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2901644

Comic-Besprechung - Gefährten des Glücks. Gesamtausgabe

Geschichten:
  • Nur eine Insel...
  • Mitten im Nirgendwo / Am Ende der Welt

Text/Zeichnungen/Farben: Franz (Drappier)



Story:

England zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Um zu seinem Onkel nach Westindien zu gelangen, begibt sich der junge Buchhalter Andrew Eastbourne aus Bristol in Plymouth an Bord eines Schiffes. Da er während der Überfahrt seine Finger nicht von der minderjärigen Lady Priscilla McKenzie lassen kann, wird er auf einer einsamen Insel ausgesetzt. Dort rettet er die Eingeborene Timi Ti Ahhre vor Kannibalen. Als wenig später der Pirat "Keine Gnade" mit seiner Mannschaft auf der Insel landet, um einen Goldschatz zu verstecken, ergreift Andrew seine Chance. Gemeinsam mit Timi schließt er sich dem Kapitän an und durchlebt in der Folge zahlreiche Abenteuer, in deren Verlauf er auf arrogante Gutsherren, stolze Sklaven, verfeindete Piraten, spanische Soldaten und die verloren geglaubte Lady Priscilla trifft.



Meinung:

Im Oktober 2010 startet der Bocola Verlag eine neue Reihe mit franko-belgischen Comics. Neben Joann Sfars und Emmanuel Guiberts Die Tochter des Professors macht die Gesamtausgabe von Gefährten des Glücks aus der Feder des 2003 verstorbenen Franz Drappier - in der Comicwelt besser unter seinem Vornamen bekannt - den Anfang.

Der belgische Autor und Zeichner beginnt seinen Piratencomic rasant. Ohne großes Vorgeplänkel geht er direkt in medias res und wirft den Leser recht unvermittelt in die Handlung. Die Ereignisse, die das Schicksal des Protagonisten zunächst zu besiegeln scheinen, folgen Schlag auf Schlag. Auf den ersten acht Seiten von Gefährten des Glücks gelingt es Franz, in nur wenigen Panels die zahlreichen Figuren pointiert zu charakterisieren. Besonders gelungen sind die Seitenhiebe, die der Autor gegen die bürgerliche und klerikale (Doppel-)Moral austeilt. Wenn beispielsweise der Priester an Bord pornografische Bildchen betrachtet, die er in seiner Bibel versteckt, kommt der Leser um ein (schaden-)frohes Schmunzeln nicht umhin. Unterstützt werden die komischen Momente durch einen sehr lebhaften auktorialen Erzähler, der sich nicht davor scheut, über seine Protagonisten herzuziehen. Davor ist auch der Hauptcharakter Andrew Eastbourne nicht gefeit, den Franz als eine Mischung aus ungestümem jugendlichem Draufgänger und rationalem Kopfmenschen entwirft, dessen Denken von der Arbeit am Schreibtisch geprägt ist.

Nach der Rettung der Eingeborenen Timi Ti Ahhre könnte man meinen, dass Gefährten des Glücks auf eine typische Robinsonade mit einem weiblichen "Freitag" hinausläuft. Löblicherweise steuert Franz der vorprogrammierten Langeweile jedoch immer wieder mit unerwarteten Wendungen entgegen. Neben Robinson Crusoe mischt er in seine Story eine gehörige Portion Die Schatzinsel und eine Prise Roots. Doch was zunächst für Abwechslung auf der Handlungsebene sorgt, entwickelt sich im Verlauf der Geschichte zum Störfaktor. Handlungsfäden verlaufen im Sand, zu viele Zufälle, kleine Logikbrüche und Ungereimtheiten reihen sich aneinander, die den uneingeschränkte Lesefluss immer wieder durch ein irritiertes Stirnrunzeln unterbrechen. Wieso kann Lady Priscilla McKenzie plötzlich in schwer zugängliche Höhlen tauchen, obwohl sie 19 Seiten zuvor noch nicht einmal schwimmen konnte? Was wurde aus dem Schiffsjungen Francis, der zwei Panels zuvor noch gerettet werden sollte, nun aber aus heiterem Himmel vergessen scheint? Solche Ungereimtheiten sorgen immer wieder dafür, dass die Handlung vielerorts ins Leere läuft, mit zunehmendem Verlauf gar immer hanebüchener erscheint.

Am stärksten lassen sich diese Ungereimtheiten wohl am Umgang mit den Frauen festmachen. Im Gegensatz zu den männlichen Protagonisten sind diese den Großteil des Comics unbekleidet. Was anfangs noch logisch begründet erscheint - da Kleidung beispielsweise zum Schwimmen ausgezogen werden muss - nimmt im Verlauf der Handlung immer groteskere Züge an. Obwol schon lange nicht mehr notwendig, springen Timi und Priscilla weiter munter nackt durch die Panels. Was uns Franz da andeutungsweise noch als Zickenkrieg um die Gunst Andrews verkaufen möchte, entpuppt sich letztlich als wahrgewordener Männertraum, der jeglicher Rationalität entbehrt. Auf diese Weise degradiert der Autor seine eigentlich recht starken jungen Frauen zu bloßen Lustobjekten.

Dieses Manko können auch Franz' solide Zeichnunen nicht mehr wettmachen, die in ihrem Stil an ältere Comics aus den 1960er und 1970er Jahren erinnern, in denen der Zeichner selbst sein Handwerkszeug erlernte. Mit ihrer am Vierfarbdruck angelehnten Colorierung verströmen die Panels einen nostalgischen Charme, der dadurch wiederum recht gut zur etwas altbackenen Aufbereitung des Themas passt.



Fazit:

Eine Piratengeschichte, die gut beginnt und umso stärker nachlässt. Neben einer soliden Portion Abenteuer weist sie eine Fülle an unvorhergesehenen Wendungen auf, die immer hanebüchener werden. Der nackten Haut ist es dann auch etwas zu viel des Guten, dient sie doch stets nur der Befriedigung der (männlichen) Schaulust und trägt rein gar nichts zum Fortgang der Handlung bei. Dadurch wirkt Gefährten des Glücks lediglich wie eine Comic gewordene Altherrenfantasie.



Gefährten des Glücks. Gesamtausgabe - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Gefährten des Glücks. Gesamtausgabe

Autor der Besprechung:
Falk Straub

Verlag:
Bocola

Preis:
€ 19.90

ISBN 10:
3939625337

ISBN 13:
978-3939625-33-9

96 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • witzige Seitenhiebe
  • nostalgische Zeichnungen
Negativ aufgefallen
  • Logikbrüche und Ungereimtheiten
  • verworrene Story ohne Ziel
  • Frauen werden zu Lustobjekten degradiert
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
3
(3 Stimmen)
Bewertung
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Rezension vom: 19.11.2010
Kategorie: One Shots
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