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Dr. Erika Fuchs

Dem Ingeniör ist nichts zu schwör

Eine kurze Biographie von Dr. Erika Fuchs

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Dr. Erika Fuchs

Sie lehrte die Mäuse und Enten die deutsche Sprache, zeitweise übersetzte sie sämtliche Disney Comics, die bei Ehapa veröffentlicht wurden: Dr. Erika Fuchs war eine der ganz Großen in der deutschen Comicszene. Ihr Stil ist bis heute eine Messlatte für neue Übersetzungen, die aber nur selten erreicht wird. Und wenn ein Verlag von ihr übersetzte Comics neu herausbringen möchte, ist eine der ersten Fragen aus der Fangemeinschaft, ob auch die Fuchs'schen Texte unangetastet bleiben. In den Augen einiger ist ihre Arbeit sogar besser als das englische Original.

Dabei war die "Große Dame des Entenhumors" (Disney) mehr oder weniger zufällig zum Übersetzen von Comics gekommen. 1906 in Rostock als Erika Petri geboren, zog sie mit ihrer Familie bald nach Schlesien und später nach Hinterpommern. 1921 gelang es Erika Petri und einer Freundin, am städtischen Knabengymnasium aufgenommen zu werden. Das sorgte für einen Eklat im Stadtrat und konnte nur mit Hilfe der sozialdemokratischen Fraktion überhaupt durchgesetzt werden. Später studierte Erika Petri in Lausanne, München und London Kunstgeschichte mit Archäologie und mittelalterliche Geschichte als Nebenfächern. In ihrer Promotionsarbeit beschäftigte sie sich mit dem Barok-Bildhauer Johann Michael Feichtmayr, wofür sie mit "magna cum laude" bewertet wurde. 1932 heiratete sie den Fabrikanten Günter Fuchs, ein Jahr später ließ sich das Paar in Schwarzenbach an der Saale in Oberfranken nieder.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Erika Schwarz, für die Zeitschriften „Story“ und „Reader's Digest“ Kurzgeschichten und Artikel zu übersetzen. Im Jahr 1951 wollte sie in der Stuttgarter Redaktion des Reader's Digest eigentlich nur nach neuen Aufträgen fragen, aber dort war man gerade auf der Suche nach einem Chefredakteur für das neugegründete deutsche Micky Maus Magazin. Zu dieser Zeit liefen auch in Deutschland Eltern und staatliche wie kirchliche Jugendschützer gegen die „Schundliteratur“ Comic Sturm. Um diese Bedenken zu zerstreuen, sollte im Impressum des neuen Magazins am besten jemand mit einem Professor-Titel als Chefredakteur verzeichnet sein. So jemand war allerdings gerade nicht greifbar, also nahm man mit der Kunsthistorikerin Dr. Erika Fuchs vorlieb...

Die hatte zunächst einige Bedenken, ob die Comics in Deutschland Erfolg haben könnten. Sie selbst hatte vorher noch nie Comics in der Hand gehabt, so etwas war praktisch völlig neu für das deutsche Publikum. Aber die Herren vom extra für das neue Magazin gegründeten Ehapa Verlag konnten Erika Fuchs überreden, einige Probeübersetzungen zu machen, die man den Leuten vom Disney-Konzern zeigen wollte. Und prompt wurde Micky Maus ein großer Erfolg, und die skeptische Chefredakteurin hatte ihr Wirkungsfeld gefunden. Dabei übte sie den Chefredakteursposten nur kurze Zeit aus, weil sich bald Gutenberghus (die Mutergesellschaft von Ehapa, heute Egmont) um die Zusammenstellung der Micky Maus Hefte kümmerte. Also konzentrierte sich Erika Fuchs auf die Übersetzungen der Geschichten. Bis 1972 übersetzte sie praktisch alle Disney-Comics aus dem Hause Ehapa, danach konzentrierte sie sich auf die kongenialen Geschichten der wohl berühmtesten Entenzeichners Carl Barks. Insbesondere diese Kombination, Barks-Comic mit Fuchs'scher Übersetzung, wurde zur Legende.

Als Günter Fuchs 1984 starb, zog Erika Fuchs nach München. Im Laufe der Zeit ließ ihr Augenlicht immer weiter nach, so daß sie 1988 ihre Übersetzerarbeit beenden mußte. Aber als bei Ehapa Anfang der Neunziger die Barks Library mit bisher unübersetzten Geschichten des genialen Entenzeichners geplant wurde, ist auch Erika Fuchs als Übersetzerin des neuen Materials wieder mit dabei. Etwa zur Jahrtausendwende zog sich Erika Fuchs endgültig in den Ruhestand zurück.

Ihre Arbeit hat Erika Fuchs nicht nur prominente Fans von Reinhard Mey bis zum "Ärzte"-Sänger Farin Urlaub eingebracht, sondern auch mehrere Preise. 1991 nimmt Gottfried Heinwein sie in seine Galerie der seiner Meinung nach 48 wichtigsten Frauen des Jahrhunderts auf. 1994 erhielt sie die „Morenhovener Lupe“ der Stadt Morenhoven. Unter anderem Elke Heidenreich und Konrad Beikircher hielten die Laudatio auf die Preisträgerin, die für die Sprachpflege im Mikrokosmos Entenhausen geehrt wurde. Vier Jahre später folgte der Deutsche Fantasy-Preis, und 2001 wird Erika Fuchs der renommierte Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim verliehen, außerdem der Sonderpreis der Heimito-von-Doderer-Gesellschaft.

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Dr. Erika Fuchs mit Carl Barks

1996 erschien beim Verlag Dreidreizehn sogar „Das Erika Fuchs Buch“, das inzwischen zum gesuchten Sammlerobjekt geworden ist. Der Einfluß, den ihre Texte auch auf die deutsche Sprache hatten, wird an einer Stelle besonders exemplarisch deutlich: Bei lautmalerischen Verben wie "Ächz" oder "Hust" war es schon länger üblich, das Verb auf den Wortstamm zu kürzen. Erika Fuchs wandte diese Prinzip auch auf andere Verben an, und heute begegnen uns nicht nur in Internet-Chats praktisch ständig Dinge wie "schnellweckduck", "kopfschüttel" oder "blätter". Für diese neue grammatikalische Form beginnt sich langsam der – zuerst scherzhaft gemeinte – Begriff des "Erikativ" durchzusetzen, als kleine Hommage an Erika Fuchs.

Am vergangenen Freitag, den 22. April 2005, verstarb Dr. Erika Fuchs im Alter von 98 Jahren in München.



Special vom: 25.04.2005
Autor dieses Specials: Henning Kockerbeck
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Romano Scarpa - Biografie
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