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Comic-Besprechung - Das Erbe

Geschichten:
Das Erbe
Autorin / Zeichnerin: Rutu Modan
Colorist: Hila Noam, Michal Bergman


Story:
Die Israelin Regina Segal reist mit ihrer Enkeltochter Mika nach Warschau. Regina ist gebürtige Polin und noch vor der deutschen Besatzung nach Israel emigriert. Allerdings nicht freiwillig. Während sie vorgibt, ihr Familienerbe wieder erlangen zu wollen, verfolgt sie doch ganz eigene Pläne, welche mit einem Familiengeheimnis zu tun haben. Währenddessen muss sich Mika nicht nur mit gierigen Verwandten herumärgern, sondern auch mit aufkeimenden Gefühlen gegenüber einem jungen Polen.




Meinung:
Das Erbe von der israelischen Zeichnerin und Autorin Rutu Modan ist ein komischer, intelligenter und bewegender Band, welcher die Generationen und den Umgang mit der traumatischen Vergangenheit sensibel und eindringlich schildert. Dabei ist der Titel Das Erbe gut gewählt. Besonders da er so vielschichtig ist. Zuvorderst geht es natürlich um das konkrete Erbe, welches aus einer Wohnung besteht die im Familienbesitz war und scheinbar durch die Nazis enteignet worden war. Diese Wohnung ist nicht nur Auslöser der eigentlichen Story und der Punkt um den sich alles dreht, sondern knüpft auch direkt an das Familiengeheimnis an. Letzteres ist wiederum ein Erbe einer etwas anderen Art. Etwas, das man ewig mit sich herumträgt und einen droht zu zerbrechen. Also ein individuell psychologisches Erbe seiner eigenen Vergangenheit. Neben dem materialistischen und dem individuell psychologischen Erbe, gibt es aber noch das historische. Eben den des Holocausts.

Der Holocaust an sich steht dabei gar nicht mal im Zentrum der Geschichte. Dennoch liegt er wie ein Schatten über allem. Aber die physischen Grausamkeiten werden nicht erwähnt, da die Heldin diese nicht erlebte, sondern zu dem Zeitpunkt schon in Israel weilte. Dennoch ist sie ein Opfer, da ihre Vergangenheit als Polin und ihre ganze Familie starb. Sie ist eine Überlebende ohne jemals direkt in Gefahr gewesen zu sein. So macht Modan deutlich, das wirklich niemand dem Holocaust entkommen konnte. Und kann. Denn er prägt auch noch Generationen später das Leben und die Gefühle der Menschen. Seien sie nun direkt betroffen gewesen, die Nachkommen der Überlebenden oder der der Täter oder schlicht in irgendeiner Form im Sinne von Historie mit ihm konfrontiert. Niemand, der je mit dieser Unfassbarkeit konfrontiert worden war, und sei es durch Geschichtsbücher, kann ihm jemals wieder entkommen. Alles scheint im Schatten des Völkermordes zu liegen.

So wird wie nebenbei geschildert, wie sehr die Shoah das Leben jedes einzelnen veränderte und auch heute noch in das Leben eingreift. Da gibt es eine bemerkenswerte Szene, welche einen Kreis schließt. Zu Beginn, als die beiden Heldinnen in dem Flugzeug nach Warschau sitzen, reist im selben Abschnitt eine israelische Schulklasse mit. Während der Lehrer die Stationen des Grauens („Montag Treblinka, Dienstag Majdanek, inklusive Gaskammern…“) organisatorisch aufzählt, sind die Schüler, wie üblich zu solchen Anlässen extrem aufgedreht, albern herum, flirten und nerven die Mitreisenden. In der letzten Szene des Buches, als die Heldinnen zurück nach Israel reisen und zwischen ihnen alles geklärt ist, sitzt dieselbe Schulklasse im Flugzeug. Aber es ist keine Ausgelassenheit mehr zu sehen. Sie sind niedergeschmettert, weinen und eine Schülerin liest das Tagebuch der Anne Frank. Allein schon diese Szene zeigt, wie nebenbei aber wirkungsvoll die psychologischen Auswirkungen des Holocausts in Szene gesetzt worden sind.

Manchmal ist die Graphic Novel geradezu satirisch und voller Wortwitz und doch voller Respekt gegenüber den starken Frauenfiguren, die sich nicht immer sympathisch sind und ebenso wenig immer logisch handeln, aber gerade darin einen hohen Realitätsgehalt besitzen. Ein kontinuierlicher Witz entsteht dadurch, dass sich die beiden Frauen ähnlicher sind, als sie es selber gerne hätten.

Der leicht naive Strich sieht genau hin und zeigt eine gewisse Unbekümmertheit welche die dramatischen Szenen noch wirkungsvoller erscheinen lassen. Nur der Schurke ist etwas stereotyp geraten und man könnte ihn schon fast als ein antisemitisches Klischee ansehen, wenn die Autorin nicht selber der Glaubensgemeinschaft angehören würde und somit eher eine Selbstironie erkennen lässt. Aber da nicht alle über einen Kamm geschert werden, sondern jede einzelne Figur wirklich individuelle Facetten besitzt, kann man der Autorin nun wirklich keine Stereotypen nachsagen. Dafür ist der Schurke auch zu wenig Schurke und stellenweise einfach zu lächerlich, als das man ihn ernst nehmen könnte. Ein wirklich beachtenswerter Schachzug in einem absolut souverän aufgebauten Band.


Fazit:
Die Israelin Rutu Modan legt mit Das Erbe eine Graphic Novel über den Holocaust vor, ohne ihn überhaupt zu schildern. Vielmehr handelt es sich um die generationenübergreifenden psychologischen und individuellen Auswirkungen, die er noch heute hat. Dabei ist die Erzählung trotz aller Dramatik sehr bewegend und auch heiter. Viele verschiedene Ebenen zeigen wunderbar den Umgang mit der Vergangenheit auf. Zugreifen.


Das Erbe - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Das Erbe

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Carlsen

Preis:
€ 24,90

ISBN 10:
3551785767

ISBN 13:
978-3551785763

240 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • psychologische Auswirkungen des Holocausts
  • Grauen wird nicht geschildert
  • Witz und Dramatik und Melodramatik halten sich die Waage
  • gelungene intensive Szenen ohne übertriebene Effekte
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 01.09.2013
Kategorie: One Shots
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