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Comic-Besprechung - Nichtigkeiten 1: Der Fluch des Regenschirms

Geschichten:

Les Petits Riens de Lewis Trondheim – La Malédiction du Parapluie

Autoren/Zeichner: Lewis Trondheim



Story:

Jeder Tag ist auf seine Art ein Abenteuer. Es sind die alltäglichen Fragen des Lebens, die Lewis Trondheim umtreiben. Sei es im Urlaub, zu Hause, bei der Arbeit, in Wartesälen, auf der Straße, oder bei Preisverleihungen. Alles ist voller Nichtigkeiten, die es wert sind aufgezeichnet zu werden. Der Fluch des Regenschirms versucht ein paar dieser Augenblicke einzufangen. Momente aus der eigenwilligen Sicht des Künstlers Trondheim. Zuerst im Blog des Zeichners veröffentlich, gibt es sie nun auch als Printausgabe.



Meinung:
Mal einen kleinen Blick auf das werfen, was einen bekannten französischen Comic-Zeichner so umtreibt? Bitte schön. Einfach Nichtigkeiten von Lewis Trondheim zur Hand genommen und schon kann die Reise losgehen. Wer jetzt aber denkt, der Alltag des Franzosen besteht aus hochtrabenden Gedankenspielchen à la Scott McCloud (nein, das denkt wohl wirklich keiner), der wird mit Der Fluch des Regenschirms eine Überraschung erleben. Eine gute, will man meinen.

Aber auch derjenige, der an die Sache nicht mit überfliegenden Erwartungen an einen autobiographischen Comic herangeht, wird über manche kleine Wunder des Alltags zwar nicht ins Staunen, aber ins Schmunzeln geraten und im besten Falle in schallendes Gelächter ausbrechen. Natürlich bietet der Comic auch kleine Einblicke in die französische Comic-Szene und manche allgemeinen Problemchen und Wehwehchen speziell von Zeichnern, doch in einer mirakulösen Umkehr der Verhältnisse werden diese plötzlich zum Randgeschehen für die eigentlich wesentlichen Nichtigkeiten des Alltags. Und schnell stellt sich beim Durchblättern die Frage, ob es nicht eigentlich gerade diese Nichtigkeiten sind, deren Summe der Mensch ist und die sein Leben prägen.

Und was für ein köstlicher Spaß es sein könnte, einmal auf die eher unbeachtet gebliebenen Episoden des Lebens zu schauen, beweist der Comic von Trondheim nahezu mit jeder Seite. Kleinere Begebenheiten und zufällige Begegnungen haben hier ebenso Platz, wie bitterböse Gedankenspiele, schlichte Beobachtungen und einfache Landschaftsdarstellungen. Der Kosmos des Alltäglichen, wenn man so will, der mit Lewis Trondheim als Hauptdarsteller einen Protagonisten im Fokus hat, dem mehr als einmal eine gehörige Portion Schalk im Nacken sitzt. Jedenfalls wenn er denn mal nicht wieder von seiner Paranoia gepackt wird, die ihn innerhalb eines Urlaubs einen wahrscheinlichen Jahresbedarf an Mückenspray verbrauchen lässt.

Man lernt sehr viel darüber, wie man immer mit offenen Augen durch die Welt gehen sollte und sei es nur, damit eine weggeworfene Bierdose und ein Slip einen zu den merkwürdigsten Spekulationen treiben. Oder das Spielzeuglaserschwert des Sohnes einen 41-jährigen wieder zum Kind werden lässt. Oder man für einen Moment in die Seele eines anderen Menschen blicken kann. Oder man beim Squash anfängt vollkommen unnütze Muskeln zu trainieren. Oder der Fluch eines abgelegten Regenschirms eine Kette von kleinen Katastrophen in Gang setzt. Oder ein Nilpferdfurz die Ehre des Westens rettet.

Egal wie seltsam oder hanebüchen manche Erlebnisse wirken, findet man sich irgendwie selbst in der Figur wieder und beginnt sein Gehirn nach ähnlichen Erinnerungen zu durchforsten. Und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fündig werden. Im Grunde könnte jeder genau dasselbe, wie Lewis Trondheim machen und ein gezeichnetes Tagebuch erstellen. Das Potential findet sich in jeder Minute und Stunde jedweden Tages. Denn wenn man eine Erkenntnis aus Der Fluch des Regenschirms gewinnen will, dann die, dass es so etwas wie Nichtigkeiten gewissermaßen nicht gibt.

Wie auch aus den einzelnen Episoden, aus denen Der Fluch des Regenschirms zusammengesetzt ist, ersichtlich wird, ist Lewis Trondheim ein ganz schöner Schlawiner, ein geschäftstüchtiger noch dazu. Statt seine regelmäßigen Ergüsse im Internet zu archivieren, wo sie jeder finden kann, verschwinden sie einfach aus seinem Blog und das im wahrsten Sinne des Wortes. Kann man die aktuellsten Beiträge ungehemmt genießen, verblassen sie beim Runterscrollen immer mehr und man muss die Augen zum Ende hin schon anstrengen, um alles zu erkennen. Gänzlich sinnfrei, aber irgendwie zu Trondheim passend, sieht man das letzte Bild auf der Seite dann gar nicht mehr und nur die chronologische Nummer darüber kennzeichnet dessen Standort.

Ach so, es könnte jemand nicht wissen wer Lewis Trondheim ist und ein paar Erläuterungen bedürfen? Zum einen ... schämt euch. Zum anderen ist Lewis Trondheim einer der bekanntesten Zeichner Frankreichs, der bereits unzählige Comics inszeniert hat. Er war einer der Begründer des Autorenverlages L’Association und hatte einen seiner großen Erfolge zusammen mit Joann Sfar und der Serie Donjon (so ein Zufall, auch bei Reprodukt). Was für die Amis ihr Sergio Aragonés, dass für die Franzosen ihr Lewis Trondheim. Im weitesten Sinne jedenfalls. Aber wie das so ist mit Vergleichen, könnte sich selbst einer mit dem Horrorautor Stephen King aufdrängen. Ebenso wie dieser im belletristischen Bereich, wollte sich Trondheim anscheinend weitestgehend aus dem Comic-Business zurückziehen. Stephen King haute dann weiterhin ein Buch nach dem anderen heraus und auch Trondheim scheint den Zeichenstift niemals aus der Hand zu legen. Vielleicht war die 2004 erfolgte Ankündigung aber auch nur ein weiterer Jux seinerseits. Nach der Lektüre von Der Fluch des Regenschirms würde man das dem erwachsenen Lausbub sogar zutrauen.

Der Fluch des Regenschirms war bereits einmal für das Frühjahr 2009 angekündigt, kam dann aber doch erst Ende 2010 auf den Markt. Die von Trondheim seit 2006 jedes Jahr in gedruckter Form herausgebrachten Episoden haben jedoch bereits die Nichtigkeitsgrenze überschritten und können inzwischen mit stolzen vier Bänden aufwarten. Wäre schön, wenn Reprodukt sich nicht an einen jährlichen Turnus hält.

Etwas schwer im Magen liegt der Preis für die schönen Ergüsse Trondheims. Man gönnt es dem Reprodukt-Verlag zwar, aber 16,00 € sind ein schöner Batzen Geld. Gerade wenn man des Französischen mächtig ist und die Originalausgaben bei Amazon für 11,99 € bestellen kann. Fremdsprachen können zahlt sich da wirklich mal aus.

Und an Lewis Trondheim, auch wenn er diese Zeilen nicht liest: Keep reachin’ for the rainbow.


Fazit:

Der Fluch des Regenschirms ist schlimmer als eine Tüte Chips in der Hand. Man will immer mehr und kann gar nicht mehr damit aufhören. Manchmal nachdenklich, teils saukomisch, gelegentlich anrührend, oftmals albern und immer wieder zum lauthals Lachen geeignet. Entlarvender als jede Autobiographie, auch für einen selbst.



Nichtigkeiten 1: Der Fluch des Regenschirms - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Nichtigkeiten 1: Der Fluch des Regenschirms

Autor der Besprechung:
Alexander Smolan

Verlag:
Reprodukt

Preis:
€ 16,00

ISBN 13:
978-3-9410996-2-3

128 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • typischer Lewis Trondheim
  • von tiefschürfend bis humorig alles dabei
  • man kann es nicht aus der Hand legen
Negativ aufgefallen
  • Preis
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 15.02.2011
Kategorie: One Shots
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