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Kurzer Prozess - Kurzgeschichten in Serie
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Kurzer Prozess - Kurzgeschichten in sieben Heften

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Kurzgeschichten - eine Kunst für sich

Kurzgeschichten zu schreiben oder zu zeichnen, ist die Kunst eine Geschichte komprimiert und auf den Punkt gebracht zu erzählen. Heinrich Böll hat einmal (unter anderem) über Kurzgeschichten gesagt: "Sie duldet nicht die geringste Nachlässigkeit" (1). Vollkommen richtig, eine Kurzgeschichte muss von vorne bis hinten passen.

In das Geschehen wird der Leser ohne große Einführung hineingeworfen und muss mit den vorhandenen Informationen auskommen. Es gebricht an der Zeit, um eine Figur langsam zu entwickeln. Fehlt ein vernünftiger Einstieg ist die Chance groß, dass die Pointe am Ende ebenfalls nicht greift. Und gerade ein passender Schluss ist bei Kurzgeschichten das entscheidende Merkmal, ob die Geschichte in der Erinnerung bleibt. Eine Pointe, eine Moral, ein Aha-Effekt - die "Short Stories" sollten auf einen Schlusspunkt hinführen.

Stephen King hat einen Roman mit einer "längeren intensiven Beziehung" verglichen, während die Kurzgeschichte eher "einem Kuss eines Fremden in der Nacht gleicht" (2). Und so unterschiedliche wie Küsse sein können, sind es auch Kurzgeschichten. Aufregend oder langweilig, aufdringlich und eher abstossend oder sanft und zärtlich. Prickelnd und elektrisierend oder schal und saft- und kraftlos. Manche bleiben noch lange in guter Erinnerung, andere sind schon einige Minuten später abgehakt und vergessen.

Kurzgeschichten in Comics - Kurzer Prozess

Auch oder gerade in Comics wird das Medium "Kurzgeschichte" gerne verwendet. Über gutgemachte Zeichnungen können die entscheidenden Informationen gut vermittelt werden, die der Betrachter braucht, um in die Geschichte einsteigen zu können und dann auch den Abschluss zu verstehen. Schauen wir uns doch exemplarisch eine Comic-Reihe an, die nur aus "Short-Stories" besteht.

Die hohe Kunst des Erzählens von Kurzgeschichten wurde um die Jahrtausendwende in der Heftreihe "Kurzer Prozess" gezeigt. Verschiedene Autoren konnten dem Leser zeigen, wie sie diese Form der Prosa zeichnerisch und textlich umzusetzen vermögen. Die sieben Hefte aus dem Hause Gringo Comics enthalten einige Juwelen dieser Erzählkunst. Verschiedene Zeichenstile sind zu bewundern, verschiedene Arten eine interessante Geschichte pointiert umzusetzen. Nicht jedem Leser wird jeder Zeichen- oder Erzählstil gefallen, die Geschmäcker sind nun einmal unterschiedlich.

In den Jahren 2000 und 2002 gab es vom Interessenverband Comic bei der ICOM Preisverleihung eine "Lobende Erwähnung", eine verdiente Würdigung durch die Fachwelt. Auch die Leserbriefe und die Forumsbeiträge zu dieser Reihe sind voll des Lobes.

Betrachten wir uns doch diese Serie etwas genauer.Eine Beschreibung der einzelnen Geschichten fällt allerdings schwer, ohne zuviel von dem Geschehen zu verraten. Das wäre unfair gegenüber den Lesern, die jetzt auf diese Reihe neugierig geworden sind. Eine Inhaltsangabe wird es deshalb hier nicht geben. Und zu seiner schönen Serie haben wir Holger Bommer von Gringo Comics interviewt. Seine ehrlichen und höchst interessanten Antworten sind auf der nächsten Seite zu finden.

Die Zeichner und die unterschiedlichen Zeichenstile

Martin Frei

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Martin Frei in einer Selbstdarstellung und Selbsteinschätzung seiner Person 

Martin Frei hatte die besondere Ehre, die Reihe zu beginnen und zu beenden. Auch Heft 2 wurde von ihm gestaltet. Aber es hat sich durchaus gelohnt, diesem talentierten Zeichner und Geschichtenerzähler soviel Platz einzuräumen. Martin Frei überzeugt durch klare, aussagekräftige Zeichnungen. Detailreiche aber nicht überladene Bilder tragen die jeweilige Geschichte voran. Durch diesen Zeichenstil macht es auch Freude, sich nach dem ersten  Durchlesen die Geschichten noch einmal in Ruhe durchzusehen. 

Besonders hervorzuheben ist die Geschichte "Die Venusfalle" aus Heft 2 (1998). Die Story stammt von Bernhard Maas und die Zeichnungen und die Texte sind von Martin Frei. Nicht nur für Science Fiction Fans eine lesenswerte Erzählung einer bemannten Reise zur Venus. Auch das Coverbild (siehe oben) ist vom Feinsten und wurde in einem späteren Heft als Illustration hinter Acrylglas angeboten. Befremdlicherweise kommt die auf dem Cover dargestellte Raumfahrerin in der Geschichte überhaupt nicht vor. Wenigstens eine Astronautin hätte auf ein Raumschiff gehört, das den Namen des ehemaligen Präsidenten der USA Bill Clinton trägt (U.S.S. Clinton).

Werfen wir einfach mal einen Blick auf den Zeichenstil von Martin Frei. Die Beispiele stammen von drei verschiedenen Geschichten aus der Reihe. "Weihnachtszeit", "Spätwerk" und "City Freaks".

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Klarer aussagekräftiger Zeichenstil in zwei Beispielen, gelungene Darstellung der jeweiligen Stimmung der Beteiligten

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"Und Action" - Dynamik durch Explosion

Isabel Kreitz

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Verleihung des Max- und Moritz Preis 2008 an Isabel Kreitz in Erlangen

Isabel Kreitz hat schon in vielen Werken bewiesen, dass sie geschichtliche Ereignisse und Zusammenhänge detailliert und treffend darstellen kann. Auch in "Kurzer Prozess" (3. Heft 1999)  sind zwei Geschichten enthalten, die auf Geschehnisse aus dem 3. Reich zurückgreifen. Das es nicht immer Geschichtliches sein muss, führt sie uns in einer Reihe von weiteren schönen Kurzgeschichten vor.

Besonders beeindruckend ist die Kurzgeschichte "1946 Irgendwo in Deutschland". Betrachten wir uns das Einstiegspanel. Im Vordergrund ist ein Abreisskalender zu sehen, der den Titel zeigt. Die Ausstattung des grossen Büroraumes und die Bekleidung und Frisuren der Personen sind typisch für die Nachkriegsära. Aus dem Telefongespräch kann entnommen werden, dass es sich um einen Filmverantwortlichen handelt. Telefonisch bittet er darum, einige stramme Burschen als Komparsen für die Darstellung von SS-Angehörigen zu besorgen.

Damit ist schon einmal der Zeitpunkt festgelegt - 1946. Also kurz nach Kriegsende. Die Aussage "Irgendwo in Deutschland" legt fest, dass der Ort austauschbar wäre, innerhalb von Deutschland. Das Telefonat gibt uns einige Informationen über den Handlungsrahmen. Ein Filmset, es wird ein Film mit "Der Werner" und "Dem Raddaz" gedreht. Vermutlich sind Ilse Werner und Carl Raddatz gemeint,  zu der Zeit durchaus bekannte und respektable deutsche Schauspieler. Aufhorchen lassen dann Worte wie "stramme Kerle" als "Komparsen" für die "SS Truppe". Wir erinnern uns an die Zeit: 1946. So kurz nach Ende des Krieges wollen  die meisten Deutschen ungern an die vergangenen 12 Jahre erinnert werden, während mancher den "glorreichen" Zeiten nachtrauert. Diese Vorgaben aus nur einem Panel lassen eine Vielzahl an Handlungssträngen zu, da braucht es nur ein wenig Phantasie. Was Isabel Kreitz daraus gemacht hat, wird hier natürlich nicht verraten. Eine lohnenswerte Geschichte mit einem gelungenen Ende, das (sicherlich gewollt) auch etwas nachdenklich stimmt.

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Beispielhafter Einstieg in eine Kurzgeschichte

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Fachfrau für Geschichtliches - Beklemmende Bunkeratmosphäre im Bombenhagel beängstigend treffend dargestellt ("Mittagstisch")

Timo Würz

Timo Würz ist der Zeichner des vierten Heftes. In Zusammenarbeit mit Niki Kopp, ASP und Willi Schäfer zeigt er uns verschiedene Arten eine Kurzgeschichte zeichnerisch darzustellen. Einige Geschichten sind in einem fast fotorealistischem Zeichenstil gehalten, während andere wieder ins Cartoonähnliche abgleiten. Alle Zeichnungen dieses Heftes haben allerdings einen recht hohen Schwarzanteil. Bei einigen Erzählungen trägt es zur Forcierung der dargestellten Grundstimmung bei, aber auch eher humorige Geschichte, wie "Die Arthurs" wirken dadurch sehr duster. 

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Fotorealistisches und Cartoon-Charaktäre- Timo Würz zeigt sein vielseitiges Können

Bernd Frenz

Das fünfte Heft bietet diesmal den umgekehrten Ansatz. Sind die anderen Heften einzelnen Zeichnern gewidmet, die dann teilweise mit anderen Autoren zusammen gearbeitet haben, stammen diesmal die Geschichten alle von Bernd Frenz. Unterschiedliche Zeichner setzen verschiedene Kurzgeschichten des kreativen Schreibers um. Frank Schmolke, Carsten Dörr und Andreas Schultze (laut Impressum, im Heft ist grunewald angegeben) demonstrieren uns ihre individuell recht unterschiedlichen Zeichenstile.

Frank Schmolke stellt seine Figuren fast holzschnittartig sehr düster dar. Passend zur Stimmung der Geschichte "Ich bin das Licht". Carsten Dörr bietet mehr Abwechslung in "Voodoo Derivat". Hier wechseln sich freundlichere warme Szenen mit stimmungsgerechten düsteren dunklen Bildern ab. Den Lesern von "Menschenblut" dürfte die Geschichte bekannt vorkommen. In dieser Reihe ist die Erzählung von Bernd Frenz schon einmal präsentiert worden.

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Drogenhandel in fernen Ländern - Der Zeichenstil von Carsten Dörr

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Brutale Bilder in düsteren Farben - Frank Schmolke schickt uns in den Untergrund

Rudolph Perez

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Rudolph Perez bei der Buchmesse Frankfurt 2008

Kommen wir zum Schluss zu Rudolph Perez, der die Zeichnungen für Band 6 erstellt hat. Auch hier waren bei einigen Geschichten zwei weitere Autoren beteiligt, Ludwig Kreutzner und Georg K. Berres. Rudolph Perez zeigt sich vielseitig, von einfachen, fast simplen Zeichnungen die auf das Wesentliche reduziert wurden bis zu detailreichen liebevoll gestalteten Panels.

Aus diesem Heft ist besonders die Geschichte "Die Todesengel" empfehlenswert. Ein interessanter Plot der zeichnerisch und textlich hervorragend umgesetzt wurde, eine gelungene Kurzgeschichte in der bemerkenswerten Reihe "Kurzer Prozess". 

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Merkwürdige Tribunale und Mordgedanken - Rudolph Perez liebt die Abwechslung  in "Warten auf die nächste Eiszeit", und "Die Todesengel"

Die Extras

Das Team um Holger Bommer zeigt in der Serie "Kurzer Prozess", dass sie durchaus einen feinen Sinn für Humor haben. Wer kommt schon auf die Idee in den Heften Sammelecken abzudrucken und dem Leser, der eventuell schon die Schere herausgesucht hat, eine recht unorthodoxe Verwendungsmöglichkeit für die ersten beiden Sammelecken vorzuschlagen. Grossartig, das ist eindeutig die Schule von MAD!

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Verfügbarkeit:

Bezugsmöglichkeiten zu den Heften sind auf der Webseite von Gringo Comics zu finden http://www.gringo-comics.de/

Natürlich kann im Normalfall auch der Comic Fachhändler des Vertrauens weiterhelfen.


Auf der nächsten Seite geht es weiter: Holger Bommer von Gringo Comics beantwortet uns einige Fragen zu der Serie "Kurzer Prozess". 


Sämtliche Bilder stammen aus der Heftreihe "Kurzer Prozess", Benutzung für dieses Special durch freundliche Genehmigung von Holger Bommer, Gringo Comics, Besten Dank!


Bildnachweise:
freibio Zeichner Martin Frei, Heft 7 letzte Heftseite
freistil12merged Zeichner Martin Frei, links Heft 7 "Weihnachtszeit", rechtes Bild Heft 1 "Spätwerk"
freistil3, Heft 1 Zeichner Martin Frei "City Freaks"
kreitzstil1 Heft 3, "1946 Irgendwo in Deutschland"
kreitzstil2 Heft 3, "Mittagstisch"
wuerzstilmerged Heft 4, Zeichner Timo Würz linkes Bild "Liebe ist", beiden folgenden Bilder "Die Arthurs"
cdoerrstil Heft 5, Zeichner Carsten Dörr "Voodoo Derivat"
schmolkestil Heft 5, Zeicher Frank Schmolke "Ich bin das Licht"
perezstilmerged Heft 6, Zeichner Rudolph Perez. Linkes Bild "Warten auf die nächste Eiszeit", nächsten beiden Panel "Die Todesengel"
sammelecken Heft 2, hintere innere Umschlagseite

Das Foto von Isabel Kreitz stammt von Bernd Glasstetter und wurde im Rahmen der Preisverleihung 2008 in Erlangen angefertigt

Das Foto von Rudolph Perez stammt ebenfalls von Bernd Glasstetter und stammt von der Frankfurter Buchmesse "Faszination Comics 2008". Titel: "Rudolph Perez zeigt Xoth von Anna Maria Jung"


 (1) „Es gibt nicht die Kurzgeschichte. Jede hat ihre eigenen Gesetze [...]. Ich glaube, daß sie im eigentlichen Sinn des Wortes modern, das heißt gegenwärtig ist, intensiv, straff. Sie duldet nicht die geringste Nachlässigkeit, und sie bleibt für mich die reizvollste Prosaform, weil sie auch am wenigsten schablonisierbar ist...."
Heinrich Böll in "Werkstattgespräche mit Schriftstellern", zitiert nach Horst Bienek München 1968, S. 170
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kurzgeschichte

(2) "Reading a good long novel is in many ways like having a long and satisfying affair".[...] "A short story is a different thing altogether - a short story is like a quick kiss in the dark from a stranger." 
Stephen King in Skeleton Crew, Introduction, Chapter 3. Signet, 1986

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Special vom: 03.04.2009
Autor dieses Specials: Rolf Niemann
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Schindelschwinger - Der Klassiker
Ein Interview mit Holger Bommer von Gringo Comics zu "Kurzer Prozess"
Die Welt der Zombies - The Walking Dead
Die Welt der Zombies - Als die Zombies die Welt auffrassen
Die Welt der Zombies - Untote in Weissblech Comics
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