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Comic-Besprechung - SZ Bibliothek Graphic Novels 6: Fun Home

Geschichten:

Autor / Zeichner: Alison Bechdel



Story:

Alison Bechdel wächst in einer Familie auf, in der zwar ein großes Ästhetikempfinden und eine Liebe zur Kunst herrscht, die aber gefühlsmäßig eher zurückhaltend ist. Vor allem der Vater ist streng und gefühlskalt, was im großen Kontrast zu seinem ästhetischen Empfinden steht. So trägt Alison auch einige Verletzungen davon. Nach ihrem Coming Out erfährt sie, dass auch ihr Vater insgeheim homosexuell ist und eine Welt bricht für sie zusammen. Doch näher kommen die beiden sich nicht, da der Vater bei einem Umfall ums Leben kommt. Oder war es gar kein Unfall?



Meinung:

Die autobiographische Graphic Novel von Alison Bechdel trifft das Motto der Graphic Novel Edition der Süddeutschen Zeitung Edition ziemlich gut. Das Motto lautet "Literatur trifft Illustration". In Fun Home dreht sich nämlich ziemlich alles um Literatur und mehr noch um Rollen. Zum einen steht die Literatur für die Annäherung Alisons und ihres Vaters, der anscheinend sich nur über den Umweg des geschriebenen Wortes anderer gegenüber seiner Familie wirklich öffnen kann. So ist Nähe mit Distanz verwoben, da die Literatur als Mittlerin fungiert. Aber auch Annäherung und Ablehnung funktioniert darüber. Wird der Vater direkt angesprochen, blockt er ab und wird schroff. Aber er gibt seiner Tochter ein Buch mit einer angestrichenen Textstelle, die seine Antwort auf Alisons Frage gibt. Mehr noch: die ganze Familie, abgesehen von den Brüdern, die hier merkwürdig kurz kommen, lebt durch die Literatur. Der Vater strebt vielmehr danach, eine literarische Welt auferstehen zu lassen, indem er sein Haus als eine Art Bühne gestaltet und sich selber mit F. Scott Fitzgerald identifiziert. Auch die Mutter von Alison lebt Literatur. Spielt der Vater sein ganzes Leben lang eine Rolle, so ist die Mutter eine aktive Theaterschauspielerin, die nur auf der Bühne aus sich herauskommt. In einer bezeichnenden Stelle überlegt die Autorin, ob sich ihr Vater wirklich in ihre Mutter selber verliebt hatte, oder ob er nicht viel mehr in die Rolle oder in die Schauspielerin verliebt war. Aber die Literatur bietet nicht nur Fluchtmöglichkeiten, sondern ermöglicht es den Charakteren auch, sich selber zu entdecken und ihre Persönlichkeit zu schaffen. Somit wird die Literatur in das Leben getragen und dieses in Form einer Graphic Novel wieder zwischen zwei  Buchdeckeln verewigt. Passend zur Literatur spielen alle Hauptpersonen eine Rolle. Neben der schon erwähnten Mutter, die Theater spielt, muss Alison ihre Rolle erst noch finden und ihr Vater erliegt einer Lebenslüge und spielt offensichtlich nur den Vater. Wenn man den Beginn des Buches nach Beendigung noch einmal liest, wird klar, dass seine Kinder eher Requisiten für seine sorgsam aufgebaute Bühne seiner Rolle sind, aber er selber hat keine emotionale Bindung zu ihnen.

Zu der Tragik des Vaters gehört es, dass er nicht mehr aus seiner Rolle herausfindet. Und die Zeiten ändern sich. Seine Tochter hat es mit ihrer Homosexualität sehr viel einfacher als er und führt ihm alle Vergeblichkeit vor Augen. Dadurch werden alle verletzt und der Tod ist scheinbar der einzige Ausweg.

Der Titel Fun Home scheint in diesem Zusammenhang zynisch. Aber das Fun Home ist nicht das Elternhaus, sondern das sich im Familienbesitz befindene Beerdigungsinstitut. Die Kinder spielen hier gerne, während der Vater eher aus Pflichtbewußtsein als Bestatter arbeitet (während er gleichzeitig Lehrer ist). Warum also Fun Home? Weil hier keine Rollen mehr existieren. Hier ist jeder nackt und offen. Dennoch wird wieder ein Schein erzeugt, indem die Leichen geschminkt und präpariert werden. Dennoch ist es wohl der ehrlichste Ort im Buch. Deswegen Fun Home, und nur hier können die Kinder unbeschwert spielen, während das eigene Heim eine Kulisse des Vaters ist.

Graphisch ist das Buch recht unauffällig und undynamisch gezeichnet. Aber dennoch ergeben Bild und Wort eine große Einheit, ja eine Symbiose, und alles ergänzt sich. Vor allem das Mienenspiel der Figuren ist sehr gut gelungen.



Fazit:

Eine bewegende autobiographische Erzählung, nicht nur über Homosexualität, sondern vor allem um die Macht der Literatur und um das Leben von Rollen, welche das wahre Ich verdecken. Text und Bild gehen eine wahre Symbiose ein und ergänzen sich hervorragend.



SZ Bibliothek Graphic Novels 6: Fun Home - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

SZ Bibliothek Graphic Novels 6: Fun Home

Autor der Besprechung:
Jons Marek Schiemann

Verlag:
Süddeutsche Zeitung GmbH

Preis:
€ 14,90

ISBN 10:
386615867X

ISBN 13:
978-3866158672

240 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • sensibel erzählt
  • literarische Anspielungen
  • tiefschichtig
Negativ aufgefallen
  • manchmal etwas statisch gezeichnet
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1
(1 Stimme)
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Rezension vom: 03.04.2011
Kategorie: SZ Bibliothek Graphic Novels
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