Don Quixote - Gratis Comic Tag 2015

Don Quixote - Gratis Comic Tag 2015

Don Quixote - Gratis Comic Tag 2015

Story:
Die Zeit der fahrenden Ritter liegt lange zurück, aber ihre Abenteuer leben in Geschichten weiter. Zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts verschlingt der spanische Edelmann Alonso Quexana jedes Buch über das Rittertum, dessen er habhaft werden kann. Schließlich verliert er sich völlig in seiner Lektüre, und dabei auch den Verstand: Quexana nennt sich "Don Quixote de La Mancha", erklärt seinen alten Gaul zum wackeren Streitross "Rosinante" und reitet aus, seiner Bestimmung als Ritter entgegen. Dass sein Helmivisier aus Pappe ist und die dreißig Riesen, die er seine Lanze spüren lässt, für alle anderen Windmühlenflügel sind, ficht ihn dabei keineswegs an.

Meinung:

Wir wissen ja alle, Comics sind nicht gut für die Menschen. Das war zumindest früher eine weit verbreitete Meinung, zumal im bildungsbeflissenen Deutschland. Da passt es geradezu wie die Faust auf's Auge, dass Don Quixote's Abenteuer, ganz klar ein Fall von Weltliteratur, nun auch als Graphic Novel umgesetzt wurden.

Denn zu Cervantes Zeit galten Ritterromane als so etwas wie die "Schundhefte" ihrer Zeit. In gebildeten Kreisen war man der Meinung, dass die Abenteuer von Amadis von Gallien und seinen edelmütigen Standesgenossen das Hirn vernebeln. Cervantes wollte mit seinem "Don Quixote" nicht nur die Ritterromane parodieren, sondern auch vor deren übermäßiger Lektüre warnen. Nicht dass noch mehr Leute ihre jeweilige Rosinante sattelten.

Diese Version des Ritters von der traurigen Gestalt ist nun eben eine Graphic Novel, und die ist ganz und gar nicht traurig. Rob Davis geht Cervantes Meisterwerk mit spürbarer Achtung und Zuneigung, aber ohne überflüssige Ehrfurcht an. Der Brite hat Erfahrung mit dem Entstauben von Denkmälern. Nach seinem selbstveröffentlichten Debüt "SLANG" hat Davis dem in UK legendären Fußballcomic "Roy of the Rovers" neues Leben eingehaucht und später an "Judge Dredd", Comics zu "Doctor Who" oder einer Adaption von Lovecrafts "The Dunwich Horror" gearbeitet.

Entsprechend erfrischend, geradezu frech ist Davis' Blick auf Don Quixote. So mancher Leser wird mindestens schmunzeln müssen, wenn der Autor höchst persönlich schon auf der Titelseite dem Einleitungstext widerspricht: Cervantes habe "Don Quixote" während seiner Gefangenschaft in Sevilla ersonnen? "Stimmt ja gar nicht", tönt es aus dem vergitterten Fenster, "wer erzählt denn sowas?" Denn er habe die Abenteuer nur niedergeschrieben, es sei "Geschichte, nicht bloß eine Geschichte". Passend zu unserem Helden, der die Abenteuer der fiktiven Edelmänner nicht mehr von der Realität zu trennen weiß...

Dieser Held und alle anderen Figuren werden auf eine Art dargestellt, die ebenso fies wie liebevoll ist. Nie wird jemand der Lächerlichkeit völlig preisgegeben, auch wenn es sich bei einigen anbieten würde. Aber gleichzeitig bekommt das Podest, auf das sich der eine oder andere selbst stellt, einen herzhaften Fußtritt ab.

Die Zeichnungen sind großzügig und verteilen sich auf den Seiten, wie es gerade gebraucht wird, ohne durch weiter Panellinien eingeengt zu sein. Stattdessen fransen sie in den Weißraum aus. Dadurch wird der Eindruck des Erzählt-Bekommens nochmal verstärkt.

Besser Werbung als mit dieser Version von "Don Quixote" kann man eigentlich gar nicht machen - Werbung für den Comic als solchen, für seine Fähigkeit, auch "gehobene" Themen verkraften zu können und für die Idee, mal wieder einen Blick in Cervantes Roman zu werfen. Man könnte die beiden Bände, die Rob Davis' Graphic Novel mittlerweile umfasst, gut neben Susanne Langes viel gelobte Neuübersetzung von 2008 in's Regal stellen. Jeder der beiden ist der Gesellschaft des anderen würdig.



Fazit:
Wer keine Freude an Weltliteratur in dieser Form hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Rob Davis verbindet in seiner Fassung von Cervantes berühmten Roman Achtung und Zuneigung dem Originalstoff gegenüber mit einer großen Portion Frische, geradezu Frechheit. Sollte jemand der Meinung sein, Comic kann nur trivial, sollte man ihm diese Graphic Novel in die Hand drücken. Das Gleiche gilt für den Fall, dass jemand sich in Respekt vor Cervantes Roman verliert. Da kann man getrost riskieren, dass vielleicht doch jemand nach der Lektüre seine Rosinante sattelt.