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Comic-Besprechung - Ein iranischer Alptraum

Geschichten:
Ein iranischer Alptraum

Autor / Zeichner: Mana Neyestani


Story:
Mana Neyestani ist ein iranischer Cartoonist, der eines Tages einen Cartoon mit einer gezeichneten Kakerlake in seiner Redaktion abgibt. Er ahnte dabei nichts Böses und hatte auch keine schlechten Absichten, doch dieser Strip führt zu Aufständen im Norden des Irans. Neyestani wird verhaftet und in ein berüchtigtes Gefängnis gebracht. Zu spät erkennt er, dass der ursprünglich nur kleine Zwischenfall von dem Regime für seine eigenen Ziele ausgenutzt wird. Neyestai muss unterdessen seinen eigenen Kampf führen und versucht, heil aus dem Knast zu entkommen.

Meinung:
Die autobiographische Graphic Novel Ein iranischer Alptraum  hätte vielleicht kaum eine Chance gehabt ohne Persepolis von Marjane Satrapi. Nicht, dass der neue Band etwa schlecht wäre. Ganz im Gegenteil, er ist sehr gut, aber nicht zuletzt durch Persepolis haben Graphic Novels aus fernen Ländern auch hierzulande einen großen erfolgversprechenden Habitus. Vor allem wurde der Weg bereitet für Erzählungen, die nicht nur das Abenteuergenre bedienen, sondern sich auch dem alltäglichen Leben in einer anderen Kultur und unter besonderen Umständen widmen.

Der iranische Zeichner und Autor Mana Neyestani berichtet von seinen kafkaesken Erlebnissen nicht nur im Regime der Mullahs, sondern auch während der Suche nach politischem Asyl. Dabei fragt man sich manchmal, was von beidem schrecklicher ist, denn beide, eigentlich vom Konzept her völlig gegensätzlich, sind sich ähnlicher als gedacht. Leider kommt das Ende, besser gesagt: die zweite Entwicklungshälfte mit der Asylsuche, etwas zu kurz. Jedenfalls im Vergleich zu dem Raum, welcher das Gefängnis einnimmt. Natürlich ist ein Gefängnisaufenthalt ein prägendes Erlebnis und so eindringlich, wie es hier geschildert wird, ist es sehr beeindruckend. Nur das strukturelle Gleichgewicht des Buches wird dadurch etwas beeinträchtigt.

Jedenfalls gelingt es dem Autor, die Situation der Enge, der Ungewissheit und die psychischen Folgen des Gefangenseins sehr nahe zu bringen. Wofür Nayastani einige sehr schöne und gelungene symbolische Bilder einfallen, die in ihrer Metaphorik den realen Gegenstand sehr gut vermitteln. Und zwar so, wie es Wörter nicht vermögen. So etwa bezieht er die westliche Kultur mit ein, wenn er das „Abendmahl“ von Leonardo Da Vinci benutzt und die Gesichter der Apostel mit denen von Bekannten austauscht. Jesus lässt er weg, aber sich selber setzt er an die Position von Judas, da er auf Druck des Geheimdienstes Kollegen verraten soll. Auch die Zeichnungen eines Floßes bzw. einer einsamen Insel, um deutlich zu machen wie sich Isolationshaft anfühlt, ist eindrucksvoll. Und die Paranoia und Angst vor dem Geheimdienst wird eindrücklich durch wenige Panels veranschaulicht, wenn alle vorüberziehenden Passanten die Züge des Geheimdienstoffiziers tragen, der den Helden verhört hatte.

Trotz aller Erregung wird doch ein nüchterner, ja schon fast sachlicher Ton beibehalten. Gerade dieser vermeintlich nüchterne Blick macht besonders betroffen gegenüber den doppelt schädlichen Bürokratismus. Auf der einen Seite ist die Bürokratie die Verkörperung des Terrors des iranischen Regimes und auf der anderen Seite die unmenschliche menschenverschlingende Bürokratie des Asylverfahrens, welche Menschen nach Nützlichkeit und Grad der Verfolgung selektiert.

Dabei werden sehr gute Einsichten geliefert und stellenweise ist alles so absurd, dass man lachen müsste, wenn es nicht zum heulen wäre. Wenn es um die reine Machterhaltung geht werden auch alte Helden vergessen (die einst im iranisch-irakischen Krieg kämpften) und die, so wird es schon fast nebenbei erwähnt, innerstaatlichen Konflikte geschürt, um sich behaupten zu können. Und so zeugt der Band von einem tiefen Misstrauen gegenüber allen Staaten. Ein Nationalstaat scheint nicht mehr für die Menschen da zu sein, sondern betrachtet diese nur nach Nützlichkeitsfaktoren. Und das ist in jeder Gesellschaft ein sehr beängstigender Gedanke.

Fazit:
Neyestani berichtet in seiner autobiographischen Graphic Novel eindrücklich von der Menschenverachtung nicht nur seines Heimatlandes Iran, sondern auch die ebenso zynische Asylpolitik des Westens. Zudem gelingt es ihm beeindruckend die Empfindungen des Gefangenseins zu vermitteln.

Ein iranischer Alptraum - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Ein iranischer Alptraum

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Edition Moderne

Preis:
€ 24,00

ISBN 10:
3037311061

ISBN 13:
978-3-03731-106-6

200 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • graphische Ideen
  • eindrückliche Vermittlung der psychischen Situation
  • menschenverachtende Regimes bloßgestellt
Negativ aufgefallen
  • strukturelles Ungleichgewicht
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 15.06.2013
Kategorie: Rezensionen
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