Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 477 Specials. Alle Specials anzeigen...

Wir basteln uns ein erstes Heft
Silberpfeil_Ankuendigung_FE.jpgIch geb’s ja gern zu, die Überschrift mutet ein wenig merkwürdig an und klingt nach Manipulation. Letzteres gilt lediglich für kleine Textänderungen am Schluss, Ersteres trifft es allerdings recht gut. Aber blenden wir zurück ins Frühjahr 2005...

Zu diesem Zeitpunkt werden die Pläne für eine SILBERPFEIL-Sammlerausgabe bei mir langsam konkret. Die Verhandlungen mit BASTEI haben begonnen und ich muss mir ja nun auch überlegen, wie ich das Ganze aufziehen will. Dass es mit der chronologisch ersten Geschichte, die in FELIX schlicht mit „Silberpfeil, der junge Häuptling“ betitelt ist, losgehen würde, steht allerdings außer Frage, insbesondere auch die Tatsache, dass die deutschen Leser damit erstmals die bisher fehlende Bildseite 20 zu Gesicht bekommen werden.

Vom ersten Besuch, den Martin Hilland und ich Erwin Sels zwei Jahre zuvor abgestattet haben, weiß ich, dass er zumindest einen Teil der Originalseiten der Origin Story noch besitzt. Ohnehin steht eine weitere Fahrt an, da wir uns auch mit seiner Mutter Ingrid und seiner Schwester Danielle kurz treffen wollen (die dabei neu gewonnenen Erkenntnisse werden in Frank Sels’ Biographie ab Band 3 verarbeitet). Also geht es am 26. Mai erneut nach Antwerpen. Es ist Fronleichman, und wir hätten es aus leidvoller Erfahrung des ersten Besuches ja wissen müssen - in den Niederlanden und Belgien ist das kein Feiertag. Dementsprechend quälen wir uns bis Eindhoven wieder einmal durch den Stau...

Jedenfalls kann ich bei diesem Besuch Erwin Sels die vorläufige Planung präsentieren und auch die noch vorhandenen Seiten des ersten Bandes leihweise mitnehmen. Netterweise liegt Erwin sogar die abgeänderte FELIX-Version vor, die ich natürlich brauche. Erstes Problem: Es sind nicht alle Seiten vorhanden. Zweieinhalb von ihnen haben sich in den verstrichenen vier Jahrzehnten irgendwann in Luft aufgelöst, nämlich die Bildseiten 18, 20 und 29B, also der Schluss. Na, schön, die ersten beiden kann ich aus OHEE entnehmen, die Seite 29B muss dann eben aus FELIX gescannt, entfärbt und neu koloriert werden.

illu3.jpg

Zweites Problem: BASTEI kann es auch hier 1968 nicht lassen, dunkle Stellen und Nachtszenen aufzuhellen. Auf den Bildseiten 5B, 6 und 7 wird kräftig mit Deckweiß nachgeholfen, und zwar auf den Originalen. Ich kann mir in etwa den Tobsuchtsanfall ausmalen, den Frank Sels nach Erhalt seiner Seiten wahrscheinlich bekommen hat. Mit dieser Unsitte soll später auch noch Hansrudi Wäscher bei seinem BUFFALO BILL seine helle Freude haben...

Es hilft nichts, auch hier muss ich auf die Erstveröffentlichung in OHEE zurückgreifen. Der Druck ist zwar wie üblich unter aller Kanone, aber dank der modernen Technik kann ich das so gut ausgleichen, dass es nicht weiter auffällt. Damit wären dann alle Comicseiten komplett. Wer will und die FELIX-Hefte sein Eigen nennt, kann die bewussten Seiten ja gerne mal direkt vergleichen. Was in Farbe noch gar nicht mal so schlimm aussieht, treibt einem allerdings beim Anblick der retuschierten Originale die Tränen in die Augen.

Ein weiteres kleines Problem gibt es noch beim Text. Während die ersten 26 Seiten so gut wie unverändert geblieben sind, hat Frank Sels für die deutsche Ausgabe die letzten drei Seiten durch zwei neue ersetzt. Hier hat er allerdings lediglich die Textboxen und Sprechblasen eingefügt, ohne sie mit einem Text zu füllen. Der größte Teil der Geschichte ist daher vom Original neu übersetzt, für den Schluss habe ich auf den BASTEI-Text zurückgegriffen und diesen überarbeitet, das heißt, zum Einen Teile aus dem inhaltlich fast identischen Original einfließen lassen, zum Anderen selbst nachgetextet.

illu4.jpg Das betrifft insbesondere das letzte Panel im Heft. Es ist nämlich sehr auffällig, dass Kleine Antilope/Silberpfeil im ersten Band noch einen Dolmetscher braucht, um sich mit den Weißen zu verständigen, bereits im zweiten jedoch mit der englischen Sprache keine Probleme mehr hat. Wir nehmen daher an dieser Stelle mal an, dass er ein schlaues Kerlchen ist (was im Verlauf der Serie ja immer wieder bestätigt wird) und über ein gehöriges Sprachtalent verfügt. Und da sich die beiden Jungen während des wochenlangen Ritts nach Kalifornien mit irgendetwas beschäftigen müssen, wird das eben ein Sprachkurs sein, den Jimmy/Falk seinem späteren Blutsbruder verpasst. Ich denke, das ist so die logischste Lösung.

Ohnehin werde ich, wie man bereits an Band 2 sehen kann, immer wieder in den BASTEI-Text eingreifen, soweit mir das sinnvoll erscheint. Sofern ich eine flämische Vorlage habe, ist dieser Text natürlich maßgebend und der Band wird komplett neu übersetzt.

Aber zurück zu Band 1. Neben dem Comicteil gibt es noch ein weiteres Feld zu beackern, und das ist natürlich das Titelbild. Selbstverständlich gibt es für die OHEE-Ausgabe eins, nur passt das erstens nicht zu den übrigen und kann ich es zweitens schließlich nicht doppelt verwenden (für das FRANK SELS ARCHIV und SILBERPFEIL), weil das dann wohl zu einiger Verwirrung führen würde. Aber, Moment mal, da hab’ ich doch noch was in Erinnerung...

Ja, genau! SILBERPFEIL hat seinen ersten deutschen Auftritt in FELIX Band 534. Eine Woche vorher, in Band 533, findet sich eine entsprechende Ankündigung, und dort gibt es ein Bild, das den jungen Kiowa auf der Flucht vor einem Apachen zeigt, passend zum ersten Teil der Geschichte. Meine Erinnerung trügt mich hier nicht, wie ein Blick in meine Sammlung beweist. Das Bild gibt es. Und so klein es abgedruckt ist, es ist definitiv von Frank Sels. Doch halt...wieso ist es dann mit „Ingrid“ signiert?

Wer diesen Artikel aufmerksam gelesen hat, dem ist natürlich nicht entgangen, dass Frank Sels’ Gattin diesen Namen trägt. Damit löst sich auch das Rätsel, jedenfalls fast. Erwin bestätigt mir schon am Telefon, dass es sich um seine Mutter handelt, die hier „verewigt“ ist, und dass sein Vater das Bild gezeichnet hat. Warum er sich damals den Spaß erlaubt hat, es mit dem Namen seiner Frau zu signieren, das wissen jedoch weder Erwin noch Ingrid Sels. Allerdings findet sie es sehr amüsant, als ich es ihr zeige...

Dummerweise kann ich das Motiv aber nicht verwenden. Die kleine Abbildung, die ich auf dieser Seite bereits vergrößert habe, ist natürlich in dieser Form technisch nicht zu gebrauchen. Erwin Sels hat es ebenfalls nicht mehr vorliegen und erinnert sich überhaupt auch erst daran, als ich ihn darauf anspreche. Auch eine Suche im Archiv des BASTEI-Verlages bringt kein Ergebnis. Überhaupt hat der Verlag noch nicht einmal die Hefte aus dieser Zeit vollständig in seinem Bestand. Von Originalen oder Druckfilmen (was mir die Arbeit zum Teil sehr erleichtern würde) ganz zu schweigen. Damit bleibt mir tatsächlich nur, das Bild hier noch einmal in diesem Rahmen zu präsentieren und von Erwin Sels ein neues zeichnen zu lassen, so wie das auch für die Bände 2 bis 23 der Fall sein wird.

illu5.jpg Wer im Übrigen auch die originalgetreue Version aus dem FRANK SELS ARCHIV mit der SILBERPFEIL-Fassung vergleicht, dem wird auffallen, dass BASTEI eindeutig zensiert hat, beziehungsweise Frank Sels das in deren Auftrag selbst tun musste.

Da ist zunächst die Szene auf Bildseite 16, in der Schwarzer Bär den Zweikampf gegen den Assiniboin absolvieren muss. Während im Original dessen Säbel deutlich sichtbar und schmerzhaft in Schwarzer Bärs Schulter eindringt, sieht es in der Neufassung so aus, als würde er ihn lediglich „streicheln“. Das Bild ist auf den Originalseiten über das ursprüngliche drübergeklebt.

Die Änderung der Schlussseiten dürfte wohl zwei Gründe haben. Zum Einen schafft Frank Sels damit einen besseren Übergang zu den folgenden Geschichten (im Original finden die beiden Jungen die Ranch von Jimmys Eltern nämlich schon hier und Kleine Antilope bleibt dort). Der andere Grund ist auch hier sicher die Zensur. Während der gedemütigte Crow-Häuptling ursprünglich den Wachtposten nämlich mit dem Messer schlicht und ergreifend ersticht, bekommt der nun nur noch mit dem Knüppel eins übergebraten. Gustav Lübbe ist nicht umsonst immer stolz darauf gewesen, niemals mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Konflikt geraten zu sein.

Damit wäre der Ausflug in die Wick’sche Bastel- und die BASTEI’sche Zensurwerkstatt an dieser Stelle zu Ende. Ich denke, das Ergebnis hat sich gelohnt und stellt die alte FELIX-Fassung bei Weitem in den Schatten.


Special vom: 29.08.2006
Autor dieses Specials: Ulrich Wick
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Ein Klassiker kehrt zurück
Einzelne Schritte bei der Restaurierung
Leseprobe Heft 1
Und so geht es weiter...
Zurück zur Hauptseite des Specials


?>