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Auszüge des Interviews mit Zep
Bild_1.jpgCOMIXENE: Warum hast du „Tanja heiratet“, den neusten Band von "Titeuf", erstmals als albenlange Geschichte konzipiert?
Zep: Die Leser wünschten sich dies schon seit Jahren. Sie fanden, Titeuf habe ein Recht darauf, als ob es sich dabei um eine Beförderung handle. Da dies aber nicht meine natürliche Art zu schreiben ist, habe ich es nie getan. Beim zehnten Album bekam ich jedoch Lust, mal etwas Neues auszuprobieren.

CX: Wie war für dich diese neue Art zu arbeiten?
Zep: Viel länger und komplizierter. Mit Onepagern fällt es mir leichter, den Arbeitstag zu zerstückeln. Bei einer langen Geschichte muss ich mich jedoch lange auf denselben Stoff konzentrieren können. Allein schon meine familiäre Situation erschwert diese Arbeitsweise. Hinzu kommt, dass sie mir einfach weniger entspricht. Ich bin definitiv ein Kurzstreckenläufer. Ich kann sehr schnell auf Situationen reagieren, das macht mich zu einem guten Gagschreiber. Eine lange Story zu schreiben, langweilt mich hingegen rasch. Mir gefällt, dass ich bei jedem "Titeuf"-Onepager ein neues Thema anpacken kann. Als ich einmal zwei ganze Alben zu je einem Thema zeichnete - "Les Filles Éléctriques" und "L'Enfer des Concerts" - machten mir die ersten zehn bis fünfzehn Seiten Spaß, danach hätte ich am liebsten etwas anderes begonnen. Aber ich musste beim Thema bleiben, um ein ganzes Album füllen zu können. Wenn ich an einem "Titeuf"-Album arbeite, kann ich eine Geschichte über den Krieg machen, eine über die Liebe, eine über Neid etc. So langweile ich mich nie. Die albenlange Geschichte „Tanja heiratet“ fand ich ziemlich seltsam, weil ich sechs Monate lang eine Geschichte zeichnete, die ich schon kannte.


CX: Hast du diese Geschichte auch gemacht, um sie für ein Filmdrehbuch zu verwenden?
Zep: Nein. Für einen langen Kinofilm müsste man wieder eine andere Geschichte entwickeln. Mir ging es bei dem Album vielmehr auch darum, herauszufinden, ob ich überhaupt dazu fähig bin, eine lange Geschichte zu machen. Im Vorfeld habe ich mir viel Zeit genommen, all die Comics wieder zu lesen, die mir einst so gefielen. Ich wollte sehen, wie sie gemacht waren. Ich hatte sehr schöne Erinnerungen an "Spirou". Als ich die Bände von Franquin wieder las, musste ich feststellen, dass es eigentlich sehr wenige Szenen gibt, in denen wirklich etwas passiert. Aber die Art, wie sie gemacht sind, packt einen dermaßen, dass man unbedingt weiterlesen will. Zudem fand ich heraus, dass Peyo eine sehr instinktive Art zu schreiben hatte, die sehr einfach war. Seine Serie "Johann und Pfiffikus" ist einsame Spitze. Ich glaube, als Peyo klein war, erzählte er auf dem Schulhof Geschichten, und alle hörten ihm gespannt zu und vergaßen dabei die Zeit. Als ich klein war, erzählte ich Witze, und man hörte mir eine Minute lang zu.

CX: Auch in „Tanja heiratet“ sieht man deine Vorliebe für Onepager noch.
Zep: Ja, es gibt gewisse Szenen, die fast wie Onepager aufgebaut sind.


CX: Wie wirst du mit Titeuf weiter verfahren?
Zep: Ich werde wieder Onepager machen. Aber ich denke, dass ich schon bald auch wieder eine albenlange Geschichte machen möchte. Für mich war "Das große Piephahn-Lexikon" auch eine gute Art, auf ein bestimmtes Thema näher einzugehen - in diesem speziellen Fall in Form von Cartoons. Cartoons, Strips und albenlange Geschichten haben eine ganz andere Sprache. Je kürzer die Form, desto mehr entspricht sie mir. Ich würde nie einen 500-seitigen Comicroman mit Titeuf machen. Hingegen hätte ich große Lust, einmal etwas Improvisiertes zu zeichnen. Je länger die Geschichte, desto konstruierter ist sie.

CX: Wer „Tanja heiratet“ liest, hat tatsächlich manchmal das Gefühl, die Geschichte sei zu konstruiert. Bei deinen Onepagern hat man dieses Gefühl nie.
Zep: Ich habe einfach noch zu wenig Übung in Sachen lange Geschichten. Dennoch fand ich es interessant, weil es mir erlaubte, gewisse Aspekte der Figur zu entwickeln, die in den Onepagern nicht möglich sind. Zudem konnte ich gewisse Nebenfiguren mehr in den Vordergrund rücken. Jakob, zum Beispiel, oder den Cousin von Tanja. Bisher erfüllten solche Nebenfiguren einfach den Zweck, auf Titeuf zu reagieren. Nun konnten sie erstmals eigenständige Persönlichkeiten werden. Ich genoss es auch, mit Momenten der Stille zu spielen oder Gedanken und Träume zu inszenieren. In solchen Szenen werden sich die Figuren bewusst, was mit ihnen passiert. In Onepagern, wo man vielleicht zehn Panels zur Verfügung hat, kann man so etwas nicht machen. Da muss jedes Panel die Handlung vorantreiben. In einer langen Geschichte zeigt man auch viel mehr Details der Handlungsorte, zum Beispiel in was für einer Straße eine Figur wohnt. Im Onepager ist das völlig unwichtig. Das erste Panel muss bloß eine Situation klar machen, dann läuft die Kurzgeschichte ab. In einer langen Geschichte wird all dies wichtig. Man muss zeigen, zu welcher Tages- und Jahreszeit sich etwas abspielt. Wechselt die Szene, muss man beim Kolorieren auch den Farbton wechseln und diesen dann für die ganze folgende Szene beibehalten. Hier ist die Farbe ein narratives Element, beim Onepager allenfalls ein rhythmisches. Das sind lauter technische Aspekte, die ich spannend finde. Bei Onepagern habe ich meinen Erzählstil gefunden, bei langen Geschichten fühle ich mich noch als Lehrling, der die Profis studiert.


CX: Hast du Lust, eine albenlange Geschichte mit anderen Figuren zu machen?
Zep: Ja, ich habe bereits eine solche Story in Vorbereitung, kann aber noch nicht viel dazu sagen. Ich zeichne ständig in irgendwelche Skizzenbücher, unter anderem Szenen eines autobiografischen Comics. Diese Szenen sind stark improvisiert. Gewisse Themen, die mich interessieren, tauchen immer wieder auf. Auf der Basis dieses Materials möchte ich einmal ein Album realisieren.

CX: Wie haben die Leser auf den neuen Titeuf reagiert?
Zep: Die meisten Kinder ziehen die albenlange Story den Onepagern vor. Kinder lieben es eben, sich in einer Geschichte zu verlieren und diese immer wieder von neuem zu lesen. Ein Erwachsener liest ein Comic-Album nur einmal. Außerdem hat er oft nicht die Zeit, ein Album in einem Zug durch zu lesen. Da kommen ihm Onepager sehr entgegen. Die Erwachsenen bevorzugen also die Gags.

CX: Wie haben die Medien reagiert?
Zep: Kritik im herkömmlichen Sinn gab es kaum. Obwohl gewisse Journalisten Kopien des Albums drei Monate im voraus erhielten, stellten sie mir hinterher Fragen, die darauf hin deuteten, dass sie es gar nicht gelesen hatten. Vermutlich wussten sie nicht einmal, dass "Titeuf" vorher eine Gag-Serie war. Das gilt natürlich nicht für die Journalisten der Comic-Fachmagazine. Dort gab es sowohl positive als auch negative Reaktionen auf die albenlange Geschichte.

Das Interview wurde von Reto Baer geführt und wird in der kompletten Fassung in COMIXENE 83 veröffentlicht, die am 10. März erscheint. Die Serie "Titeuf" erscheint auf Deutsch bei Carlsen. Da sie mit Band 0 beginnt, stimmt die Nummerierung nicht mit der französischen Originalausgabe überein.


Special vom: 01.03.2005
Autor dieses Specials: Comixene / Reto Baer
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Zep – Die Biographie
Schweizergarde
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