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Comic-Besprechung - Stuck Rubber Baby

Geschichten:

Stuck Rubber Baby

Autor / Zeichner: Howard Cruse



Story:

Anfang der 1960er sterben die Eltern des jungen Toland Polk. Danach lebt er zunächst bei seiner Schwester. Als sein alter Freund Riley aber aus dem Militärdienst zurück nach Hause kommt, zieht er bei ihm und seiner Freundin Mavis ein. Durch diese zwei bekommt er Kontakt zu Bürgerrechtsgruppen die gegen die Rassendiskriminierungen kämpfen. Verunsichert durch den Kontakt mit Schwarzen im rassistischen Süden und mit Homosexuellen, beginnt Toland sich auf seine Liebe zu der Studentin Ginger zu fokussieren. Da auch Ginger in der Bewegung aktiv ist, beginnt sich auch Toland immer mehr an den Bürgerrechten zu interessieren. Die Reaktion der Gesellschaft ist aber brutal. Zudem beginnt Toland sich seine eigenen Gefühle einzugestehen und seine eigene Homosexualität zu akzeptieren.



Dieser Comic wurde mit dem Splash-Hit ausgezeichnet Meinung:

Stuck Rubber Baby ist schon jetzt ein moderner Klassiker des Comic. Bei dem Erscheinen des Originals 1995 ging er in den USA etwas unter, da ihm keine Breitenwirkung zugesprochen wurde. Mit der Zeit wurde aus einem Geheimtip durch Mundpropaganda aber ein Erfolg. Autor und Zeichner Howard Cruse spricht aber durchaus ein breiteres Publikum an als etwa die Homosexuellen. Denn seine Graphic Novel ist weit mehr als eine Coming-Out-Geschichte. Vielmehr ist sie auch eine Coming-of-Age-Geschichte, eine Geschichte der Bürgerrechtsbewegung in den USA Anfang der 60er Jahre, ein Familiendrama, eine Art Soap Opera und generell ein Plädoyer für Toleranz, Menschenrechte und Freundschaft.

Die Geschichte ist dabei nur bedingt autobiographisch. Einiges hat Cruse selber erlebt, aber er hat auch vieles verarbeitet, was Freunden, Bekannten und Verwandten geschehen ist. Durch eine Fiktionalisierung der Figuren und durch Änderungen der Handlungsabläufe kann man die Graphic Novel nicht als Autobiographie nehmen. Einige Ereignisse haben auch einen reellen Hintergrund, sind aber leicht verfremdet. Welche das genau sind und wie der wahre historische Hintergrund gewesen ist, wird im Anhang erläutert. Wie bei dem Cross Cult Verlag üblich, sind hier übrigens gleich wieder mehrere Extras enthalten.

Stilistisch ist Cruse deutlich von dem amerikanischen Underground beeinflusst. Obwohl der Band Mitte der neunziger Jahre erschien, ist nicht nur der Inhalt, sondern auch die Zeichnungen in den 1960er Jahren einzuordnen. Mit dieser Kombination wird der Leser sehr gut in die Zeit versetzt. Die Einflüsse von Robert Crumb und auch Charles Burns sind durchaus zu erkennen. Ein bisschen auch Richard Corben. Die Zeichnungen sind sehr plastisch und detailreich. Jedes Gesicht ist voneinader zu unterscheiden (auch in Menschenmengen!) und die Proportionen ("Fleischig" wie bei Corben und Crumb) sind so plastisch, dass man meint, sie kämen gleich aus den Seiten und man könne die Textur spüren. Eine Mischung aus Naturalismus und stellenweise eingestreuten Verfremdungseffekten bewirken einen nachhaltigen Effekt auf den Leser. Völlig versunken in dieser packenden, bewegenden und nachdenklich stimmenden Erzählung, schaffen es die naturalistischen Zeichnungen, den Leser komplett in die erzählte Welt zu ziehen. Umso  mehr entfalten dann die Verfremdungseffekte ihre Wirkung. Diese werden sparsam eingesetzt und treten nur dann auf, wenn emotional sehr belastende Situationen vorkommen. So kann der Leser sie umso mehr nachvollziehen.

Es ist sehr geschickt und steigert die Empathie des Lesers ungemein, dass Cruse seinen Helden sehr passiv angelegt hat. Toland lässt sich eher treiben, hängt sich immer bei anderen ein, übernimmt selten die Initiative, beobachtet, unterhält sich und schwankt zwischen seinen Emotionen. Somit ist er im Grunde wie der Leser, der ja nicht direkt in die Geschichte eingreifen kann, sondern sich auch passiv treiben lässt und beobachtet. Er sieht quasi mit den Augen Tolands. Diese geschickt aufgebaute Identifizierung entfaltet eine große Wirkung, hat aber auch genug Distanz, um die Geschichte als solche zu erkennen.

Bei der ganzen individuellen Geschichte werden aber auch die übergeordneten Aspekte nicht vergessen. Es geht schließlich auch um die Bürgerrechtsbewegungen. Gut, dass nicht nur eine erzählt wird und so einen möglichen Leserkreis verprellen würde. Eine Bürgerbewegung ist mit einer anderen verflochten. So sind hier die Bewegungen der Schwarzen und der Homosexuellen vermischt. Es ist ein Schock zu sehen, wie es damals war und welchen Demütigungen sich Schwarze und Schwule ausgesetzt sahen. Angesichts derer Situation heute sind ihre Erfolge hoch anzurechnen, wenngleich noch eine absolute Gleichberechtigung weit entfernt ist. Auch Frauen können davon noch ein Lied singen. Es ist wichtig zu wissen, was für eine enorme Leistung die Aktivisten vollbracht  haben. Und das unter Gefahr ihrer Zukunftsperspektiven, ja ihres Lebens.

Einzelschicksale werden in die gesellschaftliche Entwicklung so mitreissend verwoben, dass der Leser sich in einen wahren Leserausch versetzt sieht und sich gerne bewegen und aufwühlen lässt. Eine ganz große Graphic Novel.



Fazit:
Stuck Rubber Baby versteht es, mit der Kombination von Einzelschicksalen in einer gesellschaftlichen Entwicklung ein breites Publikum zu fesseln. Die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung, ihre Gründe, ihre Aktionen und ihre Erfolge, wird anhand von Einzelschicksalen in den USA der 1960er Jahre deutlich gemacht. Das ist informativ, spannend und bewegend. Ein ganz großer Wurf.

Stuck Rubber Baby - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Stuck Rubber Baby

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Cross Cult

Preis:
€ 26,00

ISBN 10:
978-3942649285

ISBN 13:
978-3942649285

216 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • psychologisch dicht
  • Spannung und Emotionen
  • Geschichte und Würdigung der Bürgerrechtsbewegung
  • Kombination Naturalismus und Verfremdung
Negativ aufgefallen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(4 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 13.11.2011
Kategorie: One Shots
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