Knock Out

Knock Out

Knock Out

Story:

Reinhard Kleist beginnt seine Geschichte über den schwarzen Boxer Emile Griffith in einer Nacht 1992. Griffith verlässt eine Bar und wird fast zu Tode geprügelt. Sein Vergehen: die Bar ist ein Homosexuellen-Treff. Mühsam, mehr tot als lebendig schleppt er sich nach Hause und durchlebt die Stationen seines aufreibenden Lebens noch einmal. Der Leser kehrt mit ihm nach New York der 1950er-Jahre zurück, erlebt mit ihm erste Box-Erfolge, aber auch Rassismus und entdeckt einen empathischen Menschen, der eigentlich gar nicht boxen will, sondern Mode entwerfen und Musik machen. Wir sind auch dabei in jener schicksalhaften Nacht im März 1962, als Griffith zum dritten Mal innerhalb seiner Karriere auf Benny Paret trifft. Bei diesem Kampf erwischt Griffith Paret so stark wiederholt am Kopf, dass dieser erst ins Koma fällt und wenige Tage nach dem Kampf an dessen Folgen stirbt. Kleist nimmt den Leser mit in die Hölle, die Griffith nach dem Kampf erlebt, denn er hat mit seinen eigenen Händen einen Menschen getötet.



Meinung:
Über die Qualitäten Reinhard Kleists, sowohl als Zeichner als auch als Szenaristen, möchte ich an dieser Stelle eigentlich keine Worte mehr verlieren. Sein Stil ist verblüffend emotional, und das obwohl er es immer wieder schafft die Panels von überflüssigen Inhalten zu reinigen. Das er dennoch Wut, Freude und Trauer mit wenigen Strichen auf den Punkt bringt, liegt vermutlich daran, dass er stets die Menschen, ihre Gestik und Mimik, in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt. 
Mit „Knock Out“ hat er sich wieder einmal einem biographischen Thema angenommen. Das ist sein Metier, hier fühlt er sich zuhause. Nach Nick Cave, Castro, Johnny Cash oder Samia Omar, nun also Emile Griffith. Aber im Gegensatz beispielsweise zu seiner Nick Cave-Biographie, die sich eher den metaphysischen Aussagen seiner Songtexte widmet, arbeitet sich der Künstler in „Knock Out“ wieder sehr eng am Leben seines Protagonisten ab.
Dabei gefällt mir besonders gut, wie einfühlsam er die vielen Facetten von Emile Griffiths Leben einfängt – denn der Sportler will in so gar keine Schublade passen. Er ist nicht nur erfolgreicher Boxer, der es immerhin zum Weltmeister im Welter-, Halbmittel- und Mittelgewicht schafft, sondern entwirft Damenhüte und nimmt sogar eine Single auf. Seine Homosexualität, zu der sich der Boxer offiziell 2008 bekannte, gerät dabei fast ins Hintertreffen. Denn Griffith ist nicht nur schwul, sondern er wird auch aufgrund seiner Hautfarbe immer wieder angegangen. 
Kleist gelingt es in seinem Comic diese ganzen Aspekte eines Lebens – und das es sich um einen realen Menschen handelt muss sich der Leser immer wieder vor Augen führen – zusammenzufassen. Es ist der Erzählkunst des Zeichners zu verdanken, dass der Leser dabei nicht das Gefühl hat, durch eine Biographie – im wahrsten Sinne des Wortes – „geprügelt“ zu werden. Stattdessen schildert Kleist sensibel und mit Gespür für die richtigen Akzente unaufgeregt, aber zutiefst berührend. 
Das gilt auch für jenen Tag, an dem sich sein Schicksal auf so dramatische Weise ändert: der 24 März 1962. Ich hatte bereits vor langer Zeit einmal eine kurze Dokumentation zum Thema Griffith gesehen. Dort wurde auch immer wieder der Frage nachgegangen, was passierte am Tag des Kampfs. Warum hat der Manager von Paret nicht das Handtuch geworfen, wieso hat der Ringrichter nicht abgebrochen und gab es tatsächlich im Vorfeld des Kampfes ein verbales Gefecht der beiden Kontrahenten? 
Kleist hat sich für die Version der Provokation durch Paret entschieden – und er lässt so Griffith zur tragischen Figur werden. Er, der niemals wirklich ein begeisterter Boxer war, vom Schicksal mit einem unglaublichen Talent gesegnet, aber wenig Lust auf den Ring, beendet das Leben eines Menschen, der ihn kurz vorher mit „Hey Schwuchtel“ anrief. Im Interview mit dem Deutschlandfunk äußerte sich Kleist wie folgt: „Es gibt ja auch Erfahrungen, die ich selber gemacht habe. Ich bin auch schon mal homophob angegangen worden auf der Straße. Im familiären Rahmen, wo ich auch mal von Verwandten Gegenwind bekommen habe, insofern gab es schon eine gewisse Identifikation mit der Figur. Ich habe jetzt selber mit Boxen nicht so viel zu tun. Ich glaube, über das Thema Boxen oder Sport kommt man an so ein Thema ganz anders ran und das war mit auch an dieser Geschichte wichtig.“



Fazit:
Eine einfühlsame Sportlerbiographie, die einen Menschen porträtiert, der kein Klischee erfüllen mag. Festgehalten in dem wunderschönen Artwork von Kleist. Ich empfehle dazu Motown-Sound, beispielsweise von den Temptations, immer wieder unterbrochen von Emile Griffith Single „Going Going Gone“.