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Die Katze des Rabbiners - Eine Reise in eine exotische Umgebung
Eine Betrachtung des Meisterwerks von Joann Sfar

Die Katze des Rabbiners - Eine Reise in eine exotische Umgebung


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"Bei den Juden schätzt man die Hunde nicht besonders. Ein Hund beißt dich, läuft dir nach, bellt dich an. Und die Juden ließen sich derart lange beißen,  verfolgen und anbellen, dass sie letztendlich die Katzen den Hunden vorzogen."
Band 1. Die Bar-Mizwa, Einleitung

Lesen - Reisen im Geiste

Leser sind ständig unterwegs zu fremden Gestaden, gleich ob Anhänger der traditionellen Literatur oder der "Neunten Kunst". Oftmals sind dann die besuchten Orte ihnen nach kurzer Zeit vertrauter als manche Ecken ihres Heimatortes. Ob Welten voller Ausserirdische, ob Reiche der Elfen, Trolle oder auch mitten unter uns lebende menschliche Zauberkundige - die beschriebenen Sitten und Gebräuche gehören nach einiger Zeit zum "Allgemeinwissen", zumindest in den jeweiligen Fankreisen.

Das es nicht immer die "Flucht" in eine Fantasy-Welt sein muss, um neue "Welten" kennenzulernen, beweist uns Joann Sfar (Jahrgang 1971, geboren in Nizza) in seinen Erzählungen "Die Katze des Rabbiners". Mal ehrlich, welcher durchschnittliche Bildungsbürger hat sich trotz akademischer Bildung mit der für uns fremdartigen Lebensart der sephardischen Juden beschäftigt? Als Sepharden bezeichnen sich die Juden und deren Nachfahren, die sich nach der Vertreibung von der iberischen Halbinsel im 15. und 16. Jahrhundert in Nordafrika angesiedelt hatten.

Gewöhnungsbedürftiges aus Frankreich

Nordafrika, Anfang des 20. Jahrhunderts, die jüdische Religion, eine sprechende Katze - als wäre das für viele Leser noch nicht exotisch genug, wählt Joann Sfar  auch noch einen für unsere Augen ungewöhnlichen Zeichenstil. Formen und Farben sind der orientalischen Umgebung angepasst. Der Hauptdarsteller (Die Katze ist ein Kater) wird in einer faszinierenden Hässlichkeit präsentiert, die weit entfernt ist von den gewohnten "niedlichen" Darstellungen gezeichneter Tiere. Riesige Ohren, die eher an einen Hasen oder einen Wüstenfuchs erinnern, ein "feldgraues" Fell, eine Kopfform die zeitweilig an einen Schakal denken lässt, dazu die wechselnen unterschiedlichen Körperproportionen. Das diese "Verhässlichung" nicht auf zeichnerisches Unvermögen von Sfar zurückzuführen ist, beweist er in vielen anderen Panels. Die Tochter des Rabbiners mit dem wohlklingenden Namen "Zlabya" oder auch der später auftauchende Löwe sind liebevoll dargestellt.      

Hat sich Auge und Hirn des Lesers an den ungewöhnlichen Zeichenstil gewöhnt, beginnt eine faszinierende Reise in eine neue Welt. Träger der Erzählung ist eine Katze, die durch das Fressen eines Papageis mit den Menschen sprechen kann. Diese Fähigkeit nutzt sie weidlich aus, um das beschauliche Leben eines Rabbiners und seiner Tochter durcheinander zu wirbeln. Sfar nutzt seinen Hauptdarsteller, um viele Informationen über das Judentum und die damalige Lebensweise in Nordafrika zu vermitteln und gleichzeitig wieder viele Inhalte der jüdischen Lehre zu hinterfragen.

Eine Katze als Philosoph

So möchte die Katze zum Judentum konvertieren und gerät in einen Gelehrtenstreit mit dem Rabbiner des Rabbiners, den sie dank eines umfangreichen jahrelangen Selbststudiums gewinnt. Der Obergelehrte erweist sich nicht als allzu souverän und wirft beide hochkantig hinaus. Auch ihren Herrn treibt sie regelmässig zur Verzweiflung, will sie doch gleich mit der Lehre des Kabbalah beginnen (mystische Tradition der Juden), anstatt sich mit den Grundlagen zu begnügen. Auch Tabuthemen werden aus Sicht eines Katers angeschnitten: "Wie sollen die jungen Schüler, die jungfräulich in die Ehe gehen sollen mit ihren angeschwollenen Hoden zurecht kommen? Ob der Meister denken würde, dass seine Schüler masturbieren?" Natürlich gibt es nur die offiziellen Anworten, "dass die Menschen es schafften, ihre sexuellen Bedürfnisse in Energie umzuwandeln, die sie dazu nützten, sich zu bilden und ihre Seele zu stärken" (Band 1, Die Bar-Mizwa). An diesem Punkt wird die Diskussion dann abgebrochen und die Katze behält ihre durch "Bespitzelung" der Schüler gewonnenen Erkenntnisse über deren voreheliche Triebbefriedigung für sich.

In den weiteren Bänden entwickeln sich die Figuren weiter, es werden neue Charaktäre eingebracht. Die Tochter heiratet einen Rabbiner aus Paris, eine gemeinsame Reise nach Frankreich zeigt einige Unterschiede der orientalischen von der westlichen Kultur. Ein Verwandter mit einem zahmen Löwen taucht auf, aus Russland gelangt in einer Holzkiste ein Maler in die nordafrikanische Umgebung. Eine Expedition nach dem afrikanischen Jerusalem wird gestartet und es gibt zwangsläufige hochinteressante Begegnungen mit der arabischen Kultur. Dank dem Erzählstil über die Katze gewinnen selbst eigentlich banale Szenen an Bedeutung und die interessanten Geschichten lassen sich nach einer Eingewöhnungszeit flüssig und kurzweilig lesen.

Fazit:

Joann Sfar gehört zu den "Vielschreibern", sein Ausstoß an Gezeichnetem ist beachtlich. Mehr als einhundert Alben stammen aus seiner Feder. Die vielfach ausgezeichnete  Albumreihe "Die Katze des Rabbiners" ist in Frankreich ein Verkaufsschlager. Bis Mitte 2006 sind dort über 450.000 Bände verkauft worden. Auch die in Deutschland im Avant Verlag erschienene Ausgabe ist schon in der vierten Auflage nachgedruckt worden und von Band 1 allein haben über 10.000 Exemplare einen Abnehmer gefunden. Auch der Max- und Moritz Preis als Bester Autor ging 2004 an Joann Sfar für dieses bemerkenswerte Werk.

"Die Katze des Rabbiners" ist eine dieser Erzählungen, die sich vielen Lesern erst auf den zweiten Blick als ein beachtenswertes Juwel der Literatur offenbart. Das ist schade. Die Albumreihe wird sicherlich manchen Comic- und Literaturfreund ansprechen, sofern er gewillt ist auch mal über seinen Genre-Tellerrand zu schauen. Die imposanten Verkaufszahlen in Deutschland sind vermutlich den vielen positiven Berichten in einschlägigen Publikationen (taz, spiegel online, zeit uvm) geschuldet. Gelegenheitsleser werden im Comicfachhandel oder der Bahnhofsbuchhandlung wohl nicht unbedingt aus Neugier mal nebenbei ein oder zwei Alben mitnehmen. Dagegen spricht der gewöhnungsbedürftige Zeichenstil und der Preis von 14,95 Euro bis 16,95 Euro. Für ein Album dieser Machart (Hardcover) ist diese Summe zwar nicht übertrieben, aber halt kein "Mitnahme, mal zur Probe lesen"-Preis.  

Ein absolut empfehlenswertes Werk der Comicliteratur, das sich sicherlich auch hervorragend für den Schulunterricht eignet um den Schülern einige Grundzüge fremder Kulturen und Religionen zu vermitteln. Wer immer die Möglichkeit dazu hat, sollte sich einmal selbst ein Bild von den Erzählungen machen und einfach mal einige Seiten in einem Band lesen. Das könnte der Beginn einer Reise in eine faszinierende exotische Welt sein......

Bezugsquellen der 5 Bände

Die 5 Bände der Albumreihe ist über den Avant-Verlag http://www.avant-verlag.de erhältlich, ferner natürlich über viele gutsortierte Händler.

Joann Sfar - Die Katze des Rabbiners, Format HC
Bd. 1: Die Bar-Mizwa (2004) ISBN: 3-9807725-5-1 )
Bd. 2: Malka, der Herr der Löwen (2004) ISBN: 978-3-980772563
Bd. 3: Exodus (2004) ISBN: 978-3-980772570
Bd. 4: Das irdische Paradies (2006) ISBN: 978-3-980942881
Bd. 5 Jerusalem in Afrika (2007) ISBN: 978-3-939080-21-3

Band 1 bis 4 sind für 14,95 Euro erhältlich. Band 5 kostet durch die erhöhte Seitenzahl (86 statt 48) 16,95 Euro




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Artikel vom: 29.03.2009
Kategorie: Kolumne
Autor dieses Artikels: Rolf Niemann
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