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Comic-Besprechung - Reddition 52

Geschichten:

Herausgeber: Volker Hamann

Dossier: Tardi

  • Volker Hamann: Biographie Jacques Tardi
  • Klaus Schikowski: Die visionäre Welt des Arthur Même. Forests und Tardis Meisterwerk ‚Ici Même‘
  • Clemens Heydenreich: Spirale der Kopfgeburten. Tardis Adele und die Phantastik
  • Michael Hein: Ansichten vom Krieg. Tardis Bilderwelt des Grabenkriegs
  • Thomas Ballhausen: Stählernes Insektenzeitalter. Zu Jacques Tardis und Benjamin Legrands ‚Der Kakerlakenkiller‘
  • Volker Hamann: Jacques Tardi und Leo Mallet
  • Bernd Hinrichs: Der Tradition verpflichtet. Tardis ‚Die Macht des Volkes‘ als historisierender Comic
  • Michael Hein: Die Macht des Volkes
  • Volker Hamann: Bibliographie Jacques Tardi


Story:
Die 52. Ausgabe des Comic-Fachmagazins Reddition bringt ein Dossier über den großen Jacques Tardi. Auf 76 Seiten widmet man sich seinem Leben und Werk und ergänzt dies mit einer ausführlichen Bibliografie.



Meinung:
Jacques Tardi scheint es Volker Hamann angetan zu haben, und aller guten Dinge sind bekanntlich drei. Kaum zu glauben, aber in der neusten Ausgabe des halbjährlich erscheinenden Magazins widmet man sich bereits zum dritten Mal dem französischen Ausnahmekünstler. Bereits in Heft Nr. 13 drehte sich alles um den Erfinder der Serie Adeles Abenteuer. In Ausgabe 25 gab es einen Nachschlag: man befasste sich mit den damals aktuellen Malet-Adaptionen und dem gerade erschienenen Band Grabenkrieg. Außerdem präsentierte man zum ersten Mal eine Tardi-Bibliographie.


Tardi ist bekanntlich nicht irgendeiner. Sein Leben und Werk bieten genug Stoff, um diese intensive Bearbeitung zu rechtfertigen. Dass sein Output höchst beachtlich ist, merkt man bereits, wenn man die von Volker Hamann zusammengestellte und aktualisierte Bibliografie nur überfliegt. Zu den zehn Bänden von Adele gesellen sich sieben umfangreiche Nestor Burma-Geschichten, sowie viele Einzelbände und zahllose Kurzgeschichten. Der Erste Weltkrieg und die Zeit davor, der Fin de Siècle, die von Dekadentismus geprägte Phase von Frankreich während der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert, haben es ihm angetan.

Den Auftakt macht Volker Hamann mit einer gründlichen Würdigung der Person Jacques Tardi. Der Autor glänzt durch profundes Wissen und schafft es, Leben und Werk des Künstlers anschaulich darzustellen. Illustriert ist der Beitrag, wie auch das gesamte Heft, mit vielen seltenen Bildbeispielen. Alte Fotos, Skizzen, seltene Titelbilder oder Illustrationen sind gekonnt eingebunden.

Im Folgenden nehmen sich verschiedene Autoren ausgesuchten Teilen von Tardis Werk an. Da jeder Autor seinen eigenen Stil pflegt, gibt es zum Teil gravierende Unterschiede, was das Lesevergnügen betrifft. Die Hochs und Tiefs wechseln sich ab.

Während Klaus Schikowski einen guten Eindruck von Hier Selbst (Ici Même), der Coproduktion von Tardi und Jean-Claude Forrest vermittelt, schafft es Clemens Heydenreich bei seiner Betrachtung von Adeles Abenteuer und deren phantastische Aspekte nicht einmal, die gesamte Serie inhaltlich grob zusammenzufassen oder ein paar erklärende Worte über die Protagonistin abzuliefern. Er beginnt irgendwo im weiten Feld der phantastischen Literatur mit einer Kurzgeschichte von Ambrose Bierce, der „Urzelle aller Erzählungen über Sterbende“, und vergaloppiert sich zügellos im Nirgendwo der literaturwissenschaftlichen Detailanalyse. Seine Schreibe scheint direkt aus der Uni zu stammen, wenn man sich Sätze wie diesen, der sich mit Adele Band 4 beschäftigt, mit der Lupe betrachtet: „Besonders wild aber führt sich der Erzähler selbst auf: Tautologisch gibt er zwei Seiten lang im Kästchentext wieder, was bereits die Bilder zeigen. So lässt er die Muskeln spielen und stößt dem Leser Bescheid: Er kann Handlungssprünge vollziehen, ohne sie logisch zu rechtfertigen. Es ist ihm möglich, Quervernetzen zu extradiegetischen Figuren und Handlungen zu spinnen." All clear?

Nachdem sich der Nebel verzogen hat, in den man von Heydenreichs Artikel gezogen wurde, schließt sich ein Lichtblick an. Neben Adele kommt man bei einem Dossier über Tardi an seinen Anti-Kriegscomics nicht vorbei, egal, wie viel schon darüber geschrieben wurde. Michael Klein nimmt sich somit dem Grabenkrieg an, einem der wichtigsten Werke aus Tardis Oeuvre. Er macht dies durchdacht und wohl formuliert und schafft es, dass man sich den 116 Seiten starken Band über den Stellungskrieg an der Westfront im 1. Weltkrieg als Lektüre für kommende Tage vormerkt.

Thomas Ballhausens Analyse von Der Kakerlakenkiller, der zusammen mit dem Szenaristen Benjamin Legrand entstand, ist anschließend wieder ein Beispiel dafür, was herauskommt, wenn man nur für sich schreibt. In der Einleitung heißt es vollmundig: „Das für ihre Arbeit zentrale Spiel mit Genrekonventionen und Erwartungshaltungen macht es notwendig, es im Kontext von Enki Bilals und Jean-Pierre Dionnets Exterminator 17 (1977) und Moebius‘ Die Hermetische Garage (1976-1980) zu sehen und wohl auch zu lesen. Ein Versuch der erneuten Aufschlüsselung.

Der Versuch scheint gescheitert, denn seltsamerweise ist auf den folgenden Seiten keine Rede mehr von den beiden Science Fiction-Meisterwerken, in deren Kontext Der Kakerlakenkiller zu sehen sein soll. Stattdessen prasseln Querverweise en masse auf den Leser ein. Ernst Jüngers "Tagebücher" sind nur der Gipfel der Genüsse. Scheinbar nach dem Zufallsprinzip werden Theorien und Interpretationen wie Luftballons losgelassen. In der Mitte des Texts driftet er schließlich ganz ab, als es ums Thema Camp und Erzählhaltungen geht: „Als Haltung und Modus, als filtergleiches Denkinstrumentarium erlaubt Camp in produktiver Ambivalenz und mit paradox anmutender Polyvalenz das Zusammendenken unterschiedlichster kultureller Sphären.“ Bis zum Schluss des Textes wird man mit diversen literaturwissenschaftlichen Zitaten in englischer (!) Sprache aus Büchern über Susan Sontag oder The Modes of Modern Writing konfrontiert, dass es einem jegliche Freude nimmt. In ganz wüster und hektischer Weise schafft es der Autor, auf vier Seiten fast nichts Konkretes auszusagen. Schade, aber vielleicht hat er doch ein paar Stunden zu lange im Kakerlakenkiller gelesen (oder in der Sonne gelegen).

Mit den letzten beiden Beiträgen befindet man sich wieder in klaren, gesunden Gewässern. Volker Haman lässt es sich nicht nehmen, die Literaturadaptionen von Leo Malet erneut zu beleuchten. Das Werk Die Macht des Volkes wird gleich doppelt behandelt: einmal von Bernd Hinrichs und einmal von Michael Klein.

Wie stets bei der Reddition, ist die gründliche und ansehnliche Bibliografie zu loben, die nicht nur mit seltenen Titelbildern illustriert ist, sondern auch alle Originalveröffentlichungen auflistet. Ergänzt wird die imposante Ansammlung von Daten durch eine Auswahl von Sekundärliteratur über Jacques Tardi. Sehr akribisch und reichhaltig – äußerst brauchbar für Recherche.

Diese Ausgabe der Reddition ist erstmals in zwei Ausführungen erschienen. Zum normalen Heft für acht Euro gibt es eine gebundene Ausgabe. Der Hardcoverband ist auf 300 Exemplare limitiert und nummeriert und kostet 24 Euro. Das Thema schien den Machern als würdig genug, um dieses riskante Experiment zu wagen. Als Schmankerl für die Abonnenten hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen: Das Weltkriegstheater des Jacques Tardi als Bastelbogen in DIN A 3, limitiert auf 400 Exemplare. Wenn das mal kein außergewöhnliches Gimmick ist, was dann?

Fazit:
76 opulent illustrierte Seiten, teilweise in Farbe, zum Thema Jacques Tardi. Dieses Dossier macht klar, warum Tardi zu den wichtigsten französischen Comickünstlern gezählt wird. Er mag nicht der Massentauglichste in Deutschland sein, aber sein Werk ist höchst interessant und lohnt die Auseinandersetzung.

Die Ausgabe 52 der Zeitschrift für Graphische Literatur ist wieder ein unentbehrliches Stück Sekundärliteratur, das sich jeder, der sich für Informationen über die eigentlichen Comics hinaus interessiert, zulegen sollte.

Reddition 52 - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Reddition 52

Autor der Besprechung:
Matthias Hofmann

Verlag:
Edition Alfons

Preis:
€ 8.00

76 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • sehr gut illustriert
  • ein Muss für Freunde von Comic-Sekundärliteratur
  • ausführliche Bibliographie
Negativ aufgefallen
  • zwei Artikel fallen mit viel Blabla und heißer Luft unangenehm aus dem Rahmen
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
Bewertung:
1.5
(2 Stimmen)
Bewertung
Du kannst diesen Comic hier benoten.

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Rezension vom: 18.07.2010
Kategorie: Reddition
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