Optionen und weiterführende Links



In der Datenbank befinden sich derzeit 477 Specials. Alle Specials anzeigen...

Interview mit Christian Turk
Christian Turk

Christian Turk begann seine professionelle Zeichner-Laufbahn mit Titelbildern zu Romanen wie Wolfgang Hohlbeins "Kevin von Locksley" und Illustrationen für Deutschlands erfolgreichstes Fantasy-Rollenspiel "Das Schwarze Auge". Seine erste Comic-Veröffentlichung, "Gitta Goblinson", erschien 1998 bei der Ideenschmiede Paul & Paul (IPP). Danach zeichnete Turk mehrere Ausgaben der Serie "Die Vergessenen", die ebenfalls bei IPP erschien. Sein aktuelles Projekt, die Fantasy-Serie "Shayazur", erscheint bei Carlsen Comics.
SPLASH:
    Wie hast Du Carlsen dazu bekommen, Dein neues Projekt zu veröffentlichen? Erpressung, Hypnose, einen Onkel in der Chefetage?
Chris:
    Hey, ist der Comic so schlecht, dass ich das nötig hätte? Ehrlich gesagt, ich habe natürlich eine Menge Leute gegeneinander ausspielen müssen und bin dabei auch über die eine oder andere Leiche gegangen, aber letztendlich hat es Carlsen wohl einfach gefallen. Ich hatte das Projekt bereits an mehrere Verlage geschickt, und eigentlich mehr mit dem Interesse eines kleinen Verlages gerechnet. Lange Zeit passierte dann überhaupt nichts, und als Antje Gürtler, die die Seiten irgendwo in den tieferen Sedimentschichten bei Carlsen entdeckt hatte, sich meldete, hatte ich das Projekt eigentlich schon abgehakt.
SPLASH:
    Wie war die Zusammenarbeit mit den Carlsen-Leuten bei der Produktion des ersten Bandes? Hat man Dich als relativen Newcomer stark an die Hand genommen?
Chris:
    Eigentlich habe ich mich eher über das blinde Vertrauen gewundert, das man mir entgegenbrachte. Natürlich unterstützt Antje mich tatkräftig dabei, ein stimmiges Skript zu entwickeln, aber sonst lässt man mir wirklich sehr viel Freiheit. Die Betreuung ist aber wirklich klasse.
SPLASH:
    Zwecks Promotion hast Du letzten Monat im Rahmen der "Carlsen Fantasy Tour 2003" in der Buchhandlung Bouvier in Bonn signiert. Was war das für eine Erfahrung? Standen die Leute Schlange oder haben sie das Ganze eher argwöhnisch aus sicherem Abstand beäugt?
Chris:
    Das Publikum in den Buchhandlungen unterscheidet sich schon sehr von den Leuten, die man auf Messen oder in Comicshops trifft. Die meisten beäugen einen doch eher aus der Ferne. Inwieweit dieses Experiment, die Comics auch in Buchhandlungen salonfähig zu machen, gelingt, wird sich noch zeigen.
SPLASH:
    Auf der Frankfurter Buchmesse durftest Du neben anderen Carlsen-Zeichnern, wie Joscha Sauer, Dirk Schulz, Ralph Ruthe und Flix, auch den Zeichenstift schwingen. Wie war die Atmosphäre im Comic Zentrum?
Chris:
    Sehr familiär und angenehm. Unsere Arbeiten sind so unterschiedlich, dass da erst gar kein Konkurrenzkampf auftritt. Comiczeichner hierzulande sind ja sehr umgänglich und allürenfrei, wahrscheinlich, weil der hiesige Markt ihnen nicht genug Gelegenheiten bietet, abzuheben! Ich glaube, diese offene Atmosphäre hat sich auch auf das Publikum übertragen, das ja zahlreich gekommen war.
SPLASH:
    Sprechen wir mal vom Comic selbst. In "Das Geheimnis des Schildkrötenklans", dem ersten Band von "Shayazur", bekommt es der Leser mit einer fremdartigen Gesellschaft von Tiermenschen zu tun. Woher stammte die Inspiration dazu?
Chris:
    Ich habe lang überlegt, mit welchen Metaphern ich gerne arbeiten würde, um die mir wichtigen Themen im Comic rüberzubringen. Was mich sehr interessiert ist die Natur des Menschen und seine Verbindung zu seiner Umwelt. Wir sind heute sehr weit von einem natürlichen Leben entfernt, und irgendwie geht es in meinen Geschichten immer um diese Sehnsucht nach dem Ursprünglichen. In "Gitta Goblinson" waren es die Kobolde und Elfen, Naturgeister sozusagen, die diesen Brückenschlag versinnbildlichten. Bei "Shayazur" stehen die Kinta als Tier-Mensch-Mischwesen für diese Einheit von Kultur und Natur. Tiere haben ja auch eine lange Vergangenheit als Figuren in Romanen, Märchen und Fabeln. Sie stehen letztlich für verschiedene Menschentypen. Und es macht großen Spaß, sie zu zeichnen.
SPLASH:
    Du bist laut Carlsen-Info ein großer Fan von Animationsfilmen und "Das Geheimnis des Schildkrötenklans" spiegelt das auch auf jeder Seite wieder. Welcher Zeichentrickfilm ist Dein absoluter Favorit?
Chris:
    "Das letzte Einhorn". Du hast jetzt wohl einen Disney-Film erwartet. Ich mag den Stil von Disney sehr, aber die letzten Filme waren mir einfach zu platt. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir doch ein guter ein: "Lilo & Stitch". Computeranimierte Filme wie "Ice Age" finde ich absolut schrecklich. Ich kann mich einfach nicht an diesen glatten Plastiklook gewöhnen. Die Viecher sehen alle aus wie Action-Figuren. Besonders die eckigen Stoßzähne des Mammuts haben mich echt aggressiv gemacht.
SPLASH:
    Wie lange arbeitest Du an einer Ausgabe von "Shayazur"?
Chris:
    Ewig. Anders als bei reinen Tuschezeichnungen habe ich bei Shayazur im Grunde nie das Gefühl mit einer Seite wirklich fertig zu sein. Beim ersten Band habe ich ca. ein Dreivierteljahr für die eigentliche Arbeit gebraucht. Von dieser Arbeitszeit gehen 5% in die Geschichte, 20 % in Entwurf und Vorzeichnung und 75% in die §!#* Kolorierung!

SPLASH:
    Das Ergebnis kann sich aber auch wirklich sehen lassen. Dein Zeichenstil hat sich seit "Gitta Goblinson" ja um einiges weiterentwickelt. Hast Du mittlerweile einen Punkt erreicht, an dem Du sehr zufrieden mit Deiner Arbeit bist oder kann man das als Zeichner gar nicht sein?
Chris:
    Witzig, dass alle eine solche Weiterentwicklung sehen. Mir entgeht das irgendwie. Nein, wirklich zufrieden bin ich selten. Aber ich nehme das nicht mehr so ernst wie früher, als ich mich stundenlang darüber aufregen konnte. Das Problem ist, dass das Bild auf dem Papier meist anders aussieht, als das im Kopf. Der Leser weiß das nicht, und deshalb kann er es viel neutraler sehen.
SPLASH:
    Wer sind Deine Vorbilder und Inspirationen in- und außerhalb des Comic-Business?
Chris:
    Im Comic-Business sind es vor allem Leute, die ihr eigenes Ding durchziehen, wie Wendy Pini, Jeff Smith, Charles Vess. Meine Vorbilder sind größtenteils Amerikaner, aber ich finde auch z.B. Crisse ganz gut. Ich mag auch einige Illustratoren, zum Beispiel Brian Froud und Frank Frazetta. Vorbilder außerhalb des Comic-Business? Ich würde sagen George Lucas gehört dazu, und ebenso der Dalai Lama. Einen Großteil meiner Inspiration beziehe ich aus Musik. Ohne Tori Amos sähe meine Welt wohl anders aus. Während der Arbeit an "Shayazur" habe ich aber pausenlos R&B und Country gehört. Ich hoffe das sieht man dem Comic nicht an.
SPLASH:
    Wie sehen neben der Weiterführung von "Shayazur" Deine zukünftigen (Comic-) Pläne aus?
Chris:
    Ich würde gern Gitta Goblinson neu zeichnen und als Album herausbringen. Ich spiele auch mit einer Science-Fiction-Idee, für die ich allerdings viel Zeit bräuchte. So circa 20 Jahre.



Special vom: 10.12.2003
Autor dieses Specials: Andreas Völlinger
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Zurück zur Hauptseite des Specials


?>