Superhelden aufgrund ihrer Talente der Hexerei bezichtigt und verfolgt. Wegen dem, von Rogers geschaffenen „Zeitloch“, entsteht eine simultane Zeiteventualität. Deshalb wird dieser durch einen Blitzeinschlag zum Wohl aller geopfert, nachdem er sich geweigert hat, zurück in die Zukunft, also in seine Gegenwart, zu gehen, um die normale Ordnung von Zeit und Raum wieder herzustellen.

1602

Im Vergleich mit „Superman vs. Flash“ und „Zero Hour:- Die Stunde Null“ weist „1602“ einige Parallelen aber auch Unterschiede auf. Während die drei Comics gemeinsam haben, dass durch Eingriffe in den Zeitstrom gewisse Anomalien hervortreten, unterscheidet sich „1602“ darin, dass bei diesem „Zeit“ nicht als linearer Fluss betrachtet wird, sondern die Kontinuität durch das Auftreten einer Simultanzeit, also einer alternativ existierenden Zeitebene, durchbrochen wird. In den Abenteuern von „Superman vs. Flash“ gelingt die Lösung des Problems mittels Rennen mit Lichtgeschwindigkeit in die Zukunft. Bei „Zero Hour: Die Stunde Null“ und „1602“ mündet das zeitliche Desaster in einem großen Knall, der eine Neuordnung von Zeit und Raum gebärt, was in beiden Fällen nur mittels eines Opfers erreicht wird. Dies kann als Erlösermythos gedeutet werden, wobei sowohl der Schurke in „Zero Hour: Die Stunde Null“ als auch der Held in „1602“, das Zeitchaos überhaupt erst auslösten.

Vergleich

Es fällt auf, dass in allen drei Comics eine Endzeitstimmung vorherrscht. Die Protagonisten haben jeweils zur Aufgabe, ein entstandenes zeitliches Chaos aufzulösen und somit ei-ne Bedrohung von der Erde abzuwenden. Verschiedene Konflikte oder Ängste der Menschen werden hier verarbeitet. Wird in „Superman vs. Flash“, der zu Zeiten des Kalten Krieges entstand, die Angst vor einem Krieg zwischen West und Ost zum Ausdruck gebracht, so sind es in „Zero Hour: Die Stunde Null“, der in den 90er Jahren, also nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, publiziert wurde, eher der Wunsch nach einer Neuordnung und die Furcht vor der schnelllebigen, globalisierten Welt, also die Angst vor einem Zeitverlust. In „1602“, der nach der Jahrtausendwende entstand, spitzen sich solche Ängste zu. Hinzu kommt die Panik vor einem klimatischen Kollaps, was anhand der Wetterphänomene symbolisiert wird. Der jeweilige Zeitgeist ist also in Comics mit den damit einhergehenden Ängsten und Hoffnungen sichtbar.

(1) Dillin, D.; J. Giella: Rennen um das Universum. In: Superman vs. Flash. Die Größten Rennen aller Zeiten. Nettetal-Kaldenkirchen (Panini) 2005, S. 55-77.
(2) Dillin, D.; J. Giella: Rennen zur Rettung der Zeit. In: Superman vs. Flash (wie Anm. 1), S. 78-101.
(3) Garcia-Lopez, J. L.; D. Adkins : Jagd ans Ende der Zeit. In: Superman vs. Flash (wie Anm. 1), 102-120.
(4) Garcia-Lopez, J. L.; D. Adkins: Rennen ans Ende der Zeit. In: Superman vs. Flash (wie Anm. 1), S. 121-146.
(5) Durch Bewegungslinien kann der Verlauf sich bewegender Objekte im Raum gezeigt werden; bei Bewegungsphasen wird das Verstreichen von Zeit durch stakkatohafte, angedeutete Bewegungsabläufe vermittelt. (Vgl. McCloud, S.: Comics richtig lesen. Die unsichtbare Kunst. Hamburg (Carlsen) 2001, S. 118-120)



Special vom: 30.11.2009
Autor dieses Specials: Marco Behringer
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
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