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Comic-Besprechung - Das falsche Geschlecht

Geschichten:
Das falsche Geschlecht
Autor / Zeichner / Colorist: Chloe Cruchaudet


Story:
Paul kann die Schrecken des Ersten Weltkrieges nicht mehr ertragen und wird zum Deserteur. Es gelingt ihm bei seiner Frau Louise unterzukommen. Doch das Gefangensein in einem Zimmer lässt ihn fast durchdrehen und so entschließt er sich, als Frau verkleidet, einen Job zu suchen. Mit der Zeit gefällt es ihm mehr und mehr als Frau zu leben, ihn aber in Gefahr bringt.


Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:
Kleider machen Leute. Das ist eine Binsenweisheit. Man sollte es viel eher so formulieren: Kleider schaffen eine neue Rolle. In der Psychologie gibt es die Theorie, dass ein Individuum je nach Kontext und sozialer Situation eine bestimmte Rolle spielt und seine Persönlichkeit danach ausrichtet. Demnach kann man im Grunde nur dann man selber sein, wenn man für sich alleine ist. Es ist natürlich logisch, dass man sich bei der Arbeitsstelle anders gibt, als wenn man in seinem Sportverein aktiv oder mit seiner Familie zusammen ist. Die Verhaltensweisen sind jeweils andere und man passt sich teilweise unbewusst dem sozialen Kontext an, um dazu zu gehören.

Doch können solche Rollen auch von außen herangetragen werden, wozu Kleidung passt oder man sich selber welche sucht, um in einen anderen Charakter zu schlüpfen. Die meisten dürften das aus dem Karneval kennen, weswegen man da auch etwas enthemmter ist, da die Maske und die damit nicht vorhandene Persönlichkeit einen gewissen Schutz gibt.

Doch in Das falsche Geschlecht geht es auch darum, das man mit den verschiedenen Rollen nicht immer klarkommen kann. Schon in den ersten Panels wird das Thema schön vorgegeben: ein bieder aussehender älterer Mann entkleidet sich und zieht eine Richterrobe an. Da wird man nicht nur auf die nächsten Szenen vorbereitet, sondern sieht, wie jemand eine Rolle und damit auch eine Funktion einnimmt. Kurz darauf wird das wieder aufgegriffen, indem die beiden späteren Helden der Erzählung, die übrigens auf wahren Ereignissen beruht, sich jeweils auf einen Tanzabend vorbereiten, überlegen was sie anziehen sollen und wie sie riechen. Für den Abend planen sie Gesten und Verhaltensweisen, um das andere Geschlecht anzuziehen. Sie bereiten sich auf eine Rolle vor und geben gleichzeitig das Fundament für die Geschichte und eine Identifikation für den Leser. Äußerst geschickt und mit ungeheurer Leichtigkeit werden hier schon die verschiedensten Aspekte miteinander kombiniert und die graphische Gestaltung geht mit dem Inhalt und der Aussage eine wunderbare Liaison ein.

Doch der Held Pierre muss bald seine Rolle als Liebhaber und Ehemann aufgeben, da der Erste Weltkrieg ausbricht und er als Soldat an der Front eingesetzt wird. Was natürlich die nächste Rolle ist. Er wird verwundet, desertiert und als Schutz vor Entdeckung verkleidet er sich als Frau was ihm zunehmend gefällt. Aber er kommt mit all den verschiedenen Rollen nicht klar und verliert sich zusehends in ihnen. Alle drei Identitäten miteinander zu vereinen, Soldat, Mann und Frau, schafft er nicht. Merkwürdigerweise bleibt die Rolle der Ehefrau teilweise doch relativ undurchsichtig und man fragt sich als Leser warum sie bei ihrem Ehemann bleibt und sich manches gefallen lässt. Sicher, sie liebt ihren Mann, aber die Belastung, derer sie ausgesetzt ist, ist stark genug um die Liebe zu zerstören. Deswegen ist auch nicht alles nachvollziehbar, aber doch sehr spannend und sensibel erzählt ohne das Transvestitentum zu verurteilen.

Hier ist auch weniger ein bestimmtes Publikum angesprochen, sondern es wird der Lebenshunger gezeigt, welche die verlorene Generation, also die Überlebenden des Ersten Weltkrieges, verzehrte, die Offenheit der damaligen Gesellschaft, was relativ zu sehen ist, aber eben die Unvereinbarkeit mancher Rollen in einer Person.

Graphisch ist das alles äußerst hervorragend erzählt. Je enger die psychische Situation etwa jeweils wird, desto schwärzer werden die Konturen und in einem Moment des absoluten Glücks fallen alle Panelgrenzen und Seitengrenzen weg und die Figuren schweben ungehindert über das Papier. Aber auch Splashpanels werden eingesetzt und geben bestimmten Situationen, die als Wendepunkte fungieren, ihre besondere Gewichtung.


Fazit:
Ein Meisterwerk. Inhalt, Form und Aussage gehen mit Leichtigkeit eine wahre Symbiose ein und sind nicht voneinander zu trennen. Zudem wird schön herausgearbeitet wie sich Menschen in ihren Rollen verlieren können.

Das falsche Geschlecht - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Das falsche Geschlecht

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Avant Verlag

Preis:
€ 24,95

ISBN 10:
3945034086

ISBN 13:
978-3945034088

160 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Einheit Story, Graphik, Aussage
  • graphische Umsetzung
  • Rollenpsychologie
Negativ aufgefallen
  • manche Handlungen nicht nachvollziehbar
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 01.11.2014
Kategorie: Alben
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