Die Fahrten des Odysseus

Die Fahrten des Odysseus

Die Fahrten des Odysseus

Story:
Jules Toulet ist ein junger Maler der in Istanbul festhängt. Eines regnerischen Abends begegnet er der geheimnisvollen Salome Ziegler welche Kapitänin eines Schiffes ist. Sie ist auf der Suche nach einem bestimmten Maler und dessen Werken. Da Jules daber hilfreich sein kann, darf er mitreisen wenn er als Bezahlung jede Woche ein Bild abliefert. Dabei ist die Reise von Salome schon seit längerem eine Odyssee welcher derjenigen des antiken Helden in der Tragik kaum nachsteht.


Meinung:
Das Cover des dicken Comicbandes Die Fahrten des Odysseus ist etwas irritierend. Denn aufgrund des Titels würde man eher eine Ansicht eines antiken Schiffes erwarten oder eine Szene aus der Odyssee von Homer. Denn der Titel suggeriert ja das hier eine Adaption der klassischen antiken Sage vorliegen würde. Das dem nicht so ist, wird deutlich indem hier ein moderneres Segelschiff zu sehen ist.

Nun kennt man den Zeichner, oder besser: Maler, Emmanuel Lepage hauptsächlich von seinen Comicreportagen. Durch seine Bücher erwartet man hier etwas selbst von ihm erlebtes, also das er sich auf einem Segelschiff auf den Weg durch die Ägäis macht, um dort die Fahrten des Odysseus und dessen Stationen nachzuvollziehen und seine Eindrücke in Comicform zu verarbeiten. Schließlich ist Lepage mittlerweile berühmt durch seine Reportagen in denen zwar immer wieder mal nicht selbst erlebtes eingebracht wird, aber die nicht-fiktionalen Elemente deutlich weniger vorhanden sind. Dabei vergisst man schnell, dass Lepage eben mit fiktionalen Comics angefangen hat wie etwa Nico oder dem wundervollen Oh, diese Mädchen! zusammen mit Sophie Michel, die auch hier als Ko-Autorin fungiert hat.

Mit Die Fahrten des Odysseus  liegt ein rein fiktionales Werk vor, keine Reportage und nichts aus zweiter Hand. Der Titel bezieht sich natürlich auf den antiken griechischen Heros aber auch auf ein Schiff gleichen Namens. Welches nämlich auf dem Cover zu sehen ist. Es geht dabei aber nicht um eine Wiederholung der Reise, sondern es ist eine Hymne an die Macht der Bilder und wie man sich durch diese eine Welt aneignet. Oder einen Traum oder eine Person. Bilder sind nicht nur ein Abbild oder ein Ergebnis der Phantasie, sondern sie bannen auch etwas und besitzen Macht über uns. Dieser Aspekt spielt in diesem Band auf mehreren Ebenen eine große Rolle. Die Heldin des Buches, Salome (ein Schelm welcher an die biblische Figur denkt), ist auf der Suche nach den Bildern eines bestimmten Malers der sich auf Szenen aus dem antiken Griechenland spezialisiert hatte. Sie wird von einem Maler begleitet der hilfreiche Kontakte hat und als Bezahlung für die Mitreise auf dem Schiff jede Woche ein Bild abliefern muss.

Die Suche nach dem Maler bekommt schon fast fanatische Züge, aber ähnlich wie die ursprüngliche Odyssee dauert auch diese länger als geplant  und ist das Resultat eines tragischen Fehlers. Odysseus verärgerte Poseidon der die Heimkehr des Helden jahrelang hinauszögerte. Salome beging einen Fehler und kann erst nach Hause zurückkehren, wenn sie eine Art Wiedergutmachung geleistet hat. Im Laufe der Erzählung erfahren wir auch immer mehr über ihre Hintergründe. Es wird dabei der Antike gehuldigt und die moderne Heldin erlitt ein ähnlich tragisches Schicksal wie die antiken Figuren und macht damit die Unsterblichkeit und Wiederholung der Sagen und Mythen deutlich. Dabei ist die Antike ein Traum nicht nur der Heldin, sondern auch von der modernen Leserschaft. Sie stellt damit eine Idealisierung dar und das Abenteuer wird in der Erzählung, welche in einer nicht identifizierbaren modernen Zeit spielt, ebenso aus der Tragik geboren wie in den Sagen.

Dieses Spiel mit verschiedenen Ebenen welche Jahrtausende umgreifen und zeigen wie modern die antiken Sagen im Grunde immer noch sind, ist äußerst faszinierend und lädt auch zum Träumen ein. Lepage überzeugt nämlich wieder mit seinen detailliert dargestellten Settings aber auch mit intimeren Szenen in denen Menschen einfach nur miteinander sprechen. Zudem ist der Band eine Hommage an René Follet von dem hier einige Bilder stammen und von dem Skizzen hier erstmals überhaupt veröffentlicht werden. Follet ist ein belgischer Comiczeichner der in den 1970ern ein Buch über die antiken Griechen geschaffen hat und manchen durch seine Serien Onkel Paul, Valhardi, Edmund Bell und Wachsfiguren bekannt sein könnte. Letztendlich ist der Band also eine einzige Hommage. Aber was für eine.



Fazit:
Ein wundervoller Band über die Macht der Bilder. Zum einen werden Parallelen der antiken Sagen mit der Moderne hergestellt und zum anderen gibt es Metaebene über Bilder und was man sich mit ihnen aneignet. Wieder laden die Aquarelle von Lepage zum Träumen ein und die dramatische Handlung reisst einen mit.