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Auszug aus dem Interview mit Hermann
v1_Red_Dust.jpgSB: Als Sie mit dem zeichnen angefangen haben, waren frankobelgische Comics ja doch eher eine sehr saubere Angelegenheit.

Hermann: Ja, aber als ich begonnen habe, mit meinem Szenaristen Greg zusammenzuarbeiten, gab es schon den Trend, anders an die Geschichten heranzugehen. Man hat aufgehört, das Ganze zu verniedlichen. Wenn jemand getötet wurde, gab es bis dahin kein Blut zu sehen. Eine Kugel war keine schlimme Angelegenheit, die jemanden wirklich schwer verletzen konnte. Der Getroffene ging zu Boden und das war’s. Sowas konnte ich nicht zeichnen, das ist doch die reinste Heuchelei.

SB: Ich habe – so ungefähr als Fünfzehnjähriger – Ihren Comic „Lieben Sie es roh oder gebraten?“ in der COMIXENE gelesen. Die Story hat mich damals ganz schön umgehauen. Derart harte Geschichten gab es zu der Zeit sonst nirgendwo zu sehen oder zu lesen.

Hermann: Ach, die Geschichte. Ja, das war eine direkte Reaktion auf den Sharon Tate Mord.

SB: Das wollte ich jetzt eigentlich gerade fragen. Ob es einen Auslöser gab, der Sie zu dieser extremen Handlung inspiriert hat. Als Leser spürt man schon, dass da eine Menge Wut mit drin steckt.

Hermann: Ja, ich war wirklich empört über das, was damals passiert ist. Sehen Sie, ich zeige zwar viel Gewalt, aber ich mag keine gewalttätigen Menschen. Menschen, denen  es Spaß macht, anderen weh zu tun. Für die habe ich kein Verständnis. In meinen Geschichten übe ich Gewalt gegen Leute aus, die es meiner Meinung nach verdienen. Ich will ganz ehrlich sein, ich bin durchaus für die Todesstrafe. Natürlich darf es in dieser Hinsicht keine Fehler geben, dürfen dabei keine Unschuldigen zu Schaden kommen – aber mal ehrlich, es gibt einen Haufen übler Mörder und Menschenschinder, deren Schuld zweifelsfrei feststeht. Bei denen sehe ich nicht ein, warum der Staat noch Geld für ihre Haft im Gefängnis ausgeben soll. Von mir aus können die ruhig eliminiert werden, dann ist die Gesellschaft wenigstens vor ihnen sicher. Das ist natürlich eine Meinung, die viel Widerspruch hervorruft, aber ich stehe dazu. Ich habe mal einen Brief von einem Mann erhalten, den Namen weiß ich jetzt nicht mehr, der meinte, dass die Todesstrafe noch keinen Mörder von seiner Tat abgehalten hat. Das mag vielleicht sein, aber ich habe ihm geantwortet, ich wüsste gerne mal, wie viele Menschen von entlassenen oder geflohenen Mördern umgebracht wurden und was die Opfer dazu sagen würden, wenn sie noch sprechen könnten. Danach habe ich nie wieder von dem Mann gehört.

SB: Das Ende von "Lieben Sie es roh oder gebraten" könnte ja schon den einen oder anderen Leser auf die Idee bringen, dass Sie mit der Idee der Selbstjustiz sympathisieren. Oder muss man die Geschichte eher im zeitlichen Kontext sehen? Es war immerhin die Zeit von »Ein Mann sieht rot« und Charles Bronson.
Hermann: Ich hab’s eigentlich nicht so mit Charles Bronson, eher mit Clint Eastwood und Dirty Harry. Mir geht’s auch nicht darum, irgendwas zu propagieren, aber mir gefällt an diesen Filmen, dass die Figuren wütend sind und nach Gerechtigkeit streben, in einer Welt, die voller Unrecht ist. Damit konnte und kann ich mich identifizieren. Weil ich selbst sehr wütend über viele Ungerechtigkeiten bin.

SB: Gehen wir noch mal einen Schritt zurück in Ihrer Entwicklung. Ihrer Biografie ist zu entnehmen, dass Sie als Architekt und Innendekorateur gearbeitet haben, bevor Sie zum Comic kamen.
Hermann: Schon, aber ich habe auch immer figürlich gezeichnet und hatte parallel zu meiner Arbeit schon eigene Comics entworfen. Ich habe die Seiten auch verschiedenen Verlagen angeboten, aber meine Arbeit war einfach noch nicht gut genug. Den ersten Schritt in Richtung Veröffentlichung habe ich meinem Schwager zu verdanken. Der hat mir ein Szenario für eine Pfadfindergeschichte geschrieben. Plötzlich war er also nicht nur mein Schwager, sondern auch mein Assistent. Wir haben uns in diesem kurzen Comic eigentlich eher über die üblichen Pfadfindergeschichten lustig gemacht, trotzdem wurde die Geschichte in einem dieser kleinen Pfadfinderbüchlein veröffentlicht. Greg, mein späterer Szenarist, sah diese Veröffentlichung und dachte sich: da ist noch einiges recht ungelenk, aber der Zeichner ist fähig Atmosphäre zu schaffen und einer Geschichte Leben einzuhauchen. So kam es 1964 zu meiner Zusammenarbeit mit Greg.

SB: Sie haben dann vor Ort in seinem Studio gearbeitet?

Hermann: Ja, und das war am Anfang wirklich nicht einfach. Denn so gut Greg auch in seiner Arbeit war, so schlecht war er als Lehrer. Jedes Mal, wenn ich einen Fehler gemacht habe, hat er einen dicken Stift genommen und direkt auf meiner Seite herum geschmiert. »Das ist doch alles Mist! Hier, so musst du das machen!« In so einem Ton hat er mit mir gesprochen. Und statt ein anderes Blatt zu nehmen, um mir zu zeigen, was ich besser machen könnte, hat er durch seine Korrekturen meine ganze Arbeit ruiniert. Ich hätte ihm da immer ins Gesicht schlagen können, da war ich wirklich sauer auf ihn. Das Ganze ging so zehn Monate lang, dann hat er damit aufgehört.

SB: Das klingt, als wenn die Zusammenarbeit mit ihm nicht immer sehr angenehm gewesen wäre.

Hermann: Am Anfang war es wirklich nicht leicht, aber nach einiger Zeit lief es doch ganz gut. Wir hatten ja auch von Anfang an Erfolg mit unseren Geschichten. Greg war natürlich auch ein sehr guter Texter, aber irgendwann hat er es nicht mehr geschafft, mich zu überraschen. Er hat seine Stoffe nur noch abgespult, wie eine Maschine. Dann kam auch der Punkt, wo er nicht mehr richtig Zeit für mich hatte. Er meinte dann: »Denk dir ein paar Kurzgeschichten aus, ich schreibe dann die Texte hinein«. Wir haben das auch so gemacht, aber als er mir die Seiten mit seinen Texten zurückgab, hat er etwas gesagt, was er lieber nicht hätte sagen sollen. Er meinte nämlich: »Deine Geschichten sind nicht schlecht, aber du wirst nie ein guter Szenarist werden«. Darüber habe ich mich sehr geärgert. Ich war der Meinung, dass er nicht das Recht hat, sowas zu sagen. Und ich wollte mir selbst beweisen, dass ich es doch kann. So fing ich mit JEREMIAH an. Später hat er anderen Leuten gegenüber zugegeben, dass er einen Fehler gemacht hat. Am Ende musste er also eingestehen, das ich Szenarien schreiben kann. Aber das hat eine ganze Weile gedauert. (lacht)

Weiter geht es natürlich in der Sprechblase 212.


Special vom: 18.08.2008
Autor dieses Specials: Bernd Frenz
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Auszug aus dem Interview mit Hansrudi Wäscher
Auszug aus dem Interview mit Mark O. Fischer
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