Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 477 Specials. Alle Specials anzeigen...

Uli Oesterle
331867_STANDARD.jpg„Da mir die Geschichte sehr wichtig ist, sehe ich mich in der Tradition graphischer Erzähler. Ich versetze meine fiktiven Comicerzählungen teilweise mit autobiografischen Zügen, wie viele andere auch, habe dabei aber immer den Unterhaltungswert für den Leser im Hinterkopf. Nachdem sie meist relativ normal beginnen, gleiten meine Erzählungen an einem Punkt unweigerlich ins Mysteriöse oder Phantastische ab“, so beschreibt Uli Oesterle in eigenen Worten sein Werk. Seine Serie Hector Umbra – Der halbautomatische Wahnsinn, von der bei der EDITION 52 mit „Fern von Osaka“ der erste Band vorliegt, ist ein exaktes Abbild dieser Philosophie.

Zunächst gibt Oesterle in dieser Serie dem Leser reichlich Einblicke in den ganz normalen Wahnsinn des Großstadtalltags: Stadtstreicher, die scheinbar sinnfreies Zeug vor sich hin brabbeln, ältere Bewohner mit dem „Wachturm“ in der Hand und ein angesagter Tanzschuppen, in dem hippe Menschen Platten auflegen und noch hippere Menschen dazu ihre Gliedmaßen verrenken – Einblicke in München. Mit dem Fortlauf der Geschichte führt uns Uli Oesterle aber immer weiter weg von der Realität und lässt uns hinter die Fassade schauen. „Was das Schreiben anbetrifft, lasse ich mich sowohl von Comic (Alan Moore, Baru, Chris Ware etc.), Filmen, TV-Serien, Büchern und meinen eigenen Erlebnissen aus dem heimischen Umfeld inspirieren“, so Oesterle weiter.

Der harte klare Strich des Müncheners erinnert an die frühen Werke der Ligne Claire Zeichner. „Man vergleicht mich häufig mit Mignola, dessen grafischen Zeichenstil ich liebe, aber beeinflusst wurde ich anfangs eher von Serge Clerc, Daniel Torres, diversen U-Comix-Zeichnern, später von Charles Burns und schließlich von Jose Munoz, Bezian, Max Beckmann, George Grosz und unzähligen Schmierereien avantgardistischer Krakelkünstler“, erläutert Oesterle.

oesterle2.jpg Der erste Band von Hector Umbra ist zeitgleich in Deutschland, Frankreich und Holland erschienen und erhielt 2004 auf Anhieb eine Nominierung in Angouleme für das beste Debütalbum, eine Nominierung, die sicherlich nicht zuletzt auch durch das umtriebige Einwirken der EDITION 52 durch Thomas Schützinger beim französischen Partner-Verlag EDITION AKILEOS zustande gekommen ist.

Auch in Holland sorgte die EDITION 52 für eine Vermarktung der Serie durch den jungen holländischen Comic-Verlag SILVERSTRIPS, der den ersten Band mit Erfolg in den Niederlanden verlegte.

„Jedes Mal, wenn ich in Holland oder Frankreich signiert habe, wurde mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass überhaupt deutsche Zeichner existieren“, so Oesterle.

Dabei siedelt der Künstler den Stellenwert des deutschen Comics gar nicht so tief an: „Ich hasse dieses Wort, aber man kann durchaus von Aufbruchstimmung sprechen, sieht man sich die neue deutsche Zeichnerriege an. Thomas von Kummant, Mawil, Flix, Arne Bellsdorf, Jens Harder, Ulf K., Reinhard Kleist, ich selbst natürlich und so weiter. Und es werden jedes Jahr mehr!“

ato004.jpg Deutschland – Bonjour Tristesse
Geboren wurde Oesterle 1966 in Karlsruhe. Aber schon nach drei Jahren musste Klein-Uli seine Koffer packen und an die Isar ziehen. Bis heute ist er seiner bayerischen Heimat treu geblieben. Seine ersten Schritte in Richtung professionelles Zeichnen unternahm er 1984. Er besuchte damals für drei Jahre eine Graphikschule. Und nachdem ihn die Bundeswehr bereits wieder nach zwei Wochen vor die Kaserne gesetzt hatte, versuchte er sein Glück bei einer Werbeagentur – mit mäßigem Erfolg.

Bereits nach neun Monaten hieß es auch hier: „Tschüß Herr Oesterle!“ Aber von jetzt an ging es zeichnerisch ständig bergauf. Seine freiberufliche Tätigkeit für diverse Werbeagenturen und Verlage schaffte ihm ein wenig Spielraum, den er gleich mit Comiczeichnen zu füllen begann.

Ab 1989 veröffentlichte er Comic-Kurzgeschichten in verschiedenen Magazinen, Zeitungen und Zeitschriften. Oesterles Arbeiten erschienen u. a. in Panel, U-Comix, Kromix, Si-kartuun, Mogamobo, Strapazin, Comicstrich, Münchner Stadtmagazin, Prinz, Süddeutsche Zeitung und die Abendzeitung in München. Zwischen 1992 und 1996 ist er Redaktionsmitglied und Gestalter des Comicstrichs München. Ein kostenloses Comic-Magazin, das in Kneipen, Kinos, Theatern und auf Ausstellungen verteilt wird. Ende 1995 gründet Uli Oesterle gemeinsam mit fünf Illustratoren und Graphiker (T. Bäcker, M. Herold, B. Kiselicki, B. von Eckartsberg, U. Oesterle) zu "Die Artillerie" zusammen.

Trotz seiner insgesamt recht positiven Einschätzung des deutschen Comicmarktes, sieht Oesterle einige wesentliche Verbesserungsmöglichkeiten:

„Findige, engagierte Verleger sind notwendig, die Ahnung von Marketingkonzepten haben. Sie müssen den Markt beobachten und studieren, neue Wege ergründen, Comicbücher zu präsentieren und zu vermarkten, um so neue Leser für das Medium Comic zu gewinnen.“ Des Weiteren braucht man nach Uli Oesterle die Mitarbeit des Fach- und Buchhandels. Erste gute Zeichen sah er bereits in der Comicbibliothek der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Sie hebt den Comic aus seiner infantilen Nische in die intellektuellen Regionen des Feuilletons. Leider zeigt diese Bibliothek nur die bekannten Vertreter der Neunten Kunst. Vielleicht tut sich ja hier auch noch was. Das wäre wünschenswert“, so Oesterle.

Auch hier kann man Uli nur zustimmen und ihm wie vielen weiteren deutschen Comiczeichnern beruflich viel Glück, Anerkennung und noch mehr Erfolg wünschen.

Auf dem Erlangender Comic Salon 2006 vom 15. bis 18. Juni wird es neben den Werken von Ulf K., der hier in den SPLASHCOMICS schon gewürdigt wurde und auch anderen deutschen Zeichnern eine Ausstellung über Uli in der Heinrich-Lades-Halle geben unter dem Titel: „Urban Sounds“


Special vom: 23.05.2006
Autor dieses Specials: Bernd Hinrichs
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Calle Claus - Der Künstler der leisen Töne
Reinhard Sergio Kleist
Ulf K.
Jule K.
Alex Fechner und Miguel E. Riveros
Zurück zur Hauptseite des Specials


?>