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Interview mit Santiago Scalabroni
Interview der Duckipedia mit Disneyzeichner Santiago Scalabroni
santiago02.jpgEnde 2006 hatte Duckipedia die Gelegenheit, dem argentinischen Disney-Comiczeichner Santiago Scalabroni einige Frage zu stellen. Das Interview ist hier komplett wiedergegeben.

Die Veröffentlichung auf Splashcomics erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Duckipedia.

Von Matthias Meckel (Übersetzung & Fragen) und Kevin Kyburz (Idee & Fragen).

Hinweis: die letzten Fragen des Interviews ließ Santiago Scalabroni auf eigenen Wunsch von einem Freund übersetzen.

1. In Deutschland wurden Ihre Werke in Comics mit hohen Auflagen, wie z.B. dem Micky Maus Magazin oder dem Lustigen Taschenbuch veröffentlicht, aber auch in Comics wie "Die tollsten Geschichten", einem Heft, dass eher an passionierte Comicleser gerichtet ist. Könnten Sie sich bitte trotzdem nochmal kurz vorstellen um sich unseren Lesern ins Gedächtnis zu rufen.

Lassen sie mich dafür bitte ihre Leser und Freunde einladen meine Website www.scalabroniceballos.com zu besuchen. Dort stelle ich mich mit Lebenslauf und einigen Beispielen meiner Arbeit als Comickünstler und als Maler vor.

2. Sie haben in vielen verschiedenen Ländern gelebt und gearbeitet (in all diesen Ländern scheinen Disney Comics populär zu sein). Können sie uns etwas mehr über ihre Reisen erzählen und wie diese ihre Arbeit beeinflusst haben?

Die Disney Comics sind in der ganzen Welt so populär, wie in den Ländern, in denen ich bis jetzt gelebt habe. Ich denke, Reisen bieten uns eine Möglichkeit, das tieferliegende psychologische Profil von verschiedenen Menschen und ihre innersten Seiten zu erforschen und sie ermöglichen uns die Konzentration auf die Kultur und Lebensweise dieser Menschen. All das ist nicht zugänglich, ohne zuerst das Leben und die Erfahrung mit diesen Menschen, für zumindest ein paar Jahre, geteilt zu haben.

Ich denke ich hatte Glück, denn ich habe eine Art übernatürliche Gabe, die mich beschützt und mir geholfen hat, die Kraft zu finden, trotz solcher verschiedenartigen und heftigen Herausforderungen, weiterzumachen. Ich bin allen dankbar, die mich während meiner Reisen bei sich aufgenommen und mir geholfen haben, die mich aufgemunterten und meinen Zeichnungen zu mehr Freude verholfen haben. Das sind die eindeutigen Vorzüge, die ich durch die Reisen erfahren habe.

3. An welchen Projekten haben sie außer den Disney Comics noch gearbeitet?

An der Malerei. Ich liebe die Werke von David Gerstein. Leider habe ich ihn noch nicht persönlich getroffen, aber ich möchte hiermit meine Bewunderung, Anerkennung und meinen Respekt für ihn bekunden. Ich wage zu vermuten, dass wir uns beide von Pablo Picasso inspirieren lassen. David Gersteins Gemälde zeigen einen deutlichen Einfluss von amerikanischer Kunst und Pop Art, während sich in meinen Gemälden der Einfluss der griechischen Kunst widerspiegelt, mit ihrer Stimmung und Mythologie. Es freut mich wirklich, dass ich gemeinsame Interessen mit anderen Künstlern habe - das finde ich sehr inspirierend.

[Anmerkung: David Gerstein (*1944) ist ein israelischer Künstler, der hauptsächlich als Bildhauer mit Metallen arbeitet]

4. Wann haben sie angefangen ihr Geld mit Zeichnen zu verdienen?


Seit meiner frühen Kindheit musste mir meine Mutter immer Strafe androhen, damit ich meine Farbstifte aus der Hand lege. Zeichnen hat mich immer so sehr begeistert, dass ich alle elterlichen Befehle vernachlässigt habe, z.B. wenn ich Hausaufgaben machen soll. Ich habe mich lieber mit Farben und Papier umgeben. In der Disney-Ecke meiner Website kann man eine meiner Zeichnungen aus dieser Zeit sehen.

Mit 19 hatte ich in Buenos Aires angefangen beruflich zu zeichnen. Zuerst war ich nur für die Buchstaben in den Sprechblasen verantwortlich, aber schon kurz darauf wurde ich ins Zeichnerteam des selben Verlegers befördert.

5. Wann haben Sie ihren ersten Disney Comic gelesen?

Als ich vier Jahre alt war, haben uns unsere Eltern immer die wöchentlichen Donald Duck Hefte gekauft. Ich habe sie immer wieder gelesen, mir die Geschichten verinnerlicht und sie über die ganze Woche hinweg wiederholt.

6. Wollten Sie schon immer ein Künstler sein?


Ich denke ich habe diese Frage bereits beantwortet. Ich kann ein paar meiner Nicht-Disney-Zeichnungen, die ich als Kind gemalt habe, zur Verfügung stellen, falls sie jemand gerne sehen würde.

7. Sie arbeiten oft mit den selben Autoren zusammen. Können Sie sich die Autoren, mit denen Sie zusammenarbeiten, normalerweise aussuchen, oder werden sie Ihnen zugeteilt?

Ich habe bisher mit circa 70 verschiedenen Autoren zusammengearbeitet. Die Manuskripte werden mir normalerweise zugeteilt, wenn ich ähnliche Erzähleigenschaften wie der entsprechende Autor habe. Aber Egmont wählt natürlich aus und trifft die Entscheidung.

8. Welchen Disney Zeichner bewundern Sie am meisten?


Paul Murry hat die Attraktion, die die Comics auf mich ausübten, in jeder Hinsicht befriedigt. Meiner Meinung nach konnte Paul perfekte Disney-Figuren zeichnen und war ein außergewöhnlicher Erzähler, ein erstklassiger Erzähler von Superstorys. Genau wie die antiken Sänger von Rhapsodien gebrauchte er seine narrative Kapazität, um mit einer hochpräzisen wie auch in sich wertvollen Definition des Gehalts seiner Kunst unsterbliche Bilder in das Gedächtnis seiner Leser einzuprägen. Ich treffe diese Bilder noch immer in den tiefsten Schichten meines Innenlebens an und bewundere ihren Mangel an schlechtem Geschmack oder Gewalttätigkeit, ohne dass dabei etwas unterdrückt würde oder leblose Standardhelden beziehungsweise exaltierte und aggressiv-quirlige Karikaturen herauskämen.
In den Micky-Maus-Comics von Paul Murry zogen mich die Bilder in die Story hinein und motivierten meinen Geist und meinen Körper teilzunehmen.
Ein Künstler, der definitiv zählt, ist Carl Barks, der naiver war, nicht so metaphysisch wie Paul Murray. Carl Barks teilte sein immenses Glücksgefühl, seine Zuneigung und seine Liebe mit uns, den Kindern seiner Zeit. Er war ein wundervoller Mensch mit einem riesigen Herzen, der mich gelehrt hat, dass unsere Kunst den Kindern Liebe vermitteln kann und muss. Ich wünschte mir sehr, ich wäre ihm einmal persönlich begegnet. Es gibt viele Geschichten von ihm, die ich nie vergessen werde.
Paul Murray war andererseits in vielem wie ein junger, mutiger Vater, der mir Vertrauen einflößte, nur indem er mich an der Hand nahm. Er führte mich in eine Reihe überraschender Welten ein, indem er mich unter seine Fittiche nahm.
Im Vertrauen auf Ihren Sinn für Humor würde ich sagen, dass er ein wenig wie Vergil in Dantes Göttlicher Komödie ist, der uns in neue, weitere Dimensionen einführt.

9. Welche Art von Geschichte würden Sie gerne zeichnen, wenn Sie es sich aussuchen dürften.

Die von Paul Murry gezeichneten Storys, auf die ich bereits eingegangen bin, und natürlich die langen Geschichten von Carl Barks.

10. Wer hat Sie am meisten inspiriert?

Wenn man die Duck-Familie zeichnet, geht man immer von Carl Barks aus, natürlich ist und bleibt er ein Bezugspunkt und eine Inspirationsquelle.

11. Woran arbeiten Sie momentan?

Im Moment arbeite ich an keinem Projekt, das mit den Disney-Comics zu tun hätte.

12. Welche Disney-Figur ist Ihnen am ähnlichsten?

Daniel Düsentrieb. Als Kind habe ich die „Popular Mechanic" gelesen, eine Zeitschrift, die einer meiner Onkel kaufte und leidenschaftlich las. Sie befasste sich mit Erfindungen, und ihre Leser mussten neue Konzepte begreifen und konnten die jedes Mal die dort vorgestellte Erfindung nachbauen, indem sie einfach der Anleitung folgten. Später führte mich ein Freund der Familie, Nino Ganghi, in die Geheimnisse seiner Tischlerwerkstatt ein. Vor diesem Hintergrund griff ich Details und Ideen auf, die auf die Daniel-Düsentrieb-Geschichten angewandt werden konnten, nachdem man sie in den Disney-Stil übertragen hatte.
Davon abgesehen habe ich bestimmte Einzelheiten aus meinem Privatleben und meiner Heimatstadt benutzt, wo immer das möglich war. Ich habe die „Hosteria San Martin" gezeichnet, ein Hotel, das einer meiner Tanten gehört, und den La Cumbre Golf Club, beides in meiner Heimatstadt in Argentinien. Ich habe auch meine Frau und mich selbst sowie eine Reihe Freunde als Nebenfiguren gezeichnet.

13. Ihr Zeichenstil ist anders, als man es von vielen anderen Künstlern gewohnt ist. Viele italienische Künstler zeichnen beispielsweise keine Bewegungslinien, selbst bei Bewegungen. Sie dagegen zeichnen sehr gerne Bewegungslininen oder Schweisstropfen. Die Augenbrauen, die sich zeichnen, unterscheiden sich auch von denen anderer Künstler. Ihr Stil ist viel "dynamischer" Wie haben sie zu diesem Stil gefunden?

Ich habe immer versucht, Ähnlichkeiten mit irgendeinem anderen Künstler zu vermeiden, da ich glaube dass sich eine Durchschnittsmentalität und ein künstlerisches Temperament nur schlecht vertragen. Tatsächlich hebt diese Kombination den persönlichen Stil auf und treibt professionelle Comic-Künstler dazu, das Werk anderer zu kopieren, was bedeutet, dass ihre Zeichnungen starr anstatt spontan geraten und ihnen der lebendige Fluss fehlt, wenn die Umrisse in einem steifen und ungeschickten Duktus ausgeführt werden.
Ich würde an dieser Stelle gerne etwas von unserem Gespräch abweichen, um das Verhältnis zwischen meiner Arbeit und der von [[Daniel Branca]] ein für allemal klarzustellen. Es ist niemals offiziell bekannt geworden, aber es gibt Zeugen dafür, dass ich mit Branca im Team zusammengearbeitet habe (1980-88). Zu Beginn unserer Partnerschaft war José Aviles Teil unseres Teams und hat die Umrisse gezeichnet. Ich entwarf die Storys, Branca „polierte" alle Figuren auf und dann übernahm ich wieder das Feld, um die Hintergrundszenerie und die Zeichnung auszuführen (nachdem José Aviles das Team verlassen hatte). Unsere Teamarbeit wurde von Branca allein signiert und war so erfolgreich, dass Egmont mehr und mehr Skripts einreichte und eine Massenproduktion von uns forderte.
Nachdem es mit der Teamarbeit aus war, machten wir meine eigenen Storys, was die stilistischen Übereinstimmungen und den beschränkten Umfang meiner Produktion in jener Zeit erklärt.
Ich bin sicher, dass Sie ausreichend gute Beobachter sind, um unsere Geschichten zu vergleichen und meine Figuren (von einigen wiederholt als „sehr brancamäßig" bezeichnet) sowie Brancas Geschichten aus jener Zeit zu erkennen; es sollte Ihnen ein Leichtes sein, meine Szenerien, den Stil meines Layouts und den Duktus meiner Umrisszeichnung zu unterscheiden. Außerdem war es eine ausgezeichnete Zeit, um Modelle im Rahmen eines neuen, expandierenden Unternehmens zu schaffen, das in einen bestehenden Produktionsstrom einbrach. Das war es auch, was mich dazu inspirierte und mir den Mut verlieh, die Gesamtkomposition der Bilder im Werk von Paul Murry, Carl Barks und Floyd Gottfredson genauestens zu studieren und sie als Quelle für die Regeln zu nutzen, die ich später auf die Geschichten anwandte, welche auf meinem Schreibtisch landeten. Dieselben Kompositionsregeln brachten in meinem Werk positive Resultate was die Flächenaufteilung oder das Seitenlayout anbelangt.
Um Ihre Frage bezüglich der Linien zu beantworten, welche die Bewegung begleiten, so muss ich sagen, dass sie funktonal sind und dem Auge des Lesers dabei helfen, etwas auf virtuelle Art wahrzunehmen, als ob es real wäre.
Zu dem Punkt wie ich Augenbrauen zeichne, muss ich sagen, dass ich kein Trickfilmzeichner bin; ich habe Anatomie studiert, Helldunkel, und ich habe Stunden darin investiert nach lebenden Modellen zu malen und zu zeichnen, alles was mein Fach erfordert hat. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass der Gebrauch von Farbe und die Malerei generell die Art geprägt haben, wie ich mit Comics gearbeitet und versucht habe, die Disney-Figuren meiner Realität anzunähern.
Meine gesamte professionelle Karriere hindurch habe ich mich bemüht aufrichtig zu sein, indem ich meine Allgemeinbildung in meine Comickunst eingebracht habe, und es tut mir ehrlich leid, falls diese Absicht falsch interpretiert worden sein sollte.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen in diesem Abriss meines Lebens und Werks beantwortet habe.
Wenn Sie mich entschuldigen wollten, so möchte ich einen sehr starken Wunsch eingestehen, den ich immer schon hatte (auch wenn er nichts mit Ihren Fragen zu tun hat). Ich wünschte, ich hätte ein Original der Seiten von Paul Murray oder Carl Barks, die meine Kinderphantasie und meine berufliche Entwicklung beflügelt haben.

An dieser Stelle möchte Duckipedia Herrn Scalabroni noch einmal für seine außergewöhnliches Entgegenkommen danken.


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Artikel vom: 15.01.2007
Kategorie: Interviews
Autor dieses Artikels: Bernd Glasstetter
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