Kleist gewinnt Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie Sachbuch


Es ist eine große Ehre den deutschen Jugendliteraturpreis zu gewinnen. Noch interessanter ist dies aber, wenn das einem Comic gelingt. Genau dies ist nun passiert: Reinhard Kleist hat den Preis in der Kategorie "Sachbuch" für seinen Comic "Der Boxer abgeräumt.

Hier die Begründung der Jury:

„The borderland between fiction and nonfiction
has been fertile territory for some of the most potent contemporary writing.‟
(Art Spiegelman: A Problem of Taxonomy)

Der Boxer ist die dritte und thematisch brisanteste der grafischen Biografien von Reinhard Kleist. Es ist die Geschichte des polnischen Juden Hertzko Haft, der die Konzentrationslager überlebte, weil die Nazis ihn dort als Boxer auftreten ließen. Grundlage der Graphic Novel ist eine von Hertzko Hafts Sohn in englischer Sprache verfasste Biografie, die 2009 auch auf Deutsch erschienen ist. Bereits hier wird mit schonungsloser Offenheit dargestellt, wie die furchtbaren Erlebnisse den Vater beschädigt und seine Beziehung zum Sohn beeinträchtigt haben. In seiner Adaption thematisiert Kleist das komplizierte Verhältnis von Vater und Sohn in einer Rahmenhandlung, die auch grafisch von der eigentlichen Biografie abgehoben wird.
So fasst er die Erinnerungen in Bilder und zeigt, wie sie die Gegenwart verfinstern.
Reinhard Kleist hat ein vielbeachtetes Gesamtwerk vorgelegt, das durch eine erstaunliche Vielfalt der grafischen Ausdrucksmittel beeindruckt. In Der Boxer hat er sich, ähnlich wie in seinen Biografien von Johnny Cash und Fidel Castro, für kleinformatige Schwarzweißzeichnungen entschieden. In Verbindung mit Reinhard Kleist expressiver Bildsprache bietet diese strenge Form ein sehr angemessenes Instrumentarium. Die Zeichnungen sind überaus präzise ausgeführt und sorgfältig komponiert – viele der Panels könnten auch für sich allein stehen. Eine Vorform des Werkes erschien bereits 2011 als Fortsetzungs-Comic in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie wurde für das Buch erheblich erweitert und hinsichtlich des Seitenaufbaus umgestaltet. Durch den Wechsel von realistischen und symbolisch überhöhten Darstellungen, und den von genretypisch mit Hilfe von Sprechblasentext erzählten Sequenzen mit Bildern oder Bildfolgen, die ganz ohne Verbaltext auskommen, ist eine atmosphärisch dichte, künstlerisch überzeugende grafische Erzählung entstanden und ein Sachbuch mit großem Aufklärungspotenzial.
Dazu trägt vor allem die differenzierte Darstellung der Persönlichkeit Hertzko Hafts bei und der Verzicht auf eine oberflächliche Opfer- oder Heldengeschichte. Ein Nachwort des Sportjournalisten Martin Krauß zum Thema „Boxen im Konzentrationslager“ vermittelt weitere Informationen zu diesem wenig bekannten Kapitel der Zeitgeschichte.
Dieser Preisbegründung steht ein Zitat als Motto voran. Es stammt aus einem Leserbrief von Art Spiegelman an die New York Times vom 29.12.1991, in dem er darum ersucht, seinen Comic Maus aus dem Bereich „Fiction“ der Bestellerliste in den Bereich „Non-Fiction“ zu verschieben. Die Redaktion entsprach dem Wunsch in der darauffolgenden Woche.