Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 477 Specials. Alle Specials anzeigen...

Ralf König: Die Anfänge
Wir befinden uns im Jahre 1981 n.Chr. Die ganze BRD ist von US-amerikanischen und frankobelgischen Comic-Helden besetzt ... Die ganze BRD? Nein! Eine winzige Zahl von unbeugsamen Zeichnern hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Der heute leider in Vergessenheit geratene Tomas Bunk mit seinen genialen "Karsten Dose Comics" gehört dazu, Franziska Becker ("Mein feministischer Alltag"), um die es inzwischen ebenfalls still geworden ist, und der unlängst verstorbene "Pardon"- und spätere "Titanic"-Zeichner Chlodwig Poth. Gerhard Seyfried legt 1981 mit "Invasion aus dem All-Tag" sein erstes Buch in Farbe vor, und Brösels erster "Werner"-Band erscheint. Ansonsten jedoch Ebbe, weitgehend jedenfalls. Denn langsam und fast unmerklich regt sich etwas im besetzten Land. Ambitionierte Magazine wie "Zomix, Hinz & Kunz" und "Blender" werden Sammelbecken für Zeichner wie Volker Reiche, Hansi Kiefersauer oder Tschap, die Edition Becker & Knigge gibt einen umfänglichen "Comic-Reader" heraus, der mit "Trucker" auch die erste Veröffentlichung von Matthias Schultheiss enthält.

Als ich Anfang 1981, zusammen mit Hartmut Becker und Paul Derouet, in Hannover Deutschlands erste altpapierfreie Comic-Buchhandlung eröffnete, galt mein Augenmerk vor allem den Arbeiten deutscher Zeichner. Unter den Publikationen, die ich regelmäßig ins Schaufenster stellte, war auch ein dünnes A4-Heft mit orangefarbenem Umschlag aus dem Verlag Rosa Winkel, über das ich damals in der COMIXENE notierte: "'Schwul-Comix' von Ralf König bietet eine Vielzahl lustiger Geschichten zum Thema Homosexualität, die Vorurteile gegenüber Schwulen aufzeigen und ad absurdum führen." Ein gesellschaftliches Tabuthema so schamlos, mit so viel Witz und völlig frei von Mitleids- und Betroffenheitsgesäusel anzugehen, das war absolut neu.

Und es war mutig in Zeiten des damals noch gültigen Paragraphen 175 und der Kießling-Affäre, „schwul“ galt als schlimmstes Schimpfwort. 1977 noch hatte der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung von Wolfgang Petersens Verfilmung des Romans "Die Konsequenz" von Alexander Ziegler abgebrochen und statt dessen hektisch einen Heimatfilm ins Programm geschoben, im Jahr darauf provozierte der "Stern" einen Skandal, als sich in seiner Titelstory „Wir sind schwul“ über 600 Männer namentlich und teilweise mit Bild outeten. Ralf König, der gerade sein Coming-out durchlebte, scherte das alles wenig, sein Motto hieß trotzig „Schwul zu sein bedarf es wenig, ich bin schwul und heiß Ralf König“.

Gleich drei Comics brachte er 1981 heraus, neben "Schwul-Comix" noch "Sarius" und "Das sensationelle Comic-Book", deren zwischen Naturalismus, Fantasy und Underground pendelnde Storys die Suche nach einem individuellen Stil demonstrieren. Heute rollt Ralf König mit den Augen, wenn man ihn auf seine ersten Arbeiten anspricht, um keinen Preis möchte er „diese Kritzeleien“ nachgedruckt sehen, „das wär mir absolut peinlich“. Doch bereits mit dem zweiten "Schwul-Comix"-Band hatte er zu seiner Stilistik und zu seinem Thema gefunden: Illu_mit_Regenbogenflagge.jpgPointierte, vom zeichnerischen Minimalismus Claire Bretéchers beeinflusste Kurzgeschichten, in denen er selbstironisch und zwerchfellerschütternd die schwule Subkultur porträtiert. Das „Gacker gacker“ seiner Figuren ist längst in den deutschen Sprachschatz eingegangen. Zwei weitere Alben sowie mit der Film-noir-Travestie "Kondom des Grauens" eine erste längere Erzählung folgten, blieben jedoch zunächst Szene-Geheimtipps.

Ich empfahl, es bei einem Publikumsverlag zu versuchen. Der Semmel Verlach sagte ab, Eichborn sagte ab und einige andere ebenfalls. Bei Rowohlt pfefferte eine Sekretärin die eingeschickten Comics Jürgen Volbeding auf den Schreibtisch, damals Herausgeber der Reihe „rororo mann“, um zu zeigen, was für unzumutbare Manuskripte sie immer wieder abzulehnen habe. Volbeding jedoch war von Ralf Königs schrillem Humor begeistert und regte einen umfangreichen Comic-Roman an. So entstand 1987 "Der bewegte Mann", der nicht nur gezeichnet ein Bestseller wurde, sondern sieben Jahre später auch als Verfilmung von Sönke Wortmann (die Til Schweiger den Durchbruch bescherte) mit 6,5 Millionen Zuschauern alle Rekorde brach und eine ganze Welle von Kinokomödien nach sich zog – ein Genre, das zuvor in Deutschland als DeMark-Grab gegolten hatte.

Den kompletten Artikel von Andreas C. Knigge kann man in COMIXENE 97 lesen.


Special vom: 15.10.2006
Autor dieses Specials: Andreas C. Knigge
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Ralf König: Die Comic-Interviews
Ralf König: Das Interview
Zurück zur Hauptseite des Specials


?>