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Comic-Besprechung - Goliath

Geschichten:
Goliath
Autor/Zeichner:
Tom Gauld


Story:
David gegen Goliath. Eine klassische Bibelgeschichte, deren Figuren selbst Atheisten kennen. Goliath gegen David? Klingt immer noch vertrau, aber an die umgekehrten Vorzeichen müsste man sich erst gewöhnen und ist es dann nicht eine ganz andere Geschichte? Ja, und zwar eine die Tom Gauld in Goliath erzählen möchte. Die Ereignisse aus der Sicht des Riesen, der anscheinend eher unfreiwillig Teil der Sache wird und vor allem gegen die Absurdität der Armeeführung und die Langeweile des Soldatentums kämpfen muss. Dabei schien ihm sein alter Verwaltungs- und Schreibjob so gut zu liegen.


Meinung:
Tom Gauld ist schwierig zu fassen. Er schwimmt in vielen Teichen und wenn man ihn vorübertreiben sieht, kommen einem seine Arbeiten irgendwie bekannt vor. Das hat man doch schon irgendwo mal gesehen, aber vermutlich nie mit Tom Gauld in Verbindung gebracht. Markant sind seine Zeichnungen allemal und haben neben einer erstaunlichen Vielseitigkeit einen hohen Wiedererkennungswert. Wurmmonster, Riesenroboter, Astronauten ... da wirkt sein neuestes Werk Goliath beinahe schon bieder.

Goliath ist kein Unbekannter. Man kennt ihn bloß zumeist in Verbindung mit einem anderen Namen. David, jüngster Sohn des Isai und Israelit, besiegt den schwergerüsteten Philister Goliath mit einem schlichten Stein und schlägt ihm den Kopf ab. Und während alle Welt über diese Tat in der Bibel lesen kann (1. Samuel, Kapitel 17 ... war es wohl), erfährt man über den XXL-Philister nicht viel mehr, als dass er in Rüstung steht und den Israeliten seine Herausforderungen entgegen ruft.

Ein Umstand den Tom Gauld nicht auf sich beruhen lassen konnte. Deshalb erzählt er jetzt die Geschichte des Riesen aus dessen Perspektive. Wer hätte gedacht, dass der eigentlich der fünftschlechteste Schwertkämpfer seiner Einheit war und statt für den Kampf, für den Schreibkram in der Verwaltung zuständig war. Bis ein Kommandant die Idee hat einen Kämpfer auszuschicken, der den Israeliten eine Herausforderung entgegenschmettern soll. So sei der Krieg innerhalb kurzem beendet. Die Kriegstaktik dahinter? Geheim. Das Erfolgsrezept? Geheim. Goliath muss einfach machen, sonst hat er eine Befehlsverweigerung an der Backe. Ein Verwaltungsaufwand den er nicht wirklich nötig hat.

Krieger und Held der Philister wider Willen. Während Achilles den Trojanern seine Kampfansage lautstark, spöttisch und voller Kraft über die Mauern posaunte, muss Goliath seinen Text erstmal ablesen, bevor er überhaupt warm wird. Und dann heißt es erstmal das Schicksal eines Soldaten auskosten. Soll heißen: Warten auf den Feind.

Tom Gaulds Zeichnungen sind durchaus unverwechselbar. Seine wirklich reduzierte Stiftführung - sprich Stil - hat Kinderbuchqualität ... im positiven Sinne gemeint. Denn Einfachheit bei den Zeichnungen ist a) meistens nur vordergründig leicht zu bewerkstelligen und b) schließt eine komplexe Geschichte nicht aus. Nach den bisherigen Ankündigungen kann man von einer nachdenklich machenden Handlung ausgehen, die mit ihrem Umkehr des Fokus (von David auf Goliath) einem die Absurdität des Krieges vor Augen führt und den biblischen Riesen vom Objekt zum Subjekt mit eigener Würde macht. So, oder ähnlich.

Bei seinem Anspruch verhebt sich Goliath allerdings und stellt sich größer dar, als es im Grunde ist. So sympathisch einem Goliath binnen kurzem wird, so apathisch treibt er die Handlung voran. Als Leser hat man nämlich auch nicht viel mehr zu tun, als ihm beim Warten zuzusehen. Ob dann mal ein Ziegenhirte vorbeikommt oder man die Rüstung des Riesen beim allmählichen Auseinanderfallen beobachtet, fast nichts zeigt wirklich über das Geschehen hinaus und sagt etwas aus über den Krieg oder zumindest die Bibelgeschichte.

Das Krieg nicht gerade zur sinnvollsten Tätigkeit der Menschheit gehört, hat diese Generation wohl schon zum großen Teil begriffen – auch wenn der Wille zum Aufstand, respektive Chaos scheinbar still vor sich hinschlummern kann, bis er dann plötzlich losbricht (siehe Griechenland, wo mir nichts dir nichts plötzlich wieder faschistische Gruppierungen die Strassen unsicher machen). Dennoch gehört mehr zu einer derartigen Auseinandersetzung, als einen Verwaltungsbeamten beim Warten auf den Feind zu betrachten. Es wird nicht besser dadurch gemacht, dass man das Ende der Geschichte bereits kennt und selbst hier keine Spannung aufkommt. Spannung im klassischen Sinne sollte man allein bei dem ruhigen Titelbild ja nicht vermuten, doch wenigstens so etwas wie eine intellektuelle Spannung, die einen über das Thema noch nachdenken lässt, wenn die letzte Seite lange umgeschlagen ist. Bei Goliath fragt man sich am Ende eigentlich nur, welchen Comic man als nächstes lesen wird.

Goliath ist Tom Gaulds erste lange Comicerzählung und in der reinen Erzählung bleibt sie auch verhaftet. Lakonisch in Wort, Bild und Witz (wo auch immer). Lakonisch bis zur Trockenheit. Es wird schlichtes Geschehen sichtbar gemacht. Das reicht als Fingerübung für das graphische Erzählen, für eine anregende Lektüre dagegen nicht. Nur nette Zeichnungen reichen heute längst nicht mehr. Dann doch lieber die Comicadaption von Joe Haldemans Der Ewige Krieg, der wirklich eine Botschaft hat oder (und jetzt wird weit nach oben ins Anspruchsregal gegriffen) The Pale King von David Foster Wallace. Letzeres zwar ein Roman und es geht auch über Langeweile und Eintönigkeit, aber hier wenigstens mit einer Aussage von einem Großen der literarischen Zunft. Kein wirklich fairer Vergleich für den armen Tom Gauld. Doch wenn man eines aus Goliath ziehen kann: Das Leben ist nicht immer fair.



Fazit:
Goliath erschöpft sich in seiner Erzählung, die - trotz Möglichkeit hierzu - wenig auszusagen hat. Ein schmucker Comic mit einem hervorstechenden und eigenwilligen Stil, der jedoch seine scheinbaren Ambitionen nicht auszufüllen vermag. Ohne das kurze Intro würde man auch gar nicht mehr hinter der Geschichte vermuten. Nicht übers Ziel hinaus geschossen, sondern schön in der Erde versenkt. Schade drum!


Goliath - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Goliath

Autor der Besprechung:
Alexander Smolan

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 15,00

ISBN 13:
978-3-943143-26-3

96 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • markanter, reduzierter Stil
  • nette Aufmachung
  • Geschichte verliert sich im reinen Erzählen
Negativ aufgefallen
  • sagt nichts über den Krieg oder die Bibelgeschichte aus
  • 15 Euro dafür, dass nichts passiert
  • ... und man schon weiß, wie es ausgeht
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
2.5
(2 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 21.10.2012
Kategorie: One Shots
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