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Was sind »Fumetti Neri«?
Die Wurzeln von »DYLAN DOG« sind in diesem typisch italienischen Comic-Genre der 60er-Jahre zu suchen, dessen erster und immer noch existierender Antiheld »Diabolik ist«. Der Titel: »Diabolik - Notte Magica«. Darüber klein: »Il G Giallo a Fumetti - Anno XL - N. 2«. Das bedeutet, es handelt sich bei dem aktuellen Heft um beinahe das fünfhundertste Heft einer Comicserie, die seit fast vierzig Jahren läuft! 1962 taucht in den italienischen Kioskauslagen zwischen Krimis und Sexheften eine Comic-Novität auf: »Il Fumetto del Brivido - Diabolik«. Untertitel: »Il Re del Terrore« (»Der König des Terrors«). Aus den Augenschlitzen der Gestalt im schwarzen Trikot fixieren den Leser stechend blaue Augen, die Ähnlichkeit mit dem französischen Krimi-Helden Fantômas ist unübersehbar.

Die Frau im Vordergrund schreit ein gellendes »Romanzo completto« heraus, und kosten tut das Ganze 150 Lire. Im Buch dann die ziemlich ungelenk gezeichnete Geschichte über Verfall und Zerstörung einer betuchten Familie, welcher der Kriminelle Diabolik mit fiesen Tricks und in diversen Maskeraden das Vermögen abzujagen versucht. Damit war die bösartige Hauptfigur einer bald unter dem Oberbegriff »Fumetto Nero« laufenden Comicserie geboren und der Held entwischte zum ersten von vielen hundert Malen dem pfeifenrauchenden Inspektor Ginko. Eine bewusste Pervertierung amerikanischer Superheldenmoral, welche dem Bösen nie den Sieg über das Gute zugesteht. Im »Fumetto Nero« werden, ähnlich wie in den Italo-Western, amerikanische Mythen demontiert. Einerseits überhöht man sie, auf der anderen Seite zieht man sie auf italienische Art und Weise stilsicher in den Dreck. Mit »Diabolik« hielt unmoralische Ambivalenz im Comic Einzug, was viele Leute irritierte. Bereits auf dem Titel des zweiten »Diabolik«-Booklets stand deshalb kleingedruckt: »Fumetto per adulti« (»Comic für Erwachsene«). In einem Werbetext empfahl der Verlag die Lektüre von »Diabolik« vor allem den Zugpendlern, die abends in die Vororte fuhren. Zur Entspannung!

»Diabolik« ist das Fumetto-Geschöpf zweier Frauen, der Schwestern Angela und Luciana Giussani. Vor allem die 1987 verstorbene Angela hat, zur Freude vieler italienischer Frauen, dem Bösewicht einen perversen Charme eingehaucht und ihn - besonders in den späteren Geschichten - mit einer komplexen Psyche versehen, die die Figur bis heute am Leben erhält. Und wie »Diabolik« lebt! Luciana findet zwar 1995 anlässlich eines Interviews die Frage nach der aktuellen Auflage indiskret, spricht aber durch die Blume von rund einer Million monatlicher Leser. Und wie kamen die Schwestern Giussani zu ihrer »Fumetto«-Innovation? »Meine Schwester Angela war mit dem Verleger Sansoni verheiratet, konnte aber mit einem Hausfrauendasein nichts anfangen«, erzählt Luciana Giussani, »also gründeten wir den kleinen Verlag »Astorina«. Nach erfolglosen Übernahmen amerikanischer Serien entschlossen wir uns, eine eigene Figur zu erfinden. Wir versuchten, einen Erwachsenencomic zu kreieren. Meine Schwester ließ sich für Diabolik, der eigentlich ihre Erfindung ist, von den Klassikern der schwarzen Literatur und von »Fantômas« inspirieren. Äußerlich ist Diabolik dem Hollywoodstar Robert Taylor nachempfunden. Wir schufen einen negativen Helden, einen Kriminellen, der der Polizei immer wieder entwischt - nicht zuletzt deshalb, weil die Serie ja weiterzugehen hatte!«

1968 wird in »Diabolik, chi sei?« (»Diabolik, wer bist du?«) der Schleier über Diaboliks Herkunft gelüftet. Als Kind einziger Überlebender eines Schiffbruchs, wird Diabolik von einer Gangsterbande auf eine Insel gerettet, erfährt dort die Erziehung zum Verbrecher und zieht nach der Ermordung seiner Lehrmeister als Einzelkämpfer durch die Welt. Kein Superheld, der mangelnden Grips durch übermenschliche Kräfte ersetzen muss, besitzt Diabolik jedoch die Fähigkeit, sich mittels chemisch hergestellter Masken in andere Leute zu verwandeln. Bereits in der dritten Ausgabe begegnet Diabolik der Witwe Eva Kant. Sie wird ihn von nun an - Diabolik ist zwar ein Verbrecher ohne jedes Moralempfinden, als Liebhaber jedoch monogam - begleiten und ihm beim Morden und Brandschatzen zur Hand gehen. Diabolik und Eva leben heute in einer komfortablen Villa, fast wie ein großbürgerliches Paar, wären da nicht die dunklen Urtriebe. Seine Treue wird übrigens gerade in der anfangs erwähnten aktuellen »N. 2 /Anno XL« auf die Probe gestellt: Diabolik begeht aus reiner Neugier eine Nacht lang mit einer Magierin Einbrüche, die sich in ihn verliebt hat. Eva bleibt Zuhause, sehr eifersüchtig. In »Notte magicax« lässt sich übrigens gut die heute qualitativ durchaus ansprechende Optik der Serie studieren. Sicherer Strich und oft rasante Schnitte. Gemordet wird in den neueren Geschichten nur noch, wenn es absolut unumgänglich ist. Diabolik stellt sich auch immer wieder in den Dienst der Schwachen und verteidigt Unterprivilegierte. Luciana Giussani: »Wir reflektieren und verarbeiten oft Aspekte des italienischen Alltags, in welchem sich zum Beispiel Probleme mit der Mafia oder dem Feminismus stärker bemerkbar machen, als anderswo«. »Diabolik« wurde natürlich schnell nachgeahmt, zur Blütezeit gab es über 60 »Fumetti Neri«! Als wichtigste folgen 1964 »Kriminal« und »Satanik« von Magnus/Bunker, die qualitativ weit über dem Umfeld stehen. Das Umfeld wird von »Sadik«, »Vamp«, »Spettrus«, »Rocambol«, »Makabar«, »Infernal«, »Messalina«, »Poppea« und einer unendliche Anzahl weiterer Serien bestritten.

»DYLAN DOG« stellt in mancher Hinsicht die Quintessenz der »Fumetto Nero«-Tradition dar!


Special vom: 29.03.2001
Autor dieses Specials: Hans Keller
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Sergio Bonelli, der Verleger
»DYLAN DOG«-Schöpfer Tiziano Sclavi
Die Zeichner
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